Sachsen-Koburg-Gotha [1]

Sachsen-Koburg-Gotha [1]

Sachsen-Koburg-Gotha, ein seit 1826 zu einer Herrschaft vereinigtes, zum Deutschen Bunde gehöriges Herzogthum in Thüringen von 35,843 QM. mit (Ende 1858) 153,900 Ew.; liegt in zwei größeren, abgesonderten Haupttheilen: Koburg (10 QM., 45,600 Ew.), zum Theil auf der Südseite des Thüringerwaldes zwischen Baiern u. Meiningen; Gotha (25,843 QM., Ende 1858 108,300, Ende 1861: 112,940 Ew.), zum Theil auf der Nordseite des Thüringerwaldes u. der Thüringischen Terrasse zwischen Preußen, Schwarzburg, Weimar, Kurhessen u. Meiningen; außerdem liegen mehre kleinere Parzellen zwischen preußischem, weimarischem, schwarzburgischem u. baierischem Gebiet. Beschaffenheit: Koburg bildet ein von mäßigen, zum Theil bewaldeten Höhen durchzogenes Terrain der Fränkischen Platte, bewässert von der Rodach u. Itz mit Kauder u. Röthen; im Westen u. Süden von Gotha zieht sich der Thüringerwald mit dem Rennstieg auf seinem Rücken hin u. hat hier den Beerberg (3057 Fuß hoch), Schneekopf (3044 F.), Sachsenstein (2870 F.) u. Inselsberg (2855 F.); die sich mehr zur Ebene verflachenden östlichen u. nördlichen Gegenden des Landes sind reich an Hügeln u. Bergen, wie der 1530 Fuß hohe Hörselberg, der 1280 Fuß hohe Seeberg u.a.; Flüsse sind hier die Werra, Unstrut u. Ilm (nur Grenzflüsse), außerdem die Hörsel, Neffe, Leina, Laucha, Emse, Erbstrom, Affe, Gera, Apfelstedt, Ohra. Das Klima ist im Ganzen gesund, im flachen Lande mehr kalt als gemäßigt, auf dem Gebirge rauh; der Boden im Gebirge meist steinig u. sandig mit viel Holz- u. Wiesengründen, in der Ebene durchschnittlich nur mittelmäßig fruchtbar. Producte: Pferde, Rindvieh, Schafe, Schweine, Federvieh, Fische (bes. Forellen), Wild, Holz, Waldsämereien, Waldbeeren, Getreide, Kartoffeln, Flachs, Hülsenfrüchte, Mohn, Obst, Gartengewächse, Eisen- u. Braunsteine, Porphyr, Kalk, Sandstein, Thon, Gyps, Salz (bei Buffleben). Die Einwohner sind meist Protestanten, nur wenige Katholischer u. Jüdischer Confession; in Neudietendorf ist eine Herrnhutergemeinde. Sie beschäftigen sich mit Landbau u. Viehzucht, Garnspinnerei, Lein- u. Baumwollenweberei, Bleicherei, Fabrikation von Eisen- u. Stahlwaaren, Porzellan- u. Spielwaaren, Glas, einigem Bergbau, der Bereitung vortrefflicher[667] Fleischwaaren u. Würste, Pech, Theer, Rübenzuckerfabrikation etc. Soolbäder sind in Bussleben. Der Verkehr u. Handel wird durch gute Chausseen, welche bis in die entlegensten Theile des Thüringerwaldes führen, sowie durch die Thüringer Eisenbahn, welche den Gothaischen Theil in seiner größten Breite von Osten nach Westen durchschneidet, u. die Werrabahn, welche Koburg berührt u. sich nach Neustadt etc. abzweigt, befördert. In Koburg u. Gotha sind Banken, s.u. Creditanstalten S. 515. Das Postwesen wird nach bestehenden Lehnsverträgen von den Fürsten von Thurn u. Taxis geführt. Seit 1834 gehört das Land zum Zollverein. Unterrichtsanstalten sind die Gesammtuniversität Jena, Gymnasien in Koburg u. Gotha, Lyceum in Ohrdruff, Schullehrerseminare in Koburg u. Gotha, Realgymnasium in Gotha, Handelsschule in Gotha, (die 1785 gestiftete Salzmannsche Erziehungsanstalt in Schnepfenthal ist ein Privatinstitut), Zeichnenschule, Sonntags- u. Industrieschulen, Unterrichtsanstalten für verwahrloste Knaben, Kleinkinderschulen etc. Außerdem