Edessa [1]

Edessa [1]

Edessa (a. Geogr. u. Gesch.), 1) Stadt in Emathia (Macedonien); nach Einigen so v.w. Ägä; Begräbnißstätte der alten Könige von Macedonien. 2) Hauptstadt von Osrhoene (Mesopotamien), an beiden Seiten des Skirtos (jetzt Daisan). Nach der Tradition soll Nimrod od. Khabiba, ein Zeitgenoß Abrahams, Erbauer E-s gewesen, E. selbst aber das Erech der Bibel sein; hier habe auch Nimrod den Abraham ins Feuer geworfen u. eine plötzlich hervorsprudelnde Quelle habe das Feuer gelöscht. Bekannter wird E. seit der griechischen Zeit; unter den Nachfolgern Alexanders des Großen machte sich bes. Seleukos um E. verdient, welcher vielleicht die nachherige Stadt anlegte, wenigstens erweiterte, die nun den Namen E. (nach E. 1) u. Antiochia Kalirrhoe von der schönen Quelle, erhielt, aus welchem Namen die syrischen u. arabischen Namen Urhoi u. Roha (Er-Roha, Arakka) entstanden, u. welcher endlich zu dem jetzt gewöhnlichen Orfa entstellt wurde. E-s Bewohner waren seitdem ein Gemisch von Griechen, Arabern, Syrern u. Armeniern, dennoch wurde hier das Aramäische am reinsten gesprochen. Unter Antiochos VII. wurde das Edessenische Reich, od. nach seinem Stifter, Orhoi Bar Chevje, auch das Orrhoënische (Osrhoenische) Reich genannt, 137 v. Chr. gegründet; Orhoi, wahrscheinlich ein Araber, regierte bis 132; seine Nachfolger sind meist nur aus Münzen bekannt; Abgar Phiko (der Stammelnde), der erste, welcher den Ehrennamen Abgar od. Agbar (Akbar, der Mächtige, Größte) erhielt, war den Armeniern unterwürfig. Im J. 74 folgte ihm sein Sohn Abgar; dieser hielt es mit König Mithridates von Pontos[475] u. wurde deshalb von Lucullus gezüchtigt; Abgar Maanu Aloho, von den Griechen Ariamnes od. Achares genannt (reg. 37 bis 39), war mit Pompejus verbunden, ging aber mit seinem Heere zu den Parthern über u. wurde so Schuld an der Niederlage des Crassus bei Karrhä 53 v. Chr.; Abgar Uchomo (der Schwarze), aus dem parthischen Geschlechte der Arsakiden, reg. 8–45 n.Chr.; er lebte in seiner Jugend in Rom an Augusts Hofe u. soll mit Jesu correspondirt haben (s.u. Abgar); nach der Himmelfahrt Jesu soll Thaddäus nach E. gegangen sein, den König von einer Krankheit geheilt u. das Christenthum in E. gepredigt haben. E. wurde ein Bischofssitz, u. einer der berühmtesten Bischöfe war Ephraem Syrus (s.d.). Maanu Bar Ajaset (regierte 99–116) machte mit Trajan auf dessen Zuge gegen die Armenier u. Parther Freundschaft; aber er hielt die Freundschaft nicht lange, u. in der letzten Zeit seiner Regierung, od. unter seinem Sohn Maanu Bar Maanu, der ihm 116 folgte, wurde E. von den Römern unter Lusius Quietus erobert u. zerstört u. das Edessenische Reich den Römern zinsbar gemacht. Doch stellte Kaiser Hadrian das Reich wieder her u. erließ den Edessenern den Tribut. Die wieder aufgebaute Stadt wurde ein wichtiges Depot für die Römer. Maanu blieb den Römern treu u. war ein großer Verehrer des Kaisers Antoninus Pius, zu dem er auch, als er 139 von dem Usurpator Val Bar Sahru vertrieben wurde, floh; 141, nach dem Sturze Vals, kehrte Maanu wieder nach E. zurück u. regierte noch bis 153, worauf Abgar Bar Maanu bis 187 folgte; dessen Nachfolger war Abgar Severus, so nach dem römischen Kaiser Septimius Severus genannt, welchem er sich unterwarf u. welchen er in dem Parthischen Kriege unterstützte; schon 188 hatte er seinen Sohn Maanu Bar Abgar zum Mitregenten angenommen, dem 200 sein Sohn Abgar Bar Maanu folgte; dieser wurde von Caracalla, bei welchem ihn die Großen des Reichs der Grausamkeit angeklagt hatten, 216 entsetzt u. E. wurde zu einer römischen Militärcolonie, unter dem Namen Colonia Marcia Edessenorum, mit dem Vorrechte einer Metropolis gemacht. 217 wurde Caracalla hier ermordet. Gordianus setzte zwar um 243 wieder einen Abgar in das Reich, doch ist seitdem von den edessener Fürsten nichts mehr bekannt. 260 wurde E. von den Persern unter Schapur I. belagert, u. Kaiser Valerian, der zum Entsatz herbeieilte, wurde vor den Thoren E-s geschlagen u. gefangen. Nach der Theilung des Römischen Reiches kam E. zu dem Oströmischen Reiche; 525 ließ Kaiser Justinus I. die durch ein Erdbeben zerstörten Festungswerke wieder herstellen u. gab der Stadt den Namen Justinopolis; Khosroes Nuschirwan belagerte E. vergebens, 641 wurde es aber von den Khalifen erobert u. gehorchte den Dynastien der Ommajaden, Abbasiden, Hamdaniten u. Okailiten. Unter den Letztern wurde E. 1040 von den Seldschucken erobert, diesen entrissen es die Byzantinischen Kaiser wieder, u. es wurde ein byzantinischer Statthalter nach E. geschickt, der sich nachher unabhängig machte, aber vielfachen Bedrängnissen von den benachbarten Türken, bes. von dem Emir Balduk, ausgesetzt war. Als das Kreuzheer 1097 in die Euphratgegenden kam, rief der Fürst die Kreuzfahrer nach E. u. ernannte Balduin zu seinem Nachfolger. Das Volk nahm die Franken freudig auf, erschlug den alten Fürsten u. erhob Balduin, der nun die Grafschaft E. gründete, welche Anfangs aus dem Lande zwischen Maredin (Marith) u. dem Euphrat bestand, nach u. nach aber vergrößert wurde. Der Graf war ein Lehnsmann des Fürsten von Antiochien. Als Grenze gegen das Türkenland war E. mit seinen Vesten u. Bollwerken von großer Wichtigkeit für die abendländischen Besitzungen in Syrien u. Palästina. Als Balduin 1100 König von Jerusalem wurde, folgte sein Neffe Balduin du Bourg, als Graf von E.; 1104 von Türken bedroht, wurde er von Bohemund u. Tankred unterstützt, aber bei Rakka geschlagen u. gefangen. Tankred wurde zum Stellvertreter gewählt, er vertheidigte E. gegen die Türken; 1109 wurde Balduin ausgelöst u. wurde wieder Graf; unter ihm machte 1111 der Fürst von Mosul den ersten Angriff auf E.; als Balduin 1118 König von Jerusalem wurde, erhob er Joscelin I. (Josselin) de Courtenay zum Grafen von E., u. als dieser 1122 von den Seldschucken, unter Balak Ebn Bahram, gefangen worden war, folgte ihm sein Sohn Joscelin II., ein vergnügungssüchtiger Fürst, der den Schutz E-s Miethlingen überließ u. seine Residenz nach dem 15 Meilen entlegenen Tellbascher verlegte. So wurde es dem Beherrscher von Mosul, Emaddin Zenki, leicht, 1144 E. zu nehmen. 1146 starb Zenki, u. die von dessen Sohne Nureddin mit der Vertheidigung der Stadt beauftragten Armenier ließen Joscelin wieder nach E Aber Nureddin nahm E. ohne Widerstand wieder, ließ Burg u. Stadt niederreißen u. über 10,000 Ew. in die Sklaverei führen. Als Nureddin starb, kam E. an seinen Sohn, Malek el Kamel, u. 1182 durch Verrath an Sultan Saladin von Syrien u. Ägypten; 1234 eroberte es Alaeddin Keikobad, Sultan von Rum, u. ließ es 3 Tage plündern; der natolischen Besatzung entriß Malek die Citadelle nach 4monatlicher Belagerung wieder; 1259 wurde es von Hulagu u. 1391 von den Mongolen unter Timur erobert; Timur ließ es wieder zerstören u. schenkte es unter andern Provinzen seinem Feldherrn Karaulugh Othman, durch den es an die Turkmanen u. so an die Perser kam, von denen es 1637 die Türken eroberten, welchen es noch gehört. Vgl. Bayer, Hist. osrhoëna et edessena, Petersb. 1734; Chronicon Edessenum (syrisch), von 129 v. Chr. bis 540 n.Chr., im 1. Bd. von Assemani, Biblioth. orient., 387–417.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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