Breslau [1]

Breslau [1]

Breslau, 1) Regierungsbezirk der preußischen Provinz Schlesien, 2481/8 QM., 1 Mill. Ew. m 59 Städten u. gegen 3000 Dörfern u. Colonien; grenzt an die Regierungsbezirke Liegnitz, Posen, Oppeln u. das Königreich Böhmen, an österreichisch Schlesien u. Mähren; Flüsse: Oder mit der Neisse, Ohlau, Lohe, Weistritz, Stober, Weida, Bartsch; südöstlich gebirgig (Sudeten, mit dem glatzer u. habelschwerdter Gebirge, Hochwald–. Eulen- u. Zobtengebirge); eingetheilt in die Kreise: Breslau, Brieg, Frankenstein, Glatz, Guhrau, Habelschwerdt, Militsch, Münsterberg, Namslau, Neumarkt, Nimptsch, Öls, Ohlau, Reichenbach, Schweidnitz, Steinau, Strehlen, Striegau, Trebnitz, Waldenburg, Polnisch Wartenberg, Wohlau; 2) Kreis hier, 141/2 QM., 138,000 Ew.; 3) Hauptstadt hier, von ganz Schlesien u. dem nach ihm benannten katholischen exemten Bisthum, u. dritte Haupt- u. Residenzstadt der preußischen Monarchie, Sitz des Regierungsoberpräsidenten, Fürstbischofs der Diöcese mit Domcapitel, des Generalcommandos des 6. Armeecorps, des Evangelischen Consistoriums, Appellationsgericht etc.; liegt in einem weiten, im S. durch die Sudeten, im N. durch die Trebnitzer Höhen begrenzten, bes. im südlichen Theile überaus fruchtbaren Ebene, ist größtentheils aus dem linken Ufer der Oder, die hier mehrere Inseln (Sandinsel, Bürgerwerder etc.) bildet, u. unterhalb der eigentlichen Ohlemündung gelegen. Schon 1291 wurde jedoch durch Herzog Heinrich V. ein Ohlearm südlich um die Stadt geleitet, welcher gegenwärtig fast immer stagnirend, nicht wenig zur Verunreinigung u. Verpestung der nahegelegenen Stadttheile beiträgt. Ein kurzer Oderarm geht südlich in die Ohle u. trennt östlich die Neustadt von der westlich gelegenen weit größeren Altstadt, die jedoch seit 1327 mit einander völlig vereinigt, seitdem Eine Stadt bilden, wenn auch der Name Neustadt nicht verschwunden ist. Nach den Bränden von 1341–44 ließ der deutsche Kaiser Karl IV. als Herzog von Breslau die Stadt nicht blos nach eigenem Plane wieder aufbauen, sondern auch über den Ohlegraben, hauptsächlich südlich hinaus erweitern. Noch später zog man einen zweiten Graben, den sogenannten Stadtgraben, auch auf dem linken Oderufer, nur in größerer Peripherie, sonst ziemlich parallel mit der Ohle u. befestigte die innern Wälle. So war Breslau eine ziemlich bedeutende Festung bis 1807, wo die Abtragung der Walle u. Bastionen u. ihre Verwandlung in die schönen Baumalleen u. Blumenanlagen, die sogenannte Promenade, begann Jenseits des Stadtgrabens liegen jetzt die Vorstädte: die Nikolaivorstadt im W., die Schweidnitzer im S., die Ohlauer im O. (nach den einst innerhalb des Stadtgrabens vorhandenen Thoren so benannt); dazu kam früher gegen O. nahe der Oder noch das Ziegelthor, u. jenseits der Oder ist die Sandvorstadt (nach der Sandinsel) u. die sogenannte Dominsel (seit der Abtragung der Festungswerke keine Insel mehr). Westlich, ebenfalls auf dem rechten Ufer, ist die weitläuftige Odervorstadt, welche mit der Stadt durch die sogenannte Oderbrücke verbunden ist. Diese zerfällt, indem sie über die beiden, das Bürgerwerder bildenden Oderarme geht, in 2 Abtheilungen. Noch 6 andere Brücken u. in neuester Zeit noch eine hölzerne Hängebrücke verbinden die Oderufer u. die Inseln. Über die Ohlau führen allein 20 Brücken, im Ganzen hat die Stadt deren etwa 50 aufzuweisen. Plätze: der