Avignon

Avignon

Avignon (spr. Awiniong), 1) Bezirk im französischen Departement Vaucluse, 81/2 QM., 69,000 Ew.; 2) Hauptstadt desselben u. des Departements, am linken Ufer der Rhône, die hier die Sorgue aufnimmt, die Insel Bartelasse (Barthulasse) bildet u. mehrere Brücken hat; Sitz des Erzbischofs,[101] eines Obertribunals u. Handelsgerichts; hat mehrere wissenschaftliche Anstalten, Bibliothek, Museum, Landwirthschaftlichen Verein, ehemaligen päpstlichen Palast, Kathedrale, Franciscanerkirche mit Grabmal von Petrarca's Laura, seit 1857 protestantisches Bethaus, Invalidenhaus, Kanonengießerei etc. Von den übrigen zahlreichen früher hier befindlichen Kirchen, Klöstern, Alterthümern, sind die meisten durch die Revolution zerstört worden; Seidenmanufacturen (Avignoner Zündeltafft) u. Seidenfärbereien, Lederfabrikation u. Eisengießereien, Krapphandel u. Krappniühlen (A. ist Hauptsitz der Krappfärberei, da hier für die ganze französische Armee die Hosen gefärbt werden), sehr gute, weit ausgeführte Avignoner Hüte, für Männer u. Frauen, Bereitung chemischer Präparate (Grünspan, Scheidewasser, wohlriechende Öle); 33,000 Ew.; Geburtsort von Crillon u. Folard. – A. soll von den Phokäern, welche Marseille gründeten, im 6. Jahrh. v. Chr. erbaut worden sein; es hieß zur Römerzeit Avenio u. war die Stadt der Cavaren, eines gallischen Volkes, hatte aber vom 1. Jahrh. n.Chr. alle Rechte einer italischen Stadt, war noch später römische Colonie u. kam bei der Theilung von Gallia narbonensis zu Vienna prima. Nach der Zerstörung des Weströmischen Reichs bemächtigten sich die Burgunder A-s, u. König Gundebald. vertheidigte sich hier gegen Chlodwig. Später war es abwechselnd im Besitz der Gothen, Burgunder u. Franken. Zur Zeit, als das Fränkische Reich zerfiel, ward A. Grafschaft u. Hauptstadt von Venaisin, kam jedoch bald in den Gemeinbesitz der Grafen von Toulouse u. Provence u. der Grafen von Forearlier. Als Letztere ausstarben, schenkte der letzte seinen Antheil der Stadt A. Hierdurch u. durch die Albigensischen Kriege machte sich A. im 12. u. 13. Jahrh. unabhängig u. war der Zufluchtsort vieler Albigenser. Als die Stadt 1226 dem König Lndwig VIII. den Durchzug verweigerte, wurde es von diesem belagert, u. endlich ward am 12. Sept. ein Vertrag geschlossen, dem gemäß der König mit seinem Gefolge eingelassen werden sollte; letzteres bemächtigte sich aber der Thore, liest das Heer ein u. plünderte die Stadt u. schleifte die Mauern. Seitdem war es mit ihrer Unabhängigkeit vorbei. Als der letzte Graf von Toulouse 1429 starb, brachte dessen Erbtochter Johanna die Rechte auf A. ihrem Gemahl, Alfons, Graf von Poitiers, Bruder Ludwigs IX., mit, u. dieser zwang mit seinem Bruder Karl von Anjou, Gemahl der Erbin von Provence, A. ihre beiderseitige Oberherrlichkeit anzuerkennen. Nach dem Tode des Grafen fiel ein Antheil von A. an Frankreich, König Philipp der Schöne trat es jedoch 1200 an Karl von Anjou, König Beider Sicilien u. Graf von Provence, ab. Papst Clemens VII. verlegte 1309 den Päpstlichen Sitz nach A., u. es war nun bis 1377 Residenz der Avignonischen Päpste, deren 7 waren (Clemens V., Johann XXII., Benedict XII., Clemens VI., Innocenz VI., Urban V., Gregor XI.), u. von denen Clemens VI. 1348 die ganze Grafschaft A. der Königin Johanna von Sicilien um 80,000 Goldgülden abkaufte. Hier wurden 2 Concilien gehalten, 1326 u. 1337; ersteres faßte Beschlüsse über die Verhältnisse der Geistlichkeit zu den Weltlichen, letzteres gegen die schlechte Aufführung des Clerus. Gregor XI. verlegte seinen Sitz wieder nach Rom, doch blieb A. päpstliches Besitzthum u. wurde durch Vice-Legaten regiert. Später residirten bis 1409 mehrere nicht allgemein anerkannte Päpste daselbst. Seit 1790 kamen mehrere stürmische Auftritte hier vor, u. am 16. Oct. 1791 wurde A. nebst Venaisin der französischen Republik einverleibt, u. im Frieden von Tolentino, 19. Febr. 1797, leistete per Papst förmlich Verzicht auf A. Der Marschall Brune ward 1815 von Fanatikern hier ermordet.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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