Concursus ad delictum

Concursus ad delictum

Concursus ad delictum (Concurrenz, Theilnahme, Betheiligung an einem Verbrechen, Rechtsw.), I. strafbare Mitwirkung mehrerer Theilnehmer (Complices, Socii, Complicen) zu einem Verbrechen. Gewisse Verbrechen können ihrer Natur nach nur von Einer Person vollführt werden, z.B. Selbstverstümmelung, andere nur von Mehreren, z.B. Zweikampf, die mehrsten Unzuchtsvergehen, Aufruhr etc.; bei den meisten ist die Theilnahme Mehrerer etwas Zufälliges, was ebensowohl eintreten, als fehlen kann, ohne daß der Begriff des Verbrechens selbst hierdurch alterirt wird. Rücksichtlich A) der Art der Thätigkeit ist die Theilnahme: a) eine intellectuelle (C. a. d. intellectualis), durch geistige Thätigkeit, Ertheilung eines Raths (Concilium delinquendi), Auftrags, Befehls od. durch Drohungen; b) eine physische (C. a. d. physicus, accidentalis), durch Körperkräfte; c) eine gemischte (C. a. d. mixtus), wenn der Theilnehmer zur Vollführung des Verbrechens mit seinen Körper- u. Geisteskräften zugleich mitthätig wird. B) Rücksichtlich der Zeit unterscheidet man: a) C. a. d. antecedens, vorhergehende, vorbereitende Theilnahme, Mitwirkung vor, b) C. a. d. concomitans, gleichzeitige Theilnahme, Mitwirkung bei u. c) C. a. d. subsequens, nachfolgende Theilnahme, Mitwirkung nach Begehung des Verbrechens. Hierher gehört nicht der Begünstiger des Verbrechens (Fautor delicti), welcher, da er zur Existenz des Verbrechens nichts beiträgt, überhaupt nur dann strafbar wird, wenn seine Handlung einem besonderen Strafgesetze unterfällt (s. unten), wohl aber derjenige, welcher z.B. in sofern concurrirt, als er schon im Voraus das Versprechen eines der Verübung nachfolgenden Förderns ertheilt hat u. diese Förderung dann wirklich eintreten läßt. C) Rücksichtlich des Grundes: C. praemeditatus od. C. casualis, verabredete od. zufällige Theilnahme. Zu erster gehört a) das Complot, die Verschwörung, Meuterei (Conjuratio), die im Voraus verabredete Verbindung Mehrerer zur gemeinschaftlichen Verübung eines bestimmten Verbrechens, mit der Absicht, sich zum Zwecke der Ausführung einander gegenseitig Hülfe u. Beistand zu leisten. Die Complotanten werden sämmtlich als Haupturheber angesehen u. daher, wie groß od. gering auch der Antheil eines jeden Einzelnen an der Ausführung sein mochte, mit der ganzen Strafe des verübten Verbrechens bestraft. Das Complot wird zur b) Bande od. Rotte, wenn sich die Vereinigung auf eine ganze Gattung von Verbrechen bezog. Dagegen ist c) blos eine verbrecherische Gesellschaft (Societas delinquendi) vorhanden, wenn die Verabredung nicht mit dem Zwecke gemeinsamen Handelns u. gegenseitiger Unterstützung Statt fand. Jeder ist hier alsdann blos für das verantwortlich, was er selbst gethan hat. D) Rücksichtlich des Causalzusammenhanges zwischen Thätigkeit u. verbrecherischem Erfolge: C. mediatus od. C. immediatus, mittelbare od. unmittelbare Theilnahme, daher die Theilnehmer a) unmittelbare, welche bei der das Wesen des Verbrechens ausmachenden Handlung selbst mitthätig waren; b) mittelbare, welche diese nicht begangen u. nur entfernt zu dem Verbrechen mitgewirkt haben.