Ring, bildet ein großes Viereck, dessen Seiten zum Theil nach Häuserabzeichen, der Naschmarkt (von dem Obst- u. Gemüseverkauf dort) im N., die Sieben-Kurfürstenseite od. Paradeplatz (weil hier früher die Paraden abgehalten wurden) im W., die goldene Becherseite im S. u. die grüne Röhrseite im O. genannt sind. Auf dem Paradeplatz steht die bronzene Reiterstatue Friedrichs des Gr., 1842 von den Schlesiern: errichtet, von A. Kiß; auf der grünen Röhrseite steht die steinerne, etwa 15 Fuß hohe Staupsäule von 1492; in der Mitte des Platzes das alterthümliche, prachtvolle Rathhaus, in der Mitte des 14. Jahrh. entstanden, zog sich sein Ausbau ins 17. Jahrh. hinein, nur 2 Fensterreihen hoch, zerfällt es kirchenartig in 3 Längenräume, die innen u. außen mit den herrlichsten u. reichsten Blüthen spätgothischer Ornamentik u. Sculptur ausgestattet sind; der Kellerraum ist der berühmte Schweidnitzer Keller (von einem ehedem berühmten Bier so genannt). Der Blücherplatz, früher Salzring, ist kleiner u. mit der 1826 errichteten Blücherstatue von Rauch geschmückt, das große Börsengebäude steht südlich am Platze; der Neumarkt, mit einem Neptunspringbrunnen; vor dem Schweidnitzer Thor der Tauenzienplatz mit dem von G. Schadow ausgeführten Marmordenkmal des preußischen Generals, der die Stadt 1760 gegen die Österreicher glücklich vertheidigte. In der Näbe zwischen dem neuen, 1841 vollendeten, großen Theater, einem Theil der Promenade, dem neuen[288] Ständehause u. dem von Stüler 1846 erbauten Südflügel des königlichen Schlosses ist der größte Platz der Stadt, der Exercierplatz. Ansehnliche Wasserleitungen versehen die Stadt mit Flußwasser. B. hat 30 Kirchen, darunter 20 katholische mit dem Dom zu St. Johann, in der Mitte des 13. Jahrh. im gothischen Styl begonnen u. am Ende des 15. Jahrh. vollendet, später im Renaissance- u. Barockstyl des 17. u. 18. Jahrh erweitert, mit 20 Kapellen (unter denen die St. Elisabethkapelle, 1680 erbaut, zwar die prachtvollste, aber anderen mittelalterlichen an Würde des Styls nachsteht) u. vielen bedeutenden Werken der Malerei u. Bildnerei. Die gothische Kapelle zum heil. Kreuz mit einer gleichweiten Unterkirche gehört dem Ende des 13. u. dem 14. Jahrh. an u. enthält die berühmte aus Thon gebrannte bunte Tumba des Stifters, Herzogs Heinrich IV.; die kleine gothische Martinikirche, einst herzogliche Schloßkapelle; die Sandkirche zu U.L. Frauen, eine großartige Hallenkirche mit schönen Gewölben u. Consoles, aus der Mitte des 14. Jahrh.; die Dorotheenkirche mit dem höchsten Dach der Stadt; die Dominikanerkirche hat einen schönen Giebel aus dem 14. Jahrh. u. einen neuen gothischen Altar mit gutem Bilde; in der Vincenzkirche liegt Herzog Heinrich II. unter seiner Tumba. Von den evangelischen Kirchen ist die größte die zu St. Elisabeth, 1257 angefangen, 1857 restaurirt u. mit Glasmalereien versehen, mit sehr hohem Mittelschiff, vielen Denkmälern der Sculptur u. Malerei aus allen Jahrh., einem schönen, etwa 50 Fuß hohen steinernen Sacramentshäuschen u. einem kolossalen, 289 Fuß hohen Thurme; die Maria Magdalenenkirche, auch mit vielen Denkmälern aller Art u. prachtvollen Glasgemälden; die Bernhardinkirche hat noch das alte aus dem 15. Jahrh. herstammende Klostergebäude u. den Kreuzgang; die neue Elftausendjungfrauenkirche; die Barbarakirche mit Tafelmalereien des 15. Jahrh.; die Hof- od. reformirte Kirche von 