Hottentotten

Hottentotten

Hottentotten, der bei den Europäern gebräuchliche Name für ein Volk im südlichen Afrika, welches sich selbst Skuhkeub (im Koradialekt), od. Koikoib (im Namadialekt), od. Khwekhwena (im östlichen Dialekt) nennt, früher Südafrika vom Cap an im Westen bis zum Wendekreise, im Osten wenigstens bis zum Keifluß bewohnte, gegenwärtig aber theils durch die eingewanderten Europäer, theils die Kaffern u. Betschuanen auf die nördlichen u. nordwestlichen Grenzgebiete des Caplandes beschränkt worden ist. Die H., welche einen Völkerstamm für sich bilden, der mit keinem anderen Verwandtschaft besitzt, sind äußerst häßlich, die Gesichtsform ist eckig, die Backenknochen sehr hervorstehend, der untere Theil der Wangen eingeschrumpft, das Kinn spitz, der Mund hervorragend, die Lippen dick, die Augen klein, schmal u. etwas schräg gesetzt, die Stirn niedrig, die Nase so platt, daß der obere Theil gar nicht erscheint, die Nasenlöcher groß u. weit, der Haarwuchs aus einigen unregelmäßigen Büscheln grober Wolle bestehend; die Hautfarbe ist gelbbraun, die Hände u. Füße meist klein u. schwächlich, die Statur überhaupt ebenfalls klein, meist unter 5 englische Fuß. Eigenthümlich ist die ungewöhnliche Fettanhäufung, welche der Hottentott am Hintern zeigt. Infolge der Sitte, den ganzen Körper dick. mit Fett (die Reichen mit frischer Butter, die Ärmeren mit Fett) einzuschmieren u. sich dabei dem Rauche in ihren Hütten auszusetzen, erscheinen sie mit einer schwarzen, glänzenden u. stinkenden Kruste überzogen, welche kaum die eigentliche Hautfarbe ahnen läßt. Die Kleidung ist sehr einfach; sie besteht in einem bis an die Knie reichenden Mantel (Karoß) von Schafpelz od. Tigerfell, woran bei Weibern ein Kragen ist, in welchem sie ihre Kinder tragen. Den Unterleib[557] bedeckt eine Schürze, wobei die Männer noch eine Art von Beutel (Jackal) haben. Der weibliche Schmuck besteht in Schnüren von Korallen u. Schnecken, welche um den Hals gelegt werden, u. in Fußringen von Messing, Elfenbein u. Leder. Die Hütten sind bienenkorbartig gebaut; man steckt Stangen in die Erde, beugt dieselben über u. befestigt sie mit dem andern Ende wieder in die Erde. Über dieselben werden Schilfmatten gedeckt. In einer solchen etwa 14 Fuß langen, 10 Fuß breiten u. kaum 6 Fuß hohen Hütte, welche übrigens fortwährend vom Rauch des in der Mitte brennenden Feuers erfüllt ist, wohnen 12–14 Menschen. Eine Anzahl solcher Hütten, die gewöhnlich in einem Kreis zusammenliegen, heißt ein Kraal. Die Nahrung besteht in Wurzeln u. halbrohem Fleisch; bes. das Fett u. die Eingeweide werden gern gegessen. Außer Wasser wird sauere Milch u. ein aus Honig bereitetes Getränk genossen; das Rauchen von Tabak u. Hanfblättern beginnt schon in früher Jugend. Die H. heirathen früh, meist nur Eine Frau; die Weiber, an sich schon nicht schön, werden durch die große Anstrengung beim Arbeiten bald noch häßlicher; sie säugen ihre Kinder, indem sie ihre weit herabhängenden Brüste über die Schultern werfen. Die Hochzeit wird mit Tanz u. Musik gefeiert; ihre musikalischen Instrumente bestehen in einer rohen Art Trommel u. der Gura, einem mit einer Darmsaite bespannten Bogen. Hauptbeschäftigung der noch wilden Stämme ist die Jagd, bei welcher sie ihre Pfeile