Bandwürmer

Bandwürmer

Bandwürmer, 1) Cestoidea, Familie der Eingeweide- od. Binnenwürmer (Entozoa), dadurch ausgezeichnet, daß sie auf der letzten Stufe. ihrer Entwickelung als mehr od. weniger lange, bandförmige Thiere erscheinen, die bald aus nur locker an einander hängenden, bald inniger mit einander verwachsenen Gliedern bestehen, am vorderen dünneren Ende mit einem Kopfe, der 2–4 Saugmündungen u. zuweilen einen Hakenkranz in der Mitte hat. Man hielt lange Zeit den Bandwurm für ein einfaches Thier, mit Kopf u. gegliedertem Leibe; erst Steenstrup erklärte nach der Theorie des Generationswechsels (s.d.) den Kopf als larvenartige Amme, die Glieder aber als Geschlechtsthiere. Die Untersuchungen von Siebold's, van Beneden's, Küchenmeisters (Die in u. an dem Körper des lebenden Menschen vorkommenden Parasiten, Lpz. 1855) u. And. bestätigten seine Vermuthung, denn es zeigte sich, daß es in der Entwickelungsgeschichte dieses Thieres wirklich eine Periode gibt, während welcher noch weiter nichts existirt, als der sogenannte Kopf des Bandwurms, der ganz wie ein selbständiges Thier lebt u. erst allmählig unter gewissen günstigen Verhältnissen an seinem hinteren Ende eine Knospe nach der anderen hervortreibt. Man kannte diese isolirten Köpfe od. eigentlich Bandwurmammen zwar schon früher, hielt sie aber für besondere Gattungen von Eingeweidewürmern. So sind z.B. die Arten der Gattung Scolex nur Ammen der Grubenköpfe (Bothriocephalus), Dithyridium lacertae die Amme eines unbewaffneten Bandwurms (Taenia) u. die Arten von Tetrarhynchus die Ammen der Gattung Rhynchobothrius. Die Knospen, die am Hinterende der Ammen eine nach der anderen hervorkommen, sind, wie alle Knospen, Anfangs nur klein u. wenig entwickelt, nehmen aber allmählig in demselben Verhältnisse, in dem sie sich durch Einschiebung neuer Knospen von ihrer ursprünglichen Stelle entfernen, immer mehr an Größe u. Ausbildung zu; sie gelangen allmählig zur Geschlechtsreife u. so entsteht durch fortgesetzte Knospung endlich eine ganze Kette von Thieren, deren vorderes Glied (der Kopf od. die Amme) geschlechtslos u. nicht blos die Mutter der ganzen Kette ist, sondern auch zur Befestigung derselben dient. Zuweilen trennen sich die geschlechtlich entwickelten Cestoiden aus dem Zusammenhange der Kette, um eine Zeit lang selbständig zu existiren; da, wo der Zusammenhang der Glieder aber inniger ist, wie bei Ligula, scheint es zu einer solchen Trennung nie zu kommen. Der sogenannte Kopf ist übrigens nicht das Gebilde der ersten Bildungsperiode des Thieres, sondern das der zweiten. Die Eier der reisen Geschlechtsthiere, die sich in diesen entwickelten, enthalten vielmehr einen Embryo, welcher im Baue von dem der Amme ganz abweicht. Er erscheint als ein sehr kleiner kugeliger od. ovaler Körper, der an seinem vorderen Ende 4–6 paarweise geordnete Häkchen trägt. Die Entwickelung dieser Embryonen geht aber nicht in demselben Thiere vor. Die Eier der B. gelangen nämlich, u. zwar meist noch eingeschlossen von dem Geschlechtsthiere, aus den Eingeweiden des Thieres, in dem es lebte, mit dem Kothe heraus, u. die Embryonen bleiben so lange in ihren Hüllen, bis sie, od. gar die Geschlechtsthiere (Glieder), die auch Proglottiden genannt werden, noch eine Zeit lang beweglich bleiben u. umherkriechen, von irgend einem anderen Thiere zufällig beim Einnehmen der Nahrung verschluckt werden; bes. sind es Pflanzenfresser, welche diese Brut aufnehmen. So gelangt z.B. die Brut der Taenia serrata des Hundes in Kaninchen u. Hafen, die der [272] Taenia solium des Menschen in Schweine, der Taenia crassicollis der Katze in Mäuse etc. Durch künstliche Fütterung mit reisen Proglottiden hat sich diese Vermuthung auch wirklich bestätigt. So ist z.B. der sogenannte Blasenwurm (Cysticercus), die noch mit einer Schwanzblase versehene Amme von Taenia. u. der Drehwurm (Coenurus) gleichsam