1750. Die große neue Synagoge ist die bedeutendste unter den 18 der Stadt. Merkwürdige Gebäude in B. sind noch das ehemalige Jesuitencollegium, jetzt Universitätsgebäude, mit der Aula Leopoldina u. einer Kiche, jetzt Matthiaskirche, Regierungsgebäude (sonst Hatzfeldsches Palais), Oberlandesgerichtsgebäude (früher Vincenzkloster), königliches Bibliothekgebäude (früher Sant stiftsgebäude), Fürstbischöfliche Residenz auf dem Dom, das im Florentinischen Palaststyl erbaute neue, imposante Gouvernementsgebäude, die Post, das neue Stadtgerichtsgebäude u. der 1857 vollendete Centralbahnhof. Wissenschaftliche Anstalten: Die Universität, auf Betrieb u. unter Leitung der Jesuiten 1702 für die theologische u. philosophische Facultät als Leopoldina eingerichtet, 1811 mit der Frankfurter Universität vereinigt u. dadurch zur vollständigen Universität erhoben, mit einer katholisch- u. evangelisch-theologischen, juristischen, medicinischen u. philosophischen Facultät; Bibliothek von 350,000 Bänden (darunter die an orientalischen Werken reiche Bibliotheca Habichtiana), Anatomischem Museum, Klinischem Institut, Sternwarte auf dem Universitätsgebäude, Botanischem Garten, Naturhistorischem Museum, Anstalten u. Sammlungen für Physik u. Chemie, Bildergallerie (700 Gemälde aus den eingezogenen Kirchen u. Klöstern), jetzt größtentheils der öffentlichen Bildergallerie im Ständehause anvertraut, Sammlung schlesischer Alterthümer u. antiker Gypsabgüsse, Schlesisches Provinzialarchiv (größtentheils aus Urkunden der aufgehobenen Klöster erwachsen; 1821 30,000 Stück) u.a. Verbunden mit der Universität sind die theologischen u. philologischen Seminarien. In letzter Zeit zählte die Universität meist zwischen 8–900 Studenten, früher zuweilen über 1000. Außerdem bestehen in B. eine Medicinisch-chirurgische Lehranstalt u. ein Hebammeninstitut, Kunst-, Bau- u. Handwerksschule, Taubstummen- u. Blindenanstalt, Sonntagsschule, über 30 Elementarschulanstalten. Höhere Unterrichtsanstalten: evangelische: Gymnasium St. Elisabeth, Maria Magdalena, Friedrichsgymnasium, Realschule am Zwinger u. höhere Bürgerschule II. zum heiligen Geist, städtische höhere Töchterschule zu St. Maria Magdalena; katholische: königliches Gymnasium im aufgehobenen Matthiasstift, katholisches Schullehrerseminar im aufgehobenen Nonnenkloster St. Jakob, Clerical-Alumnat auf dem Dom u. Mädchenschule der Ursulinerinnen. Außer der Universitätsbibliothek bestehen noch die Rhedigersche Bibliothek in der Elisabethkirche, die Magdalenenbibliothek in der Magdalenenkirche, mit Bildersaal, der jetzt auch der Galerie im Ständehaus einverleibt ist, u. die Bibliothek zu St. Bernhardin in der Neustadt, sämmtlich durch Vermächtnisse entstanden u. vermehrt, sowie noch einige kleinere an verschiedenen Anstalten. Von gelehrten Gesellschaften bestehen die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur, 1803 gestiftet, 1809 für wissenschaftliche Zwecke erweitert: in mehrere Sectionen für Geschichte, Medicin, Naturwissenschaften, technische Wissenschaften, Ökonomie, Pädagogik getrennt, besitzt Bibliothek u. Sammlungen, veranstaltet Ausstellungen u. gibt jährlich eine Übersicht ihrer Arbeiten heraus. Der Verein für Geschichte u. Alterthum Schlesiens gibt Quellenschriften u. eine Zeitschrift heraus u. hält monatlich Versammlungen u. Vorträge. Auch ist B. jetzt seit 1830 Sitz der Academia