gibt es eine herzogliche Bibliothek mit 150,000 Bänden, Kunst- u. Naturaliencabinet, Antiken- u. Münzcabinet, Gemälde- u. Kupferstichgallerie in Gotha, Theater in Koburg u. Gotha; Landkarteninstitut von Perthes in Gotha. Vereine: Landwirthschaftlicher Verein, Thüringer Gartenbauverein, Gewerbeverein, Sparkassen etc. Hinsichtlich der Verfassung bildeten die beiden Herzogthümer Gotha u. Koburg bis 1852 zwei völlig getrennte u. nur durch Personalunion verbundene Staaten. Das Herzogthum Gotha hatte seine besondere altlandständische Verfasung, welche jedoch dem sehr demokratischen Staatsgrundgesetz vom 26. März 1849 weichen mußte; das Herzogthum Koburg erhielt schon im Jahre 1821 eine moderne Verfassungsurkunde, welche in den Jahren 1846 u. 1848 mehre bedeutende Veränderungen erlitt. Durch das Staatsgrundgesetz vom 3. Mai 1852 wurden beide Länder unter einer Gesammtverfassung in realer Union vereinigt. Der Herzog übt als Oberhaupt des Staatesdie Rechte nach der Verfassung aus. Die Regierung ist erblich im Mannsstamme des Herzoglichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt u. der Linealerbfolge. Für den Fall des Ablebens des jetzt regierenden Herzogs ohne successionsfähige Nachkommen geht die Regierungsnachfolge auf die Descendenz des verstorbenen Bruders des Herzogs, Prinzen Albert, Gemahl der Königin Victoria von England, doch nur so über, daß der regierende König von England u. der voraussichtliche englische Thronfolger ausgeschlossen bleiben u. die Regierung sofort auf den nach diesen zunächst berechtigten Prinzen übergeht. Blos wenn außer dem König u. dem Thronfolger kein successionsberechtigter Nachkomme vorhanden ist, hat der König od. Thronfolger die Regierung der Herzogthümer anzutreten u. durch einen Statthalter so lange führen zu lassen, bis sie von einem volljährigen successionsfähigen Prinzen aus der Linie des Prinzen Albert übernommen werden kann. Über Vormundschaft, Erziehung, Vermählung, Apanagen, Mitgaben u. Witthum der Mitglieder des Herzoglichen Hauses besteht ein ausführliches Hausgesetz vom 1. März 1855. Die Rechte u. Pflichten der Staatsbürger sind: Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände; Standesvorrechte finden nicht statt. Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses ist gewährleistet; das religiöse Bekenntniß bedingt den Genuß der staatsbürgerlichen Rechte nicht; die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. Das Unterrichts- u. Erziehungswesen steht unter der Oberaufsicht des Staates; die Unterhaltung der Volksschulen steht den Gemeinden zu. Das Recht der Petition an die Behörden u. den Landtag ist gewährleistet. Das Eigenthum ist unverletzlich; jeder Unterthänig- u. Hörigkeitsverband ist aufgehoben, alle auf Grund u. Boden haftenden privatrechtlichen Abgaben sind für ablösbar erklärt etc. Das Domänenvermögen des Herzoglichen Hauses ist Fideicommißgut u. unveräußerliches Eigenthum des Sachsen Gothaischen Gesammthauses. Die Erbfolge in den Genuß desselben richtet sich nach den Bestimmungen über die Regierungsnachfolge. Mit Ausnahme nothwendiger Veräußerungen bedarf es zu Veräußerungen einzelner Bestandtheile des Domaniums stets Per Zustimmung der Agnaten; unbedingt unzulässig u. ungültig ist aber eine Belastung des Domänengutes mit Schulden od. wiederkehrenden Leistungen. Bezüglich