Broglie

Broglie

Broglie (spr. Brollje [Broglia, Broglio]), eine lombardische Familie, ursprünglich Gribaldi geheißen, gehörte unter den 7 Familien, welche Republik u. Stadt Quiers (Chieri) gründeten. 1450 theilte sich die Familie in 2 Linien: a) die Grafen B. di Casalborgone, die noch in Chieri wohnen, u. b) in die nach Frankreich übergesiedelte; die Glieder derselben wurden 1742 zu Herzögen u. 1759 zu deutschen Reichsfürsten erhoben u. theilten sich durch die 2 Söhne des Fürsten B. 4) in den ältern u. jüngern Zweig, deren Chefs jetzt B. 8) u. B. 10) sind. Aus dieser Linie stammen: 1) Franz Maria, Graf v. B., war Gouverneur von Coni, trat mit Bewilligung des piemontesischen Hofs in französische Dienste, commandirte in Italien das Cavalerieregiment Mazarin, wurde 1652 in Frankreich naturalisirt u. fiel 1656 vor Valenza. 2) Victor Maurice, Graf v. B., Marquis v. Bregolles u. Senanches Sohn des Vor., geb. 1639; zeichnete sich in den Kriegen Ludwigs XIV., bes. im Spanischen Successionskriege, in den Niederlanden u. Deutschland aus, wurde 1724 Marschall u. st. 1727. 3) François Marie, Duc de B., Sohn des Vor., geb. 1671; kam früh zur Armee, machte den Spanischen Successionskrieg mit, wurde 1724 Gesandter am englischen Hofe u. brachte dort den Frieden von 1725 zu Stande; 1731 zurückberufen, ging er 1733 im Polnischen Successionskrieg nach Italien, wurde dort 1734 Marschall, befehligte mir Coigny die Armee u. erfocht die Stege bei Guastalla u. Salcay; 1739 wurde er Gouverneur von Strasburg; 1741 ging er in dem Österreichischen Successionskrieg aufs Neue ins Feld, drang bis Prag vor, verließ es aber, um sich im December 1743 zu Maillebois Armee zu begeben, deren Commando er übernahm u. die er über den Rhein zurückführte. Er wurde 1742 zum Herzog erhoben. In Ungnade gefallen, legte er den Oberbefehl nieder u. begab sich auf seine Güter, wo er 1745 st. 4) Victor François, Duc de B., Sohn des Vor., geb. 1718; diente 1734 zuerst in Italien u. dann in Böhmen, Baden u. den Niederlanden u. stieg bis zum General. Im Siebenjährigen Kriege befehligte er, einer der besten französischen Generale, in Deutschland, gewann 1759 die Schlacht von Bergen u. ward dafür vom Kaiser zum Reichsfürsten ernannt, eroberte Minden, verschuldete aber den Verlust der vor der Stadt geschlagenen Schlacht. Dessenungeachtet wurde er 1762 zum Marschall ernannt. Wegen Mißhelligkeiten zwischen ihm u. Soubise wurde er 1762 auf seine Güter verwiesen, erhielt aber später das Gouvernement von Metz. Ludwig XVI. ernannte ihn 1789 zum Kriegsminister u. wollte ihn an die Spitze der 20,000 Mann stellen, welche die Nationalversammlung aus einander treiben sollten; der Abfall der Truppen vereitelte den Plan u. bewog B. auszuwandern. 1792 befehligte er die Emigrantenarmee, errichtete 1794 ein Corps im Dienste Englands, ging, als dieses aufgelöst wurde, 1796 in russische Dienste, zog sich nach Münster zurück u. st. dort 1804. 5) Charles François, Comte de B., Bruder des Vor., geb. 1719; war Anfangs Gesandter in Polen, diente seit 1758 unter seinem Bruder in Deutschland, vertheidigte Kassel wurde später an die Spitze eines geheimen Ministeriums gestellt, welches, unmittelbar unter Ludwig XV., dem öffentlichen nicht selten entgegenwirkte; da so lächerliche Mißverständnisse entstanden, entfernte ihn Ludwig XV., setzte aber auch in der Verbannung den Briefwechsel mit ihm fort. Bei Ludwig XVI. verlor er allen Credit u. st. 1781. 6) Claude Victor, Comte de B., geb. 1758, war vor der Revolution Mitglied der Nationalversammlung für den Adel von Kolmar, ging nach der Auflösung derselben als Maréchal de Camp zur Rheinarmee, wurde wegen seiner Weigerung, die Decrete von 1792 anzuerkennen abgesetzt u. 1794 guillotinirt. 