Leopoldina Carolina naturae curiosorum. Es erscheinen in B. 3 Zeitungen u. mehrere Zeitschriften u. Wochenblätter; es bestehen ferner über 30 Buch-, Kunst- u. Musikalienhandlungen u. über 30 Buch-, Kupfer- u. Steindruckereien. Wohlthätigteitsanstalten: das Kloster der barmherzigen Brüder u. das Krankenhospital der Elisabethinerinnen verpflegen eine große Anzahl Kranker, jenes jährlich in u. außer dem Hause an 6000; ferner bestehen das Elisabeth- od. Matthiashospital (1253 von den Herzögen Heinrich u. Wladislaw gestiftet, 1820 erneuert), das große städtische Krankenhaus zu Allerheiligen, Dreifaltigkeits-, Hieronymus-, Elftausend-Jungfrauen-, heilige Geist-, katholische St Anna-, u. 3 Kinderhospitäler, jüdisches Hospital u. jüdisches Krankenhaus, Hospital für alte hülflose Dienstboten, das Armenhaus, das Selenkesche Institut für verarmte Kaufleute beider Confessionen, der Verein für hülfsbedürftige Handlungsdiener, 8 Kleinkinderschulen u. Vereine zur Beaufsichtigung der Erziehung von Armenkindern, mehrere Institute zur Versorgung der Armen mit ärztlicher Hülfe u. Atsuelen u.a. Sämmtliche milden Stiftungen besitzen über 2 Mill. Thlr. an Capital u. verwenden hiervon u. von anderen Einnahmen gegen 120,000 Thlr. Die Industrie liefert bes.: Twiste, Leder, Zucker, Branntwein u. Liqueure, Gold- u. Silberwaaren, [289] Siegellack, chemische Waaren, Strohhüte, Röthe u. bedeutende Garracine, Essig, Öl, Cichorie, Möbel, Wagen, Claviere, u. ist der Hauptmarkt für schlesische Fabrikate (Wolle jährlich an 90–100,000 Ctr.), Zink, Eisen, Steinkohle, Holz u. russischer Leinsamen, bedeutende Maschinenbauanstalten etc. Handel: obgleich nicht so blühend, als in der Mitte des vorigen Jahrh. (bes. durch das Aufhören der Tuchausfuhr nach Rußland u. China gehemmt) u. im 15. u. 14. Jahrh., doch noch sehr ansehnlich (gegen 100 Handlungen); die Schifffahrt wird immer unbedeutender, wegen der Eisenbahnen; seit 1827 besorgt der Breslauer Schifferverband die Verbindung mit Hamburg, Berlin, Stettin etc. Münzen, Maße u. Gewichte. B. rechnet wie in Berlin u. in allen preußischen Staaten nach Thalern à 30 Sgr. à 12 Pf. u. die älteren schlesischen Münzen kommen gar nicht mehr vor (s.u. Schlesien), doch findet man hier von fremdem Gelde kaiserliche Ducaten, Louisd'or u. in Silber bes. polnisches Courant im Handel, u. werden nach Curs genommen; von den älteren Maßen sind jetzt fast gar keine mehr im Gebrauch u. höchstens verbotener Weise, da B. nach dem allgemeinen Landesmaße rechnet. Eisenbahnen besitzt B. jetzt 4: die Oberschlesische, 1841 begonnene, verbindet mit Oberschlesien, Krakau, Warschau u. durch die Wilhelmsbahn mit Wien; die Schweidnitz-Freiburger führt südlich ins Gebirge; die Niederschlesisch-Märkische verbindet mit Berlin, Dresden etc. u. die Posener, 1857 eröffnet, verbindet mit Posen, Stettin, Königsberg. Außerdem befördern 7 Jahr- u. 2 Wollmärkte zu Anfang Juni u. Oct. (ersterer fast der wichtigste der Welt) den Verkehr. Freimaurerlogen: 3 Provinziallogen von Schlesien, unter ihnen die vereinigten Johannislogen: zu den 3 Todtengerippen, zur Säule, zur Glocke; Horus u. Friedrich zu dem goldenen Zepter. Zu öffentlichen u. Privatvergnügungen, welche billige Droschken leicht erreichen lassen, dienen: die ehemaligen Festungswerke, jetzt in Alleen u. Spaziergänge, die sogenannte Promenade, verwanwandelt, fast um die ganze Stadt gehend; 2 