u. Wurfstöcke mit großer Sicherheit u. ungemeiner Gewandtheit zu brauchen wissen. Auch gerben u. bereiten sie ihre Felle, flechten Matten aus Binsen u. drehen Bogensehnen aus Eingeweiden. Selbst die Colonialhottentotten, welche unter Weißen aufgewachsen sind, zeigen noch ihre angeborene Sorglosigkeit u. Unbetriebsamkeit; der größte Theil derselben lebt als Dienstboten, Hirten etc. (sie sind sehr geschickte Wagenlenker für die Ochsengespanne des Landes); nur wenige beschäftigen sich mit etwas Landbau, noch andere treiben sich einzeln od. in Banden im Lande umher. Von ihrer Religion ist wenig bekannt; sie glauben an einen guten u. einen bösen Geist, begehen Tänze u. Festlichkeiten beim Voll- u. Neumond u. halten gewisse Örter als den Aufenthalt abgeschiedener Geister für heilig; doch besitzen sie weder Priester, noch Gottesdienst, nur daß sie einen kleinen glänzenden Käfer verehren. Die Zauberer stehen in hoher Achtung. Die Colonialhottentotten sowie ein Theil der freien Stämme sind jetzt Christen; doch besteht ihr Christenthum nur in einem mechanischen Herplappern von Gebeten u. Katechismusformeln. Durch eine Gouvernementsacte sind 1828 die H., deren man im eigentlichen Capland an 5000 zählt, mit den weißen Bewohnern gesetzlich ganz gleich gestellt worden. Infolge des langen Verkehrs mit den Europäern hat sich aus der Vermischung von Europäern mit Hottentottenfrauen eine eigene Race, die sogenannten Bastards od. Griqua, gebildet, welche physisch weit kräftiger constituirt sind u. auch mehr Befähigung zu einem gesitteten Leben zeigen. Im Jahre 1829 wurde ein Hause derselben, an 6000, am Kat River angesiedelt, wo die Colonie gut gedeiht. Den Mittelpunkt bilden hier die großen herrnhutischen Missionsstationen Gnadenthal, Groenekloof, Enon; das zum Schutze der östlichen Grenzen bestimmte, blos aus Bastardhottentotten gebildete Corps reitender Jäger (Cape Mountain rifles) hat bisher sehr gute Dienste geleistet. Andere Bastards, welche gegenwärtig wohl eine eigene compacte Volksmasse von etwa 20,000 Köpfen bilden, sind einzeln schon seit Ausgang des 18. Jahrhunderts aus dem Caplande nach Norden ausgewandert, wo sie gegenwärtig mit ihren Heerden in den weiten Savannen zwischen Nu u. Kei Garip nomadisirend umherziehen, od. haben im Laufe des 19. Jahrhunderts einzelne kleine Staaten, wie Philippopolis u. Plaatberg, gebildet, wo sie Ackerbau treiben u. immer mehr Zuwachs erhalten. Letztere Communen bilden das sogen. Griqualand mit dem Hauptort Bloemfonteyn, wo auch ein britischer Regierungscommissar seinen Sitz hat. Die Bastards wie die Colonialhottentotten haben ihre eigene Sprache verlernt u. sprechen jetzt ein Jargon, welches aus einem stark u. mit hottentottischen u. kafferischen Worten vermischten Holländisch besteht.

Die freien H. zerfallen in drei große Stämme: a) die Nama od. Namaqua (in Groß- u. Klein-Namaqualand); b) die Kora (die sich selbst Gorona od. Goraqua [d.i. Koravolk] nennen, bei den Europäern aber gewöhnlich Coranna od. Korana heißen u. jenseit des Orangeflusses in der früher sogenannten Sovereignity zerstreut sind. Vor 50 Jahren bildeten sie noch eine zahlreiche Nation um den Hart River u. Vaal River u. waren wieder in mehrere Stämme getheilt; u. c) die Buschmänner (s.d., Bosjemans) od. Saab.

