Bergrecht

Bergrecht

Bergrecht (Rechtsw.), 1) im weiteren Sinne der Inbegriff aller derjenigen rechtlichen Vorschriften, welche den Bergbau u. das Bergwesen betreffen; 2) im engeren Sinne diejenigen Rechtsgrundsätze, die sich auf die Erlangung des Bergeigenthums (s. unten) u. die daraus fließenden Verhältnisse, sowie auf den Verlust desselben beziehen. Das B. gehört zu den schwierigeren Theilen der Rechtswissenschaft, theils weil es zu seinem Verständniß zugleich eine genaue Kenntniß des technischen Betriebes des Bergbaues verlangt; theils weil die Quellen desselben sehr verschiedenartig sind u. sich in den einzelnen Ländern meist sehr eigenthümlich entwickelt haben. Dennoch läßt sich auch ein Gemeines B., aus welchem die Berggesetze sich entwickelt haben u. daher auch ergänzt werden müssen, um so weniger läugnen, als in den geschriebenen Quellen sich oftmals auf ein solches ausdrücklich zurückbezogen wird. Das Meiste beruht indessen auf den besonderen Bergordnungen, d.i. umfassenderen Gesetzen, welche in den einzelnen Ländern über das Bergwesen gegeben sind, sowie auf den particularen Berggewohnheiten, d.i. Grundsätzen, welche sich als eine besondere Art des Gewohnheitsrechtes durch lange Übung u. Praxis festgestellt haben u. bes. in den Bergurtheilen, d.i. den Aussprüchen der Berggerichte, von denen deshalb vielfache Sammlungen existiren, ihren Ausdruck gefunden haben. Die älteste bekannte Aufzeichnung über B. ist das B. von Iglau vom Jahre 1250; ihm zunächst stehen der Bergbrief des Bergmeisters Ecklshalm zu Schladning in Steyer vom Jahre 1308, welcher die Grundlage des Tyroler u. Baierischen B-es wurde, u. das B. von Goslar vom Jahre 1359, welche Stadt jedoch schon früher bergrechtliche Aufzeichnungen, z.B. vom Jahre 1186 u. 1271 (die Jura et libertates silvanorum), hatte. Unter den seit Ausbildung der Landeshoheit für ganze Staaten erlassenen umfassenden Bergordnungen sind die bedeutendsten die für Sachsen vom Jahre 1589, welche in Verbindung mit der Joachimsthaler Bergordnung die hauptsächlichste Quelle des Sächsischen B-es bildet u. später auch für andere Länder, z.B. Schweden u. Dänemark, Hülfsquelle wurde; die Baierische Bergordnung vom 6. Mai 1784; für Preußen das Preußische Landrecht Th. II., Tit. 16, für Frankreich die Gesetze vom 21. April 1810, 3. Aug. 1813 u. 27. April 1838; für Belgien ein Gesetz vom 2. Mai 1837 etc. Eingetheilt wird das B. noch in Bergstaatsrecht, welches von den Rechten der Staatsgewalt in Bezug auf das Bergwesen u. die den Unterthanen wiederum in Betreff desselben gegen den Staat zustehenden Pflichten, von der Einrichtung der Bergbehörden, den Bedingungen, unter denen der Staat die Aufsuchung u. Ausbeutung der Mineralien gestattet etc., handelt; u. in das Bergprivatrecht, welches die Lehre von dem speciellen Bergwerkseigenthum, von den Verhältnissen der Miteigenthümer, der dabei beschäftigten Arbeiter, der Gläubiger etc. umfaßt. Doch läßt sich die Grenze zwischen beiden Unterabtheilungen nur sehr schwer ziehen, da beide vielfach in einander greifen, was zumal in den Ländern der Fall ist, wo eine Regalität des Bergbaues besteht. Die ursprüngliche Rechtsansicht der deutschen Völker betrachtete entschieden die unterirdischen Metalle als ein Zubehör des Bodens u. daher Demjenigen gehörig, welchem das Eigenthum der Oberfläche des Bodens zustand. Es galt daher auch als Grundsatz, daß jeder Privateigenthümer auf seinem Grundstücke frei u. ungehindert nach Erz graben könne. Schon im frühen Mittelalter fingen jedoch die Kaiser an, ein ihnen ausschließlich zuständiges Recht auf die unterirdischen Schätze zu behaupten, u. die Fürsten ließen sich dann von ihnen mit diesem Recht, das man eben deshalb als ein Regal betrachtete, belehnen od. nahmen es auch mit der größeren Ausbildung der Landeshoheit als ein ihnen kraft der landesherrlichen Rechte von selbst gebührendes Hoheitsrecht in Anspruch. Nicht immer wurde indessen die Regalität blos in dem Sinne verstanden, daß man die unterirdischen Schätze unmittelbar als im Eigenthum der Fürsten befindlich ansah u. hiernach aller Bergbau lediglich in den Händen des Landesherrn od. der damit ausdrücklich weiter Beliehenen lag; vielfach kamen daneben auch schon seit dem 14. Jahrh die sogenannten Freierklärungen vor. nach[610] welchen die