II. Die Theilnehmer u. ihre Strafbarkeit sind nicht immer nach diesen Theilnahmearten verschieden. Ein Theilnehmer concurrirt oft auf mehrere Art zugleich. Jeder, der zur Vollbringung einer rechtswidrigen That, Verbrechen, Vergehen, Gesetzwidrigkeit, Thätlichkeit, mitgewirkt hat, gehört zu den Thätern. Bezweckt die Mitwirkung zugleich A) die Hervorbringung des Verbrechens, u. zwar a) diese selbst, so ist der Theilnehmer zugleich Urheber des Verbrechens (Auctor delicti); thun dies Mehrere zugleich, so sind sie Miturheber (Coauctores) u. heißen, wenn sie es aa) mittelbar durch Rath, Auftrag, Befehl, Nöthigung, Unterricht, Lob, Drohung, Versprechung, Bitten, Wünsche, Benutzung des Irrthums sind, intellectuelle Urheber[345] (Auctores intellectuales); wenn sie aber bb) unmittelbar durch Vollbringung der wesentlichen Handlung des Verbrechens mit Körperkräften thätig werden, physische Urheber (Auctores delicti proprie tales). Die Urheber gelten ferner bei ausgezeichneter Thätigkeit als Anstifter, welche den Entschluß zur That bewirken; Rädelsführer (Caputia conjurationis), welche die zur Vollbringung nöthigen Handlungen angeben; Anführer (Duces conjurationis), welche die Ausführung leiten. Alle Urheber trifft die Strafe des Verbrechens in ihrer vollen Schärfe. Dagegen sind nur in minderem Grade strafbar b) diejenigen, deren Mitwirkung blos die Beförderung des Verbrechens bezweckt, die Gehülfen (Socii). Ihre Eintheilung ist um so mannigfaltiger, je weniger die Quellen selbst, wenigstens die gemeinrechtlichen, derartige Unterschiede aufgestellt haben Man unterscheidet bes. aa) rücksichtlich ihres Einflusses: Socii principales, Hauptgehülfen, od. Socii minus principales Nebengehülfen, je nachdem durch die Theilnahme (Beihülfe) das Verbrechen erst möglich, od. nur erleichtert wurde; bb) rücksichtlich der Veranlassung, wenn die Theilnahme vorher zugesichert war: Socii ex compacto, od. wenn dies nicht erfolgt war, Socii accidentales; cc, nach der Größe der Theilnahme: Socii inaequales es u. Socii inaequales, je nachdem gleiche od. ungleiche Theilnahme Statt fand; dd) nach den persönlichen Verhältnissen der Gehülfen: Socii speciales, wenn sie in denselben besonderen Verhältnissen, wie der Urheber, sind (bei Delictis propriis, einflußreich, s. u. Verbrechen), u. Socii generales, wenn nicht; ee) rücksichtlich der Verbrechen: bestimmte Gehülfen, welche nur ein einzelnes bestimmtes Verbrechen, u. unbestimmte, welche im Allgemeinen Verbrechen gewisser Art befördern. Für jede Beihülfe wird verbrecherische Absicht (Dolus) vorausgesetzt, wenn sie strafbar sein soll; eine culpose strafbare Beihülfe gibt es nicht. Die Strafe selbst richtet sich nach dem Verhältniß, in welchem die Mitwirkung des Gehülfen das Zustandekommen des Hauptverbrechens unterstützte.

III. Eigenthümlich ist noch die Stellung des Begünstigers (Fautor delicti). Viele Rechtslehrer wollen denselben unbedingt den Theilnehmern gleichstellen. Allein dies läßt sich weder nach der Natur der Sache, noch nach den Quellen des Gemeinen Rechtes (Art. 177 der Carolina) vertheidigen. Schon der Maßstab zur richtigen Würdigung der Strafbarkeit, die Mitwirkung zum Verbrechen, fehlt hier; richtiger wird daher die Begünstigung als ein besonderes Vergehen aufgefaßt, welches deshalb auch nur da strafbar ist, wo die Gesetze es mit besonderer Strafe bedrohen. Gemeinrechtlich lassen sich solche Strafgesetze hinsichtlich der Begünstigung des Hochverraths, der Münzfälschung, der Gotteslästerung insofern nachweisen, als auch schon Jeder, welcher solche Verbrechen nicht zur Anzeige bringt, bestraft werden soll. Die neueren Gesetzgebungen schwanken in der Beurtheilung der Begünstigung sehr, indem sie dieselbe bald mit der Theilnahme gleich behandeln u. allgemein als strafbar behandeln, bald als besonderes Verbrechen hinstellen. Bes. hervorgehoben u. mit härteren Strafen bedroht wird in denselben in der Regel die gewerbmäßige Begünstigung, z.B. Hehlerei, Kuppelei. Dagegen sprechen diese Gesetze auch manchen Personen hinsichtlich der Begünstigung ein Privilegium zu, indem sie namentlich bei nahen Verwandten, wenn dieselben auch wissentlich z.B. gestohlene Sachen aufnehmen, die Begünstigung entweder gar nicht, od. doch milder bestrafen. Vgl. Kitka, Über das Zusammentreffen mehrerer Schuldigen bei einem Verbrechen, Wien 1840; Ziegler, Die Theilnahme an einem Verbrechen, Marb. 1845.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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