Lombardisch-Venetianisches Königreich [1]

Lombardisch-Venetianisches Königreich [1]

Lombardisch-Venetianisches Königreich, ein durch den Wiener Congreß 1815 gebildetes Königreich in Oberitalien, welches an das Haus Österreich kam u. 1851 zu einem österreichischen Kronlande gemacht wurde, von welchem aber in Folge der Ereignisse 1859 die Lombardei an Sardinien abgetreten wurde. Das L.-V. K. bestand aus den ehemaligen Herzogthümern Mailand u. Mantua, mit Castiglione u. Solferino, dem Veltlin mit Chiavenna u. Bormio u. der ehemaligen Republik Venedig, so wie aus Parcellen von Parma, Piacenza u. dem Kirchenstaate; umfaßte 826,02 QM. u. zwar die Lombardei 392,15 u. Venedig 433,87 QM.), mit einer Bevölkerung von 5,173,054 Seelen im Jahre 1857, von denen 2,866,396 auf die Lombardei u. 2,306,658 auf Venedig kamen. Das Königreich hatte Anfangs eine eigene Verfassung. An der Spitze der Verwaltung stand ein Vicekönig, welcher in Mailand residirte, viele Vorrechte u. über mehrere Gegenstände des Staatshaltes unumschränkte Gewalt hatte. Die zwei Gouvernements Lombardei u. Venedig waren in Delegationen (neun von der Lombardei, acht von Venedig), diese in Districte, unter einem Cancelliere di censo, diese in Gemeinden, unter einem Podesta, getheilt u. erhielten ihre Befehle von dem Vicekönig u. von Wien. Für jedes Gouvernement war eine Centralcongregation ernannt; diese bestand aus Gutsbesitzern (welche das Bürgerrecht, ein Grundstück von 4000 Scudi an Werth, festen Wohnsitz, 30 Jahr Alter haben mußten) u. städtischen Repräsentanten (welche mit den Fähigkeiten der Gutsbesitzer begabt sein mußten), sie hatten einen Präsidenten (den Gouverneur) u. beschäftigten sich mit Vertheilung der ausgeschriebenen Steuern u. Militärlasten u. mit Aufsicht über verschiedene öffentliche Anstalten. Für jede Delegation bestand eine Provinzialcongregation (halb Adelige, halb bürgerliche Gutsbesitzer mit Bürgerrecht, 2000 Scudi Grundbesitz, 30 Jahr Alter) u. ein städtischer [479] Repräsentant; sie ordneten das Steuerwesen in den Delegationen etc. u. traten (wie bei den Centralcongregationen) nach 3 Jahren zur Hälfte aus. Die Finanz- u. Cameralgegenstände wurden von einigen Tribunalen gehandhabt, die Polizei durch eine eigene Gendarmerie, welche als ein Cavallerieregiment betrachtet wurde. Justizangelegenheiten gingen nach österreichischen Gesetzbüchern. Während früher der Höchste Gerichtshof in Venedig gewesen war, u. Mailand, Venedig u. Brescia Appellationsgerichte gehabt hatten, bildete seit der neuen Organisation von 1851 die höchste Instanz für das L.-V. K. der Oberste Gerichtshof in Wien, Appellationsgerichte (Corte di appello) waren in Mailand u. Venedig. Außerdem waren in jeder Delegation eigene Landesgerichte (Corte di giustizia) u. mehrere Friedensgerichte (Preture). Bei diesem war das Verfahren mündlich; bei den Gerichten hing es von den Parteien ab, ob sie mündlich od. durch Advocaten verhandeln wollten. Gesetzgebung für Civilrecht das bürgerliche Gesetzbuch des Königreichs Italien von 1812, die Proceßordnung von 1797, für Criminalrecht u. Criminalproceß das österreichische Strafgesetzbuch von 1803, Handelsrecht der Codice di comercio von 1808, so wie einige altitalienische Fallitenordnungen u. Wechselpatente. Die Rechte waren nach einer Urkunde von 1815 gleich, ebenso die Militärpflichtigkeit, doch avancirte nur der Adel; Dienstzeit 8 Jahre. Einkünste: 10 bis 12 Millionen Thaler; vertheilt als directe Abgaben: als Grundsteuer, Handelssteuer nach sechs Klassen, Gewerbsteuer, Kopfsteuer (in offenen Orten), als indirecte Abgaben: Zölle, Consumtionssteuer (nur in geschlossenen Orten), Staatsmonopole: Tabak, Salpeter, Pulver; auch war das Lotto eingerichtet. Staatsschuldenverwaltung: eine bes. im Monte Lombardo. Militär: 8 Infanterieregimenter, 1 leichtes Reiter- u. 1 Gendarmerieregiment unter dem Hofkriegsrathe zu Wien; diese Truppen machten einen integrirenden Theil der österreichischen Armee aus. Durch die neue Organisation von 1851, wodurch die Lombardei u. Venetien jedes zu einem eigenen Kronlande erhoben wurden, erlitt die frühere in sofern eine Abänderung, als nun an die Spitze des ganzen L.-V. K-s zwar noch ein Generalgouverneur in Mailand, aber an die Spitze der Verwaltung jedes eigenen Kronlandes ein Statthalter (in Mailand u. Venedig) gestellt wurden, welche direct unter dem Ministerium in Wien standen. Als Orden bestand die Eiserne Krone, s.d. Das Wappen: ein in der Mitte gespaltener Schild; rechts die lombardische Schlange in Silber; links, auf einem grünen Hügel, die Markuslöwen mit aufgeschlagenem Buche in Blau; oben die Eiserne Krone.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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