Eigenthümer von Grundstücken, auf welchen steh Mineralien befanden, zum Besten Aller nur in der Weise beschränkt wurden, daß sie, wenn ein Anderer Bergbau auf ihren Grundstücken treiben wollte, dies ihm gestatten mußten, die Gestattung selbst aber nur von einer Genehmigung des Landesherrn, der Aufsicht durch landesherrliche Beamte u. gewissen an den landesherrlichen Fiscus zu entrichtenden Abgaben abhängig gemacht wurde. Hierdurch entwickelten sich im Laufe der Zeit für das Recht des Bergbaues zwei Systeme, welche auch nach jetzt wohl zu trennen sind, obschon die Tendenz der neueren Zeit entschieden darauf hinausgeht, das zweite immer mehr zur Geltung zu bringen: a) System der Regalität. Wo Regalität des Bergbaues herrscht, steht der ursprünglichen Rechtsidee nach nur dem Landesherrn die Befugniß zu, die unterirdischen Schätze zu heben, weil nur er als der volle Eigenthümer derselben gilt. Wollen daher Privatpersonen Bergbau betreiben, so können sie dies nur auf Grund besonderer Beleihung (Specialverleihung), durch welche das Recht des Staates auf sie übertragen wird. Eine solche Beleihung kann sowohl an den Grundherrn, als auch an Dritte, für ganze Districte od. auch nur für eine einzelne Grube, für Aufsuchung der Mineralien überhaupt od. eines einzelnen Minerals insbesondere erfolgen. Die Grundsätzen; der Belehnte erhält das Regal als ein Nutzeigenthum (Dominium utile), während das Obereigenthum dem Landesherrn verbleibt. Über den Umfang des Bergregals entscheidet für jedes Land das Gesetz od. Herkommen. Man unterscheidet dabei noch zwischen hohem u. niederem Bergregal, indem man Gold, Silber u. Edelsteine zu dem hohen, die übrigen nutzbaren Fossilien dagegen zu dem niederen rechnet. Im Zweifel kann das Bergregal nur auf wahre Metalle bezogen werden (Regal ist, was vor dem Feuer besteht); auf die durch gemeines Graben od. Steinhauen gewonnenen Mineralien wird dasselbe nicht ausgedehnt, so daß die Benutzung solcher Fossilien dem Grundeigenthümer frei steht. Steinkohlen werden indessen nach den Landesgesetzen oft zu den Regalien gerechnet. b) System des freien privatrechtlichen B-es, welches mit mehr od. weniger Modificationen den neueren Bergordnungen zu Grunde liegt. Hiernach gilt, wo ein Mineral zu Tage liegt od. wo der Abbau desselben einen kunstgemäßen Betrieb überhaupt nicht voraussetzt, als Eigenthümer alsdann der Regel nach Derjenige, welcher Eigenthümer des Grund u. Bodens ist, wie z.B. bei gewöhnlichen Steinbrüchen, Lehmgruben etc., u. es bedarf höchstens einer gewerblichen Concession, deren Ertheilung sich nach den gemeinen Vorschriften über das Gewerbswesen richtet. Für den bergmäßigen Betrieb dagegen gilt dann die Regel, daß die Bergschätze weder dem Grundeigenthümer, noch dem Staate, sondern Demjenigen gehören, welcher nach erlangter Erlaubniß von Seiten des Staates darnach gesucht hat u. die Grube dann unter der Aufsicht der Bergbehörde gehörig fortbaut. Wer ein solches Recht sich erwerben will, hat hiernach zunächst bei der Bergbehörde die Existenz eines noch in Bergfreien liegenden Minerals darzuthun. Dies erfolgt durch das Schürfen, d.h. durch die erste Entblößung des im Berge verborgenen Bergwerksgutes, zu welchem Zwecke vom Bergamt ein auf gewisse Districte lautender Schürfzettel ausgestellt wird. Der Schürfer erwirbt Finderrechte, welche ihm ein ursprüngliches, nicht erst abgeleitetes Eigenthum geben u. vermöge deren er dann fordern kann, daß ihm vor Allen der Bau auf das entdeckte Werk in einem gewissen Umfange ausdrücklich verliehen u. er als Eigenthümer des Bergwerksgutes in die Bergbücher eingetragen werde (Bergeigenthum). Hierzu hat der Finder binnen bestimmter Frist die Muthung vorzunehmen, d.h. an das Bergamt das auf die nachgewiesene Besitzergreifung gestützte Gesuch zu richten, daß ihm der Besitz u. das Eigenthum nunmehr bestätigt werde. Kann die Verleihung wegen obwaltender Hindernisse nicht sogleich vorgenommen werden, so wird eine Erlängung der Muthung auf eine weitere Frist gestattet. Sind dagegen die Fristen ohne erfolgte Belehnung verstrichen od. hat der Muther eine gewisse Zeit hindurch die Grube ungebaut gelassen, so geht ihm das Recht wieder verloren, die Grube fällt wieder in das Freie zurück. Der Umfang, in welchem die Verleihung des Bergeigenthums bei Einhaltung