der Verwendung der Einkünfte vom Domänengut besteht für das Herzogthum Koburg schon seit 1846 die Bestimmung, daß die Hälfte derselben bis zur Tilgung der gesammten jetzigen Staatsschuld in die Hauptlandeskasse fließt; für Gotha ist nach Gesetz vom 1. März 1855 eine Scheidung des früheren Kammervermögens in Domänen- u. Staatsgut eingetreten, indem für letzteres sämmtliche, früher zur Kammerkasse geflossenen Einkünfte aus Hoheitsrechten, die Kunststraßen, mehre zu Landeszwecken dienende Gebäude etc. erklärt worden sind. Auch die Verwaltung des sonstigen Domänenvermögens ist, mit Ausnahme gewisser, reservirter Bestandtheile, den Staatsbehörden übertragen, u. der Herzog bezieht dafür nur von dem Reinertrag zunächst eine feste Summe von 100,000 Thlrn., u. die Hälfte desjenigen, was nach Abzug einer Summe von 36,000 Thlrn., welche der Staatskasse zur Abführung der Staatsabgaben u. zur theilweisen Deckung der Staatsverwaltungskosten überlassen ist, von dem Reinertrage noch übrig bleibt. Außer den Domanialbesitzungen bestehen für das Herzogliche Haus noch mehre besondere bedeutende Fideicommisse, als namentlich das Lichtenberger Fideicommiß, dessen Grundstock diejenigen, 2,100,000 Thlr. bilden, welche dem Herzoglichen Hause für Abtretung des Fürstenthums Lichtenberg von der Krone Preußen gezahlt worden sind; das Greinburger Fideicommiß, die im k. k. Kronlande ob der Enns gelegenen Familiengüter Greinburg, Kreuzen, Zellhof u. Ruttenstein umfassend; das Ernst-Alberts-Fideicommiß, dessen Stock, durch Vertrag vom 23. Jan. 1854 mittelst Überlassung der Domäne Tonna mit dem Tonnaischen Forste, dem Labanzer u. Wintersteiner Forst abgelöste Jahresrente gebildet wurde, welche der regierende Herzog Ernst u. dessen Bruder Albert als Erben des Gothaischen Hausallodiums aus der Gothaischen Staatskasse zu beziehen hatten, u. die Oldislebener Senioratsstiftung von 45,000 Fl. für den jedesmaligen Senior des Hauses. Bezüglich der landständischen Verfassung hat man die gemeinsame Verfassung des Gesammtlandes von der besonderen Verfassung für Koburg u. Gotha zu unterscheiden. Für jedes der beiden Herzogthümer besteht ein besonderer Landtag. In Beziehung auf die als gemeinschaftlich für beide Herzogthümer erklärten Angelegenheiten übt ein gemeinschaftlicher Landtag die den Landesvertretungen zustehenden Rechte[668] aus. Für solche gemeinsame Angelegenheiten sind das Verhältniß der vereinigten Herzogthümer zum Herzoge, mit Ausschluß der Bezüge desselben aus Staats- od. Domänenmitteln, die Beziehungen zum Deutschen Bunde u. zu auswärtigen Staaten, die Verhältnisse, welche das Staatsgrundgesetz, Staatsministerium, den Staatsgerichtshof, das Oberappellationsgericht u. Appellationsgericht, die Organisation der Behörden, ferner die Post- u. Zollsachen, sowie die Staatsarchive betreffen, sowie alle solche Sachen, welche mit Zustimmung des Herzogs durch übereinstimmenden Beschluß der Sonderlandtage dem gemeinsamen Landtage übertragen werden, erklärt. Der Landtag für Koburg besteht aus 11, der für Gotha aus 19, der gemeinschaftliche aus 7 Mitgliedern des Koburgischen u. 14 des Gothaischen Landtags, welche von diesen durch Wahl nach absoluter Stimmenmehrheit abgeordnet werden. Sämmtliche Abgeordneten werden auf 4 Jahre mittelst indirecter Wahl gewählt. Wahlberechtigt ist jeder 25 