eine ganze Colonie solcher Ammen od. ein vielköpfiger Blasenwurm, dessen weitere Entwickelung aber auf dieselbe Weise geschieht. Gattungen der B.: 2) die Gattung Bandwurm (Taenia), gegliedert, lang, zusammengedrückt, Kopf mit 4 Saugmündungen, zwischen denen oft ein zurückziehbarer Rüssel mit od. ohne Hakenkranz; Eiermündung am Rande jedes Gliedes, entweder immer an derselben Seite, od. abwechselnd. Arten: der Langgliederige B. (Kürbiskernbandwurm, Taeniasolium), der Kopf ist etwa so groß, wie ein gewöhnlicher Stecknadelkopf, seine Haken sind in 2 Kreisen zusammengestellt, der schmale Hals von etwa 6 Linien Länge zeigt keine Gliederung, hinter ihm beginnt die eigentliche Gliederkette, die bei einem 10 Fuß 2 Zoll langen Wurme aus etwas über 800 Gliedern bestand, deren Eiermündung abwechselnd bald rechts, bald links ist. Der Länge nach nehmen die Glieder von 1/13 Linien bis zu 7 Linien zu; die Farbe ist weißlich. Es ist ein Irrthum, daß man bei einem u. demselben Menschen immer nur einen Wurm dieser Art antreffen sollte, worauf der französische Name Versolitaire hinweist. Diese Art lebt im Dünndarme u. ist in Deutschland, Holland u. England die gewöhnliche u. fast einzige Art aus dieser Familie, die sich im menschlichen Körper findet, theils einzeln (selten über 10 Fuß Länge), theils in Gesellschaft von mehreren, selbst bis zu 40 Stück. Sehr selten sind Fälle, daß Jemand zugleich Taenia solium u. einen Bothriocephalus latus bei sich hat. T. serrata Göze, Glieder fast vierseitig, hinten beiderseits spitz, 2–4 Fuß lang, im Dünndarme der Hunde; T. crassicollis R., im Dünndarme der Hauskatzen; T. expansa R., Glieder viereckig, die vorderen sehr kurz, kein Hals u. Strahlenkranz, Geschlechtsöffnungen entgegengesetzt, im Dünndarme der Schafe; T. plicata R. (T. magna), mit kurzen, am Rande gesägten Gliedern u. sehr großem vierseitigem Kopfe ohne Hakenkranz, im Dünndarme der Pferde; T. filum, fadenförmig, Glieder keilförmig, macht oft den Hauptbestandtheil des als Leckerbissen berühmten Schnepfendreckes aus. Die Gattung Grubenkopf (Bothriocephalus R.), Körper ebenso, aber Kopf fast viereckig rundlich, zusammengedrückt, ohne Haken, mit 2 Seitengruben od. 4 entgegengesetzten, Eiermündung in der Mittellinie der Glieder; der Breite Grubenkopf (Breiter Bandwurm, Bothriocephalus latus Brem.) unterscheidet sich von dem langgliederigen dadurch, daß seine Glieder breiter als lang sind, in der Mitte mit zwei Öffnungen, einer vorderen größeren u. hinteren kleineren, u. der Kopf zwei längliche Gruben hat; er lebt im Dünndarme der Menschen, wird zuweilen 20 Fuß lang u. findet sich vorzugsweise bei Schweizern u. Russen, seltener bei Deutschen, Niederländern etc.; B. punctatus, bei Pleuronectesarten u. anderen Seefischen, bes. bei Cottus Scorpio; B. solidus (Schistocephalus dimorphua), mit dreiseitigem, stumpfem, an der Spitze zweispaltigem Kopfe, in der Bauchhöhle des Stichlings, in Wasservögel mit der Nahrung gekommen, sich verwandelnd u. dann B. nodosus genannt; B. auriculatus u. coronatus, in Seefischen. Die Gattung Riemenwurm (Ligula Bloch), Körper lang, zusammengedrückt, ungegliedert, mitten mit einer Längsfurche, vorn 2 gegenüberstehende Sauggruben, leben vorzüglich in Fischen u. fischefressenden Wasservögeln; Arten: L. simplicissima Brems., in der Bauchhöhle der Süßwasserfische; die bei Vögeln vorkommenden haben eine od. zwei Reihen von Geschlechtsöffnungen; L. uniserialis Rud. u.a. Die Gattung Nelkenwurm (Caryophyllaeus Gmel. Caryophyllus Bloch.), Körperzusammengedrückt, ungegliedert, Kopf ausgebreitet, gelappt od. geschlitzt, veränderlich; Art: C. mutabilis R., in Eingeweiden der Karpfen. Andere Gattungen sind noch Dithyridium Rud., Tetrarhynchus Rud. (Floriceps Cuv.) u.a. 3) (Med.), s.u. Würmer (Med.).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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