der erforderlichen Bedingungen stattfindet, ist nach den Landesgesetzen verschieden bestimmt. Hierzu wird eine bergmännische Vermessung nothwendig, welche nach Verschiedenheit der Lagerstätten des Minerals eine doppelte, nämlich nach gestrecktem od. geviertem Felde, ist. Die erstere kommt bei Gängen, die letztere bei Flötzen vor. Bei der Vermessung nach gestrecktem Felde erfolgte die Vermessung ursprünglich nach Lehnen, worunter man ein 7 Lachter langes u. ebenso breites Quadrat verstand, welches von dem Gange aus berechnet wurde. Da man jetzt aber unter Lehnen nur Längenmaße versteht, so wird die Breite des verliehenen Feldes noch bes. durch die Vierung bestimmt. Hierzu wird 31/2 Lachter in das Hangende u. 31/2 Lachter in das Liegende, jedoch so vermessen, daß man an den Saalbändern des Ganges anhält, die Mächtigkeit des Ganges also selbst nicht mit berechnet. Diese Vierungslinien begleiten dann den Gang nach allen seinen Richtungen. Vierung des Grubenfeldes wird die Vermessung genannt, wenn sie durch das Hauptstreichen des Ganges, d.h. durch seine wesentliche Richtung, abgesehen von den einzelnen Beugungen desselben, bestimmt wird. Die Vermessung nach geviertem Felde findet Statt, wenn das Grubenfeld nach dem Flächenraum gemessen wird, welchen es im Ganzen einnimmt. Die Fundgrube ist gewöhnlich dann ein Raum von 42 Lachtern Länge, jedoch geringerer Breite. Hinsichtlich der Teufe geben einige Bergordnungen dem Beliehenen das Recht, in senkrechter Richtung bis in die ewige Teufe hinabzusteigen; andere erstrecken die Befugniß nur auf eine bestimmte Teufe, doch so, daß die tieferen Gänge noch bes. gemuthet werden können. Von dem ersten Erwerber des Grubenfeldes kann das Bergeigenthum dann natürlich auch weiter veräußert u. verpfändet, überhaupt darüber so disponirt werden, wie es mit einem sonstigen Eigenthum geschehen kann. Diese weiteren Dispositionen erfolgen durch Einträge in das von dem Gegenschreiber geführte Gegenbuch, welches sonach für das Bergeigenthum das vertritt, was für andere Liegenschaften das Grund- u. Hypothekenbuch ist. Mit dem Gegenbuch ist das Vertragebuch verbunden,[611] in welchem die sämmtlichen, auf das Bergeigenthum Bezug habenden Verträge chronologisch eingeheftet werden. Das Muth-, Verleih- u. Bestätigungsbuch endlich enthält die Geschichte einer jeden einzelnen Anlage bis zur Verleihung des Bergeigenthums an eine bestimmte Person u. bildet sonach eine Ergänzung des Vertragebuches. In Betreff der Bergschulden gilt der eigenthümliche Grundsatz, daß sie nur auf dem Bergeigenthum haften, u. die Gläubiger daher sich nur an dieses u. nicht an das übrige Vermögen der Grubenbesitzer halten können. Als Bergschulden gelten indessen nur solche, welche ihren Grund in einer unmittelbaren Beziehung zu dem Bergwerk haben, wie Forderungen Dritter wegen hergegebener Betriebscapitalien, rückständiger Lohn der Bergleute, Abgaben an den Bergherrn etc. Können diese Forderungen nicht durch den Ertrag des Bergwerks getilgt werden, so kann dasselbe auf Antrag der Gläubiger zur Subhastation gebracht od. auch dem Gläubiger zugesprochen werden, welcher dann an Stelle des früher Belehnten eintritt. Häufiger ist es jedoch, daß alsdann die Gewerkschaft sich auflöst, die Grube auflässig wird u. wieder in das Bergfreie fällt, so daß dann neue Muthungen erfolgen können. Diese Auflässigkeit kann aber auch zur Strafe eintreten, insbesondere, wenn die Grube nicht bergordnungsgemäß betrieben wird, od. wenn die Veliehenen mit den schuldigen Abentrichtungen an den Bergherrn in Rückstand bleiben. Abrichtungen dieser Art sind insbesondere die Quatembergelder, ein vierteljährlicher Beitrag zu den Kosten des Bergamts, die Receßgelder, eine Art Kanon für die Beleihung, u. der Bergzehnt, d.i. der zehnte (oft aber auch nur der zwanzigste) Theil der gewonnenen Mineralien, s. Bergzehnt. Bei Veräußerungen kommt öfters auch ein Verkaufsrecht vor, nach welchem der Bergbelehnte verpflichtet ist, den Bergherrn um denselben Kaufpreis, um welchen er die Grube einem Dritten verkaufen will, in den Kauf eintreten zu lassen. Vgl. Hake, Über das B., Salzb. 1823; Karsten, Grundrecht der deutschen Bergrechtslehre, Berl. 1828.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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