Bastionen (Taschen- u. Ziegelbastion) sind als Berge, auf denen englische Anlagen befindlich sind, stehen geblieben, letztere bes. durch ihre überraschende Aussicht ausgezeichnet; das Theater (eine Actienunternehmung, seit 1841 in einem neuen Gebäude, mit täglichen Vorstellungen); Pferderennen u. Thierschau, durch den Provinzialverein veranstaltet; viele Concert- (u. Tanz-) Gesellschaften, 2 Singvereine, Liedertafel, Kutzners, Weiß', Volks- u. Schießwerder-Garten u. der Krollsche Wintergarten, Conditoreien, Resourcen (die kaufmännische mit schönem Garten, dem sogenannten Zwinger); viele Vergnügungs örter: Oswitz an der Oder, Pöpelwitz, Morgenau, Altscheitnig, Zedlitz u. Pirscham, Kleinburg; in weiterer Entfernung das Bad Obernigk u. Trebnitz, Sökarfine, Öls, Sibyllenort, Lissa, Zobten, Fürstenstein u. die Bäder Altwasser, Salzbrunn etc., mit der Eisenbahn in wenigen Stunden zu erreichen. B. hat 127,000 Einw., worunter 37,000 Katholiken, 9000 Juden u. 6000 Militärs u. ist Geburtsort von Garve, Gentz, Schleiermacher, Chr. v. Wolff, Holtei, Häring (Alexis), Kopisch, Panofka, Rosenfelder. Vgl. S. B. Klose, Von Breslau (Briefe eines Reissenden), Bresl. 1780 ff., 3 Bde.; F. R. Fischer, Führer durch Breslau, ebd. 1851; H. Fuchs, Breslau, ein Führer durch die Stadt, ebd. 1857. 4) (Gesch.). B. (lat. u. alt Wratislavia), wohl nach einem Gründer Wratislaw genannt, jedenfalls slawischen Ursprungs, war schon vor dem Jahre 1000 Bisthumshauptstadt u. gehörte mit Schlesien bis 1163 zu Polen, dessen Schicksale es bis dahin vollständig theilte. Schon nach 1034 brach in der allgemeinen Verwirrung des Reiches das kaum unterdrückte Heidenthum gegen die neue Religion vernichtend wieder hervor, u. die Böhmen eroberten so Schlesien u. B., das Casimir erst 1054 gegen einen Tribut wieder freikaufte. 1109 stand Kaiser Heinrich V. vor Breslau, mußte aber unverrichteter Sache heimkehren. Nach der Vertreibung des Herzogs Wladislaw II. erhielten dessen Söhne Schlesien als von Polen unabhängiges Land, u. unter ihm erhielt Heinrich I. der Bärtige Breslau, als eins der Herzogthümer Schlesiens (s.d.). Unter seinem Sohne Heinrich II., welcher ihm 1238 folgte, belagerten die Mongolen 1241 die Burg (die Stadt war eingeäschert) vergeblich. Heinrich III. erwies der Stadt viele Wohlthaten u. beschenkte sie unter Anderem 1261 mit dem Magdeburgischen Rechte. Heinrich IV. baute die Kreuzkirche als seine Grabstätte; Heinrich V. leitete zur größeren Befestigung u. Nutzbarkeit der Stadt 1291 einen Ohlearm um dieselbe. 1335 starb der letzte Herzog von B., Heinrich VI., u. hinterließ B. nach einem Erbvertrage dem König Johann von Böhmen, der wie sein Sohn Kaiser Karl IV., sich als die sorgsamsten Pfleger des städtischen Gemeinwesens bezeugten. 1341 bis 1344 betrafen B. verheerende Feuersbrünste; Karl IV. baute sie wieder auf u. erweiterte sie (s. oben 3), u. wies dem Handel der Stadt die fernsten Straßen bis nach Rußland, der Tartarei, Griechenland, Italien u. Flandern. Im 15. Jahrh. erreichte das Selbstgefühl der Bürger auch hier die höchste Steigerung u. ließ es zu vielfachen Unruhen, Aufständen (so 1418 von Seiten der Zünfte, deren Gewaltausbrüche König Sigismund mit Hinrichtung von 23 Rädelsführern bestrafte), ja zu den hartnäckigsten Versuchen, sich der böhmischen Herrschaft ganz zu entschlagen, kommen. Die verderblichsten Fehden u. Kriege mit der Ritterschaft, den Städten u. der Podiebradschen Partei (an einem Tage, am 28. August 1459, erhielt B. in 2 Körben 625 Fehdebriefe), u. der Druck des Ungarnkönigs Matthias Corvinus, waren die weiteren Folgen. Als dieser aber 1490 starb, vergriff man sich an seinem Landeshauptmann Heinz Domnik u. ließ ihn hinrichten. 