Jahre alte selbständige unbescholtene männliche Staatsbürger, welcher sich nicht mit indirecten Staatssteuern ein Jahr im Rückstand befindet; zur passiven Wählbarkeit gehört außer diesen Bedingungen ein Alter von 30 Jahren. Neben den Plenarversammlungen bestehen für die Landtage noch Ausschüsse, welche selbst bei einer Auflösung des Landtags fortbestehen u. aus dem Präsidenten, Schriftführer u. drei Abgeordneten gebildet werden; von den fünf Mitgliedern des Ausschusses für den gemeinschaftlichen Landtag müssen immer drei dem Herzogthum Gotha, zwei Koburg angehören. Bei Streitigkeiten über die Competenz der verschiedenen Landtage unter sich entscheidet bis dahin, wo ein eigener Staatsgerichtshof gebildet ist, das Oberappellationsgericht in Jena. Die Finanzperioden sind gleichzeitig für beide Herzogthümer vierjährige. Bezüglich der gemeinsamen Angelegenheiten werden die Etatspositionen mit dem gemeinschaftlichen Landtage festgestellt, so daß die von ihm innerhalb seiner Competenz verwilligten Geldmittel von den Sonderlandtagen nach der Höhe von. 3/10, für Koburg u. von., 7/10, für Gotha in ihren Specialetats einzustellen sind. Der Landtag, sowie die Landtagsausschüsse haben innerhalb ihrer Competenz das Recht Staatsbeamte wegen Verfassungsverletzung anzuklagen. Über die Verhältnisse der Staatsdiener überhaupt gilt das dem Sachsen-Weimarischen Gesetz (s.u. Sachsen-Weimar) ziemlich gleichlautende für beide Herzogthümer gemeinsame Gesetz vom 3. Mai 1852. An der Spitze sämmtlicher Behörden beider Herzogthümer steht das Staatsministerium, dessen Organisation ein Gesetz vom 17. Dec. 1857 bestimmt hat. Es bildet die oberste Behörde für alle Zweige der Staatsverwaltung u. zerfällt in zwei Abtheilungen, von denen die eine für die besonderen Angelegenheiten des Herzogthums Koburg in Koburg, die andere für die besonderen Angelegenheiten des Herzogthums Gotha in Gotha seinen Sitz hat. An der Spitze des Ganzen steht ein Staatsminister, welcher zugleich Vorstand der einen Abtheilung ist u. damit auch die beiden Landestheilen gemeinsamen Angelegenheiten dirigirt. Jeder Abtheilung ist die erforderliche Anzahl von vortragenden Räthen u. Assessoren beigegeben. Mindestens fünf Mitglieder des Staatsministeriums bilden das Gesammtministerium, vor dessen Berathung alle Gesetz- u. Verordnungsentwürfe, Staatsverträge, wichtigere Haus- u. Familien- u. andere gemeinschaftliche Angelegenheiten, sowie alle Fälle, in denen ein Staatsdiener aus dem Dienst entlassen od. zur Disposition gestellt werden soll, gehören. Bei den dem Staatsministerium untergebenen Behörden ist seit dem Jahre 1858 die Trennung zwischen Justiz- u. Verwaltungsbehörden vollständig durchgeführt. Für die Rechtspflege bestehen (Gesetz vom 21. Septbr. 1857), außer den Schwurgerichten, u. abgesehen von den besonderen Gerichten in Militärsachen (für diese gilt ein Militärstrafgesetzbuch vom 12. Febr. 1832 u. Militärgerichtsordnung vom 23. Mai 1837), in unterster Instanz Justizämter, resp. Stadtgerichte (13 in Gotha, 9 in Koburg), ferner für das Herzogthum Koburg u. das Herzogthum Gotha in den Städten Koburg u. Gotha je ein collegialisch besetztes Kreisgericht, sodann in Gotha ein Appellationsgericht u. als gemeinsames oberstes Gericht der Sachsen-Ernestinischen Staaten das Oberappellationsgericht in Jena. Die Justizämter