Die Hottentottensprache bildet eine Sprachfamilie für sich, welche mit keiner anderen irgend eine Verwandtschaft zeigt u. von den Sprachen der Nachbarvölker des großen südafrikanischen Sprachstammes radical verschieden ist. Die Wörter sind meist einsylbig u. endigen mit wenigen Ausnahmen auf einen Vocal od. Nasal. Die Vocale haben einen dreifachen Laut: einen reinen, trüben u. nasalen. Diphthonge sind zahlreich; unter den Consonanten fehlen l, f u. v. Eigenthümlich u. für den Europäer unnachahmbar sind eine Anzahl ziemlich schnell u. mit heiserer Stimme aus der hohlen Brust hervorgestoßene, scharf gehauchte Kehllaute, sowie vier sogenannte Schnalzlaute od. Clicks, welche durch Anschlagen der Zunge an den Gaumen, die Vorder- od. Seitenzähne hervorgebracht u. in der Schrift durch Punkte, Apostrophe od. Striche bezeichnet werden. Neuere Linguisten unterscheiden vier Hauptdialekte der Sprache: a) den Dialekt der Nama od. Namaqua, in Groß- u. einem Theile von Klein-Namaqualand. In letzterem ist er nur noch in der Station Richtersveldt am Oranjefluß gebräuchlich, da neuerdings in den Kirchen u. Schulen von Komaggas, Steinkopf u. Pelia das Holländische eingeführt ist (s. Namaqua); b) den Dialekt der Kora, welcher von den Resten des gleichnamigen Stammes gesprochen wird. Verschieden von diesen beiden Dialekten ist c) der der östlichen H. od. Gonaquas, die vereinzelt noch im Kafferlande vorkommen. Eine andere Gruppe bildeten d) die jetzt abgestorbenen Mundarten der Colonialhottentotten. Die Substantiva haben drei Genera: Masculinum, Femininum u. Commune, u. drei Zahlen: Singular, Dual u. Plural, welche durch Pronominalaffixe gebildet werden, z.B.: koii Mensch, koib Mann, kois [558] Frau, koira die beiden Menschen, koina, koin die Menschen. Auch die Pronomina der ersten u. zweiten Person werden in dieser Weise suffigirt: koita ich Mensch, koida wir Menschen, koise, kois du Mensch, koiro ihr beiden Menschen etc. Casusformen existiren nicht, der Genitiv wird seinem Regens vorangestellt od. durch die Partikeln di, dite bezeichnet. Das Adjectiv ist nach Zahl, Genus u. Casus unveränderlich. Die Zahlen sind: 1_.gui, 2_.gam, 3 'nona, 4 haga, 5 goro, 6 nani, 7 hu, 8 'kaisa, 9 koisi, 10 disi; die persönlichen Pronomina: tita ich, sas, sase (Masc. saz, saze) du, 'eib er, 'eis sie, 'eie es. Auch das Verbum ist unveränderlich. Der bloße Stamm gilt als Präsens, Imperativ od. Infinitiv; andere Tempora werden durch Hülfswörter bezeichnet. Eine umschreibende Conjugation wird durch die Hülfsverba sein u. machen gebildet. Die Conjugation erfolgt, indem das persönliche Pronomen vorgesetzt od. in abgekürzter Form affigirt wird: tita ma od. mata ich gebe, tita go ma od. mata go ich habe gegeben etc. Das Passivum wird durch ein dem Stamm angehängtes he gebildet: tita mahe od. maheta ich werde gegeben. Eine beziehende Conjugation wird durch Anfügung des Demonstrativstammes ba gebildet, welchem dann das Pronominalsuffix des Objects noch hinzutritt: mibabi ihm sagen, mibasi ihr sagen etc., von mi sagen. Die meisten Präpositionen lassen sich auf Verbalstämme zurückführen; sie werden in der Regel dem Wort, welches sie regieren, nachgesetzt. Ebenso stehen die Conjunctionen meist am Ende des Satzes. Der Anfang des Vaterunsers lautet: sida ˙tib, ˙hommi ''na ˙hab, sa ˙ons ''anu-''anu-he, d.h.: Unser Vater Himmel in seiend, dein Name geheiligt werde. Eine Grammatik lieferte der Wesleyanische Missioner H. Tindall (Capst. 1857), eine Formenlehre J. C. Wallmann (Berl. 1857); beide haben auch Vocabulare (Wallmann, Barmen 1854; Tindall, Capst. 1857) herausgegeben. Vgl. H. Tindall, Two lectures on Great Namaqualand and its Inhabitants, ebd. 1856. Viele Stammnamen u. andere Ausdrücke ihrer Sprache bietet: Moodie, The Record, or a series of official papers relative to the condition and treatment of the Native Tribes in South Africa, Capst. 1838 f., 1.–5. Bd. Die Sprache der Buschmänner weicht sehr stark ab, wenigstens gilt dies von der Mundart, welche von den Stämmen um Winterveldt, Colesberg u. Burghersdorp gesprochen wird; die der übrigen ist noch nicht näher bekannt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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