1526 kam B. u. Schlesien an Ferdinand von Österreich. Die Reformation fand auch hier bald Eingang, u. 1523 wurde der Canonicus u. Domprediger Johannes Heß zum Stadtpfarrer erwählt, welcher der neuen Lehre eine feste Gestalt gab, u. die der alten Kirche fortan zugefügten Einbußen (1525 geschah z.B. eine förmliche Spoliation der Kirchenkleinodien der Klöster, u. 1529 zerstörte man ein colossales Kloster mit 3 Kirchen vor der Stadt) waren fast nicht geringer als die Rechtsbeeinträchtigungen, die ein Jahrhundert später von der Gegenpartei auch in dieser durch besondere im Westfälischen Frieden bestätigten Freiheiten ausgezeichneten Stadt verübt wurden. Am 10. August 1741 ließ sich König Friedrich II. von Preußen hier huldigen. Am 11. Juni 1742 wurde in B. der Friede zwischen Österreich u. Preußen, welcher den ersten Schlesischen Krieg endigte u. wodurch Schlesien an Preußen kam, abgeschlossen. Am 22. Novbr. 1757 fand vor B. die Schlacht zwischen[290] den Österreichern unter Prinz Karl v. Lothringen u. den Preußen unter dem Herzoge v. Braunschweig-Bevern statt, in welcher der Letztere geschlagen u. gefangen wurde, u. B. unter General Lestwitz capitulirte. Nach der Schlacht von Leuthen am 5. Decbr. 1757 capitulirte B. wieder, u. 18,000 Österreicher ergaben sich den Preußen als Kriegsgefangene. 1760 suchte General Laudon durch einen brusquirten Angriff u. Beschießung B. zu überraschen, doch hielt sich General Tauenzien, u. die Belagerung wurde nach 5 Tagen aufgehoben (s. Siebenjähriger Krieg). 1793 Aufstand der Handwerksgesellen u. 1797 der Bürger, s.u. Schlesien (Gesch.). Im Dec. 1806 belagerten u. beschossen die Franzosen u. Baiern B. Der Commandant, General Thiele, brannte die Vorstädte nieder, capitulirte ober am 5. Jan. 1807 (s. Preußisch-Russischer Krieg von 1806 u. 1807). Die Festungswerke wurden nun von den Franzosen gesprengt u. später, als der König den Platz der Stadt schenkte, bes. seit 1813 vollends abgetragen u. in Spaziergänge verwandelt. Am 17. März 1813 erließ der König von B. aus den Ruf: An mein Volk! welchem die Erhebung Preußens gegen Frankreich folgte. Im Juni wurde es einige Tage lang von den Franzosen besetzt, die es aber in Folge des Waffenstillstandes wieder räumten. 1819 brach ein Aufstand unter den Handwerksgesellen aus, der jedoch bald gestillt wurde. 1841 richtete der Magistrat einen Antrag an die schlesischen Stände, daß diese den König Friedrich Wilhelm IV. bitten möchten, die Reichsstände zu errichten, der Antrag wurde von den Ständen verworfen u. die Stadt zog sich eine zeitweilige Ungnade des Königs zu. Am 6. u. 7. Mai 1849 Volkstumult, s. Preußen (Gesch.). Vgl. Menzel, Topogr. Chronik von B., Bresl. 1805–8; Pol, Jahrb. der Stadt B., herausgeg. v. Büsching u. Kunisch, 1813–24, 5 Bde.; Eschenloer, Gesch. der Stadt B. von 1440–79, herausg. von Kunisch, 1827, 2 Bde.; Morgenbesser, B. u. seine Merkwürdigkeiten, ebd. 1831; Nösselt, B. u. seine Umgebung, 2. Aufl. ebb. 1833.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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