haben innerhalb ihres Bezirks die minder wichtigen streitigen bürgerlichen Rechtssachen, namentlich auch die Concurs- u. Edictalprocesse, in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Geschäfte des Grundbuch-, Hypotheken-, Depositen-, Vormundschafts- u. Nachlaßregulirungswesens, Todeserklärungen etc. zu erledigen u. in Strafsachen über Vergehen nach der Strafproceßordnung zu erkennen; die Kreisgerichte entscheiden in erster Instanz in Ordinarprocessen u. allen Rechtsangelegenheiten der Mitglieder des Herzoglichen Hauses, in Eheverspruchs- u. Ehesachen, sowie in zweiter Instanz über Beschwerden gegen Verfügungen u. Entscheidungen der Justizämter in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. An das Appellationsgericht gehen alle Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Verfügungen der Justizämter od. Kreisgerichte in streitigen Rechtsangelegenheiten; zugleich bildet dasselbe die Oberaufsichts- u. Disciplinarbehörde über alle mit der Justizpflege betrauten Personen, einschließlich der Advocaten u. Notare. Das Oberappellationsgericht entscheidet in bürgerlichen Sachen in dritter, in Strafsachen zum Theil auch in zweiter Instanz. Für letztere gilt in beiden Herzogthümern seit 1851 u. resp. 1852 das Thüringische Strafgesetzbuch u. seit dem Jahre 1858 auch die Thüringische Strafproceßordnung. Die Hauptquelle des Civilprocesses ist für den Koburger Landestheil noch jetzt die Ernestinische Proceßordnung vom Jahre 1670, für den Gothaischen die Gothaische Proceßordnung Herzogs Ernst II. von 1776 mit 6 Mandaten, welche Zusätze u. Erläuterungen enthalten. Die Competenz u. das Verfahren vor dem Oberappellationsgericht bestimmt die provisorische Oberappellationsgerichtsordnung vom 8. Octbr. 1816. In neuerer Zeit haben jedoch diese älteren Proceßgesetze durch mehre Verordnungen manche Verbesserungen erhalten; insbesondere in Gotha durch mehre Verordnungen vom 12. u. 18. Octbr. 1834 (über das Verfahren im summarischen Rechnungs-, Arrest- u. Executivproceß) u. Gesetz vom 20. Febr. 1855, über den Edictalproceß außerhalb des Concurses, in Koburg durch Gesetz vom 1. Dec. 1858, die Verbesserung des Civilproceßverfahrens betr., u. Gesetz über Edictalladungen außerhalb des Concurses vom 24. Mai 1860. Die Patrimonialgerichtsbarkeit u. der privilegirte Gerichtsstand für Personen u. Sachen sind allgemein aufgehoben. Über das Privatrecht des Herzogthums Gotha gibt es[669] eine Bearbeitung von Brückner (Handbuch des Sachsen-Gothaischen Privatrechts, Gotha 1830). Für die innere Verwaltung u. Polizei bestehen im Herzogthum Gotha 3 Landrathsämter (in Gotha, Ohrdruff u. Waltershausen); nur bei den Justizämtern Volkenroda u. Nazza ist die Verwaltung u. Polizei noch mit der Rechtspflege verbunden. In Koburg besteht nur ein Landrathsamt zu Koburg. Zum Theil eximirt von der Unterordnung unter diese Landrathsämter sind die Stadträthe in den 6 Städten Gotha, Ohrdruff, Waltershausen, Koburg, Rodach u. Neustadt, für welche Städte besondere Stadtordnungen bestehen. Die übrige Gemeindeverfassung beruht für Gotha auf dem Gemeidegesetz vom 11. Juni 1858, für Koburg auf der Landgemeindeordnung vom 10. Aug. 1835. Für die Geistliche u. Schulverwaltung bestehen im Herzogthum Gotha 14 Ephorien u. 8 Kirchen- u. Schulämter, welche letztere durch den Landrath u. Ephorus, in