7) Maurice Jean Madeleine, Fürst v. B., geb. 1766 im Schlosse Broglio; wählte den geistlichen Stand, emigrirte u. erhielt vom König von Preußen eine Pfründe zu Posen; 1803 nach Frankreich zurückgekehrt, wurde er Aumonier des Kaisers, 1805 Bischof von Acqui u. 1807 Bischof von Gent, fiel aber 1809, weil er sich bei dem französischen Nationalconcil stets gegen Napoleon erklärt halte, in Ungnade, ward verhaftet u. saß in Vincennes u. auf Marguerite, wo er der Gewalt nachgab u. seinem Bischofssitz entsagte, bis 1814 gefangen; nach der Restauration erhielt er seine Stelle wieder. Bei Errichtung des Königreichs der Niederlande widersetzte er sich der neuen Ordnung der Dinge (s. Belgien [Gesch.]) u. wurde wegen Ungehorsams in contumaciam zur Deportation verurtheilt. Er hatte sich schon vorher nach Paris zurückgezogen u. st. dort 1821. 8) Achille Charles Leonce Victor, Duc de B., Sohn des Fürsten Charles Louis Victor u. Enkel von B. 4), geb. 1. Decbr. 1785 in Paris, ward unter Napoleon Staatsrath, Auditor u. Militärintendant in Illyrien u. in Valladolid, später französischer Gesandtschaftsrath in Warschau, Wien u. Prag; er war einer der ersten Pairs Ludwigs XVIII. 1814 u. votirte seitdem beständig mit der constitutionellen Fraction der Pairskammer. In Neys Proceß war er einer der wenigen Pairs, die das Nichtschuldig aussprachen, sprach kräftig gegen die Ausnahmegesetze u. gegen die Proscriptionsliste, vertheidigte die Preßfreiheit, wurde in Folge der Julirevolution am 30. Juli 1830 provisorischer Minister des Innern u. blieb seitdem in enger Verbindung mit den Doctrinärs; den 11. August 1830 wurde er Minister des Cultus u. öffentlichen Unterrichts u. Präsident des Staatsrates, nahm aber schon im November, nach Duponts Eintritt ins Ministerium, seine Entlassung u. trat in die Pairskammer zurück, wo er am muthigsten die Meinungen der Volkspartei bekämpfte, für die Erblichkeit der Pairie u. für das Sühnefest Ludwigs XVI. sprach; vom October 1832 bis April 1834 u. dann wieder vom 18. Nov. 1834 bis 22 Febr. 1836 war er Minister des Auswärtigen u. (seit März 1835) Conseilspräsident, als der er 1836 wieder abtrat. 1845 begab er sich im Auftrage des französischen Cabinets nach London, um hier die ausgebrochenen Differenzen über das Durchsuchungsrecht mit der englischen Regierung zu vermitteln. Im Jahre 1847 wurde er französischer Botschafter in London, von welchem Posten ihn im März 1848[331] die Provisorische Regierung abberief. Als Abgeordneter des Euredepartements trat er 1849 in die Gesetzgebende Versammlung. 1850 begab er sich nach London, um als Anhänger Ludwig Philipps diesen vor seinem Tode zu besuchen. Zurückgekehrt nach Paris, wurde er in der Commission für das Wahlgesetz Vorsitzender u. schloß sich der Fraction der Burggrafen an. Im Januar 1851 wurde er Präsident des Sicherheitsausschusses. Beim Staatsstreiche (Dec. 1851) protestirte er mit seinen politischen Freunden gegen den Umsturz der Dinge, wurde festgenommen, bald aber wieder in Freiheit gesetzt u. begab sich hierauf nach London. 1852 nahm er seinen Wohnsitz wieder in Frankreich, doch verweigerte er als Mitglied des Generalraths im Euredepartement den Eid auf die Verfassung u. nahm seine Entlassung. Er bemühte sich, die Fusion der Legitimistischen Parteien zu Stande zu bringen u. wurde 1856 Mitglied der Akademie. Er ist seit 1838 Witwer von Albertine, geb. Stael-Holstein. 9) Albert v. B., älterer Sohn des Vor., geb. 1821, war von 1846–48 erster Secretär bei der französischen Botschaft in Rom u. ist seit 1845 vermählt mit Pauline, geb. v. Galard de Béarn. 10) Fürst Octave, Sohn des Fürsten August Joseph, Enkel von B. 4), geb. 1786 u. seit 1818 vermählt mit Armandine, geb. de Moges.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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