Landeshoheit

Landeshoheit

Landeshoheit (Jus territoriale, Hohe Landesobrigkeit, Landesherrlichkeit), der Inbegriff derjenigen Hoheitsrechte, welche einem Landesherrn zur Zeit des Deutschen Reiches in Bezug auf das ihm unterthänige Territorium zukamen. Die L. entwickelte sich in Folge der mittelalterlichen Grundansicht, daß der Kaiser die Gerichtsbarkeit in den deutschen Ländern regelmäßig nicht unmittelbar ausübte,[79] sondern den Gerichtsbann demjenigen Herrn übertrug, welchem das Gericht am gelegensten war. Landesherren (Domini terrae) wurden schon im 13. Jahrh. diejenigen genannt, welche nicht, wie die Reichsvögte, nur als Beamte die unmittelbare kaiserliche Gerichtsbarkeit in den reichsfreien Gebieten ausübten, sondern wegen ihres allodialen od. feudalen Rechtes an dem Lande von dem Kaiser als berechtigt zur Landesregierung, dem Empfange des Bannes, betrachtet wurden. Als Mittelpunkt der L. erscheint dabei nach diesem Begriff immer die Gerichtsbarkeit, bes. über Criminalsachen, so daß ohne dieses Recht keine Landesherrlichkeit gedacht werden konnte. Allein mit diesem Hauptrechte wurden gewöhnlich noch andere Regalien verbunden, so daß der Begriff der L. bald eine im Ganzen zwar zufällige, allein fast regelmäßige Erweiterung erhielt. In rechtlicher Hinsicht wurde aber der L. als politisches od. Regierungsrecht über ein Territorium ein dinglicher Charakter beigelegt, so daß sie als ein auf dem Territorium selbst haftendes u. mit ihm bleibend verbundenes Recht betrachtet wurde. Die erste urkundliche Anerkennung der L. in diesem Umfang findet sich in einer Verordnung Kaiser Friedrichs II. vom Jahr 1232. Zu weiterer Ausdehnung erhob sich aber der Begriff derselben im 17. Jahrh. Der Westfälische Friede behandelte die L. schon als einen gegebenen Begriff mit gewissen natürlichen Bestandtheilen, indem durch das Friedensinstrument nicht nur alle Stände des Reiches im Besitze der L. (Souveraineté) im vollen Umfange bestätigt wurden, sondern auch den Ständen das Recht zugestanden wurde, unter sich u. mit Auswärtigen Bündnisse einzugehen, nur mit der Beschränkung, daß solche Bündnisse nicht gegen den Kaiser, das Reich u. den Landfrieden gerichtet sein durften. In Bezug auf die Reichsregierung selbst wurde die Theilnahme der Reichsstände u. des Reichstages von allen Regierungshandlungen zur unbedingten Regel erhoben. Seitdem bildeten die Publicisten den Satz aus, daß alle in der Reichsstaatsgewalt enthaltenen Rechte in ihrer Anwendung auch ein Territorium als ein Recht der L. zu betrachten seien, womit man die Mittel gewann, der L. einen immer weiteren Umfang einzuräumen. Die L. wurde nun nach u. nach zu einer vollen Staatsgewalt ausgebildet, welche nach Auflösung der Reichsverbindung u. dem damit eingetretenen Wegfall der äußeren Beschränkungen, die für die Landesherren noch in dem Subjectionsverhältniß zu Kaiser u. Reich begründet waren, zur vollen Souveränetät (s.d.) emporsteigen mußte. Vgl. I. I. Moser, Von der L., Frankf. 1773; Posse, Über das Staatseigenthum in den deutschen Reichslanden, Rost. 1794; Zachariä, Geist der deutschen Territorialverfassung, Lpz. 1800; Eppler, Über das Princip der deutschen Territorialverfassung, Frankf. 1803; Was ist Souveränetät? u. was Landeshoheit? 1806.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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