den Städten durch den Bürgermeister, Ephorus u. einen Senator zusammengesetzt sind u. die erste Instanz in allen Verwaltungssachen der Kirche u. Schule bilden. Für Koburg beträgt die Zahl der Ephorien 6, ebenso groß ist die Zahl der dortigen Kirchen- u. Schulämter. Die oberste Leitung des gesammten Kirchen- u. Schulwesens steht, nach Aufhebung der früher bestandenen Consistorien, dem Staatsministerium. Die Unterrichtsanstalten s. oben. Für die niedere Finanzverwaltung bestehen in Koburg 5, in Gotha 9 Steuer- u. Rentämter, ferner 2 Hauptsteuerämter zu Koburg u. Gotha für die Vereinnahmung der Zölle u. indirecten Abgaben des Thüringischen Zoll- u. Handelsvereins, über welche die Oberaufsicht die Generalinspection zu Erfurt führt, ferner für die Verwaltung der Forsten 12 Forsteien in Koburg u. 4 Forstmeistereien mit 23 Forsteien u. 11 Forstämtern in Gotha, 2 Bergämter zu Tanneberg u. Liebenstein u. eine Hütten- u. Kohlenverwaltung zu Luisenthal. Die Posten des Herzogthums sind dem Fürsten von Thurn u. Taxis, mit der Würde eines herzoglichen Erblandpostmeisters als ein Erb-Mann-Thronlehen übertragen. Die obere Verwaltungsbehörde dafür bildet die Generalpostdirection zu Frankfurt a. M. u. in nächster Verbindung damit das Postcommissariat für die Thüringischen Staaten zu Eisenach. Der Stand der Finanzen ist für Koburg in der Weise berechnet, daß der Domänenkasseetat für 1861–67 in seiner Jahreseinnahme auf 194,408 Fl. (101,000 Fl. vom Grundeigenthum, Forsten etc., 25,836 Fl. von den Domänengütern, 32,062 Fl. von Zinsen aus Activcapitalen, 15,510 Fl. aus der Verwaltung), die Jahresausgabe auf 128,808 Fl. (mithin 65,600 Fl. Überschuß, wovon die eine Hälfte der Staatskasse anheimfällt), der Staatskasseetat auf die Finanzperiode 1861–65 in der Jahreseinnahme auf 471,000 Fl., die Jahresausgabe auf 466,900 Fl. (Überschuß 4100 Fl.) festgestellt ist. Für Gotha ist die Jahreseinnahme der Domänenkasse auf die Finanzperiode 1861–65 auf 559,500 Thlr. (darunter 460,787 Thlr. von den Forsten, 47,713 Thlr. von den Domänen, 44,525 Thlr. Zinsen von Activcapitalien), die Jahresausgabe auf 385,669 Thlr. berechnet, so daß der Überschuß 173,831 Thlr. betragen würde, wovon der Herzog 120,151 Thlr., die Staatskasse 53,680 Thlr. zu erhalten hat; bei dem Etat der Staatskasse ist die Jahreseinnahme für dieselbe Periode auf 606,500 Thlr., die Jahresausgabe auf ebensoviel festgestellt. Der Nettoschuldenbetrag der Gothaischen Staatskasse belief sich Ende 1861 auf 1,085,687 Thlr., darunter 400,000 Thlr. unverzinsliches Papiergeld, die Passivcapitalien der Domänenkasse daselbst betrugen 987,884 Thlr. Militär: Das Contingent hat eine Stärke von 1674 Mann u. ist in 2 Bataillone zu 4 Compagnien formirt; der Ersatz zählt 372 M. Die Dienstzeit ist 6 jährig, davon 2 Jahre bei der Reserve. Die Rekrutirung erfolgt durch Conscription; Stellvertretung ist gestattet. Bekleidung ist dunkelgrüner Waffenrock mit schwarzen Aufschlägen u. rother Passepoil, graue Beinkleider u. Mäntel, Kopfbedeckung der Helm, das Gepäck nach Virchow; die Bewaffnung besteht im preußischen Zündnadelgewehr u. dem am schwarzen Kuppel getragenen Faschinenmesser. Alle Institutionen, das Reglement u. die Kriegsartikel sind die preußischen. Seit 1861 ist das Contingent durch Convention mit der preußischen Armee vereinigt; die Offiziere sind ganz in preußische Dienste übergetreten, der Herzog nimmt dem Contingent gegenüber die Stellung eines commandirenden Generals ein. Landesfarbe u. Feldzeichen weiß u. grün. Orden u. Ehrenzeichen: der Ernestinische Hausorden (s.d.), mit Meiningen u. Altenburg gemeinschaftlich; Eiserne Denkmünze für die Freiwilligen des fünften deutschen Armeecorps, welche die Feldzüge 1814 u. 1815 mitgemacht haben (an einem grün, schwarz u. orange gestreiften Bande, auf der einen Seite: Einigkeit macht stark, Vaterlandsliebe unüberwindlich; andernseits: Den freiwilligen Vaterlandsvertheidigern des 5. deutschen Armeecorps von ihrem commandirenden General E. H. z. S.), u. für dieselben Feldzüge eine Silberne Medaille (an weiß u. grünem Bande, einerseits: Den Vertheidigern des Vaterlandes, andernseits: ein Malteserkreuz, umgeben von einem Eichenkranz) u. eine Bronzene Medaille am schwarz, grün, goldnen Bande. Das am 5. April 1851 gestiftete Eckernfördekreuz zur Erinnerung an die Affaire vom 5. April 1849 bei Eckernförde, allen bei jenem Kampfe betheiligten Kriegern verliehen. Wappen: das größere ist das der anderen sächsischen Herzogthümer der Ernestinischen Linie mit den Specialfeldern der Familienbesitzungen ähnlich wie in Sachsen-Weimar (s.d.), das kleinere das allgemeine sächsische (fünf schwarze Balken in goldnem Felde mit darüber hängendem Rautenkranz) mit der Herzogskrone bedeckt. Eingetheilt ist der Koburgische Antheil in die Amtsbezirke Koburg, Neustadt, Rodach, Sonnefeld u. Königsberg; der Gothaische Theil in die Landrathsämter Gotha, Ohrdruff, Waltershausen (jedes wieder in mehre Justizämter) u. in die Justiz- u. Verwaltungsbezirke Volkenroda u. Nazza. Münzen, Maße u. Gewichte: a) in Koburg rechnete man früher nach Gulden zu 60 Kreuzer à 4 Pfennige im 24 Guldenfuß, od. auch nach Thalern zu 90 Kreuzer à 4 Pfennige rheinisch od. nach fränkischen Gulden à 20 Groschen à 12 Pfennige, 1 Fl. fränkisch = 11/4 Fl. rheinisch, darauf nach der Convention vom 25. Aug. 1837 nach Gulden à 60 Kr. à 4 Pf. im 241/2 Guldenfuß; gegenwärtig nach der Convention von 1857 nach Gulden im 521/2 Guldenfuß u. sind nach dieser auch die neueren Münzen, in Silber: Doppelthaler (31/2 Gulden), Thaler (13/4 Gulden), Gulden, halbe Gulden, 6 u. 3 Kreuzer als Scheidemünze geprägt; frühere Landesmünzen waren in Gold: Ducaten 67 Stück – 1 Mark[670] Kölnisch br. 231/2 Karat sein; in Silber: Conventionsspecies, 1/2 u. 1/4; 1/6, 1/12 u. 1/24 Thaler Conventionsgeld, Kronenthaler, 20 u. 10 Kreuzer im Conventionsfuß; als Scheidemünze 6, 3 u. 1 Kreuzer; in Kupfer: 3, 2 u. 1 Pfennige. Maße: der Werkfuß à 12 Zoll ist der alte Nürnberger = 134,75 Pariser Linien, Vermessungsfuß ist der rheinische, die Werkruthe = 14 Werkfuß, die Vermessungsruthe = 12 rhein. Fuß, die Elle = 259,9 Pariser Linien; Feldmaß: der Morgen od. Acker Feld ist = 160 Quadratwerkruthen, der Vermessungs- u. Waldmorgen ist = dem preuß. Morgen od. 180 rhein. Quadratruthen; Getreidemaß: der Simmer od. Simra hat 4 Viertel à 4 Metzen, für Korn, Weizen u. Hülsenfrüchte = 88,946 Liter od. 4484 Pariser Cubikzoll, für Gerste, Hafer u. Dinkel = 110,449 Liter = 5568 Pariser Cubikzoll. Flüssigkeitsmaß: der Eimer = 80 Maß, das Maß = 1/23 des Kornviertels ist = 0,9668 Liter od. 48,739 Pariser Cubikzoll. Gewichte: Zollgewicht ist das der Vