Einkindschaft

Einkindschaft

Einkindschaft (Unio prolium, Pariatio), ein Vertrag zwischen Eheleuten u. ihren Kindern aus einer Vorehe, durch welchen die letzteren, die sogenannten Vorkinder, auf ihre Rechte u. Ansprüche bezüglich des bisher in fortgesetzter Gütergemeinschaft gehaltenen Vermögens ihres verstorbenen Parens verzichten, welches nun in die Gütergemeinschaft der zweiten Ehe in der Weise einverleibt wird, daß sie bezüglich derselben mit den etwa aus zweiter Ehe geborenen Kindern ein gleiches Erbrecht erhalten u. nach einer Fiction gleichsam als mit den Nachkindern aus einer Ehe stammend angesehen werden. Die E. ist daher immer ein Erbvertrag zwischen den beiden Ehegatten zweiter Ehe auf der einen u. den Vorkindern auf der anderen Seite. Die Ausbildung dieses Rechtsinstitutes gehört erst dem späteren Mittelalter an, obschon sich Spuren desselben auch schon früher auffinden lassen. Besonders häufig ist die Anwendung desselben in den fränkischen Gegenden u. am Mittelrhein. In anderen Gegenden kommt dieselbe zwar auch vor, hat jedoch hier durch Einmischung fremdartiger Gesichtspunkte viele Modificationen erlitten. Dies ist bes. durch Hereinziehung der Ansicht geschehen, daß die E. eine Art deutschrechtlicher Adoption sei, nach welcher die Gleichstellung der Vor- u. Nachkinder öfters so weit ausgedehut worden ist, daß man durch die E. selbst elterliche Rechte des Stiefparens über die Vorkinder erzeugen ließ. Eine allgemeine Theorie der E. läßt sich daher kaum aufstellen; die richtige Erkenntniß ihrer Natur u. Wirkungen ist in den einzelnen Particularrechten nur in Zusammenhang mit der particularrechtlichen Ausbildung der ehelichen Güterrechte u. des Verhältnisses der Eltern zu den Kindern überhaupt zu gewinnen. In der Regel erfordert aber die E. zu ihrer Vollgültigkeit richterliche Bestätigung, oft auch Zuziehung der nächsten Verwandten. Die minderjährigen Kinder werden durch einen zu diesem Acte eigends bestellten Vormund vertreten. Zur größeren Sicherung der Vorkinder wird zuweilen ein bestimmter Vermögenstheil als Voraus ausgeschieden, auf welchen sie dann alleinigen Anspruch haben. Das zugesicherte Erbrecht darf den Vorkindern eigentlich durch keine letztwillige Verfügung entzogen u. ebensowenig auf den Pflichttheil beschränkt werden, da ihnen als Vertragserben ein fester Anspruch darauf zusteht; doch kann dies da, wo die Idee der Adoption vorwiegt, nicht unbedingt behauptet werden. Ein Erbrecht des Stiefvaters od. der Stiefmutter gegen die Vorkinder geht aus der E. zunächst nicht hervor, in sofern nicht Particularrechte ein Anderes bestimmen. Die Auflösung der E. erfolgt durch den Tod, nach manchen Particularrechten auch durch die entschiedene Kinderlosigkeit der zweiten Ehe, od. durch einen richterlichen Ausspruch, wenn eine übermäßige Verletzung[549] der Kinder erster od. zweiter Ehe nachgewiesen ist. Vgl. Tafinger, Über die Lehre von der E., 1785; Hertel, Über die E., mit Rücksicht auf die Bestimmungen des preußischen Landrechts, 1818; Ringelmann, Historische Entwickelung der E., 1825; Gerber, De unione prolium observatt., 1844.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • Einkindschaft — liegt vor, wenn in einer Ehe Kinder eines der Ehegatten, die nicht aus dieser Ehe stammen, mit den aus dieser Ehe stammenden Kindern kraft Vertrages gleiche Kindesrechte haben. Die E. ist besonders bei ehelicher Gütergemeinschaft sehr zweckmäßig… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Einkindschaft — (Unĭo prolĭum), derjenige Vertrag, welchen ein zur Wiederverheiratung schreitender überlebender Ehegatte und dessen künftiger Ehegatte einerseits mit den aus der frühern Ehe vorhandenen Kindern (Vorkindern) andererseits dahin abschließen, daß die …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Einkindschaft — Einkindschaft, obrigkeitlich genehmigter Vertrag in die 2. Ehe eintretender Eltern unter sich und mit den Kindern 1. Ehe, daß die letztern (Vorkinder) gegenüber dem Stiefvater od. der Stiefmutter in das Familienverhältniß leiblicher erbfähiger… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Einkindschaft — Ein|kind|schaft 〈f.; 20; unz.; Rechtsw.; früher〉 Gleichberechtigung der vorehel. u. ehel. Kinder * * * Einkindschaft,   lateinisch Unio prolium, die seit dem 13. Jahrhundert v. a. im fränkischen Rechtsgebiet aufkommende Sitte, die erstehelichen… …   Universal-Lexikon

  • Einkindschaft, die — Die Einkindschaft, plur. die en, ein im Hochdeutschen veraltetes aber im Oberdeutschen noch völlig übliches Wort, diejenige Anordnung zu bezeichnen, durch welche Kinder verschiedener Ehen in der Erbschaft einander gleich gemacht werden;… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Nachkinder — Nachkinder, die aus der zweiten Ehe des Vaters od. der Mutter entspringenden Kinder, welche mit den Stiefkindern rücksichtlich der Erbfolge der Eltern in gleiches rechtliches Verhältniß gesetzt werden, s. Einkindschaft …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Pariation — (v. lat.), 1) die baare Bezahlung; 2) Zeugniß, daß ein Schuldner seinen Gläubiger bezahlt hat, bes. bei Concurssachen; 3) so v.w. Einkindschaft …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Reservaten — (lat. Reservata), 1) jedes Recht, dessen Ausübung der gesetzmäßig Berechtigte bei Uebertragung eines Theiles der Gewalt an einen Dritten sich speciell vorbehalten hat; 2) die bei der Einkindschaft (s.d.) dem einen Ehegatten gegen die Regeln eines …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Unĭo [2] — Unĭo (lat.), Vereinigung, Bund. U. electorum, ein Vertrag zwischen allen Kurfürsten zur gegenseitigen Verteidigung der kurfürstlichen Rechte u. Prärogativen, welcher zuerst 1338 geschlossen u. 1558, 1745 (wiewohl hier nicht unter Beitritt von… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Vorkinder — Vorkinder, Kinder aus einer früheren Ehe, s.u. Einkindschaft …   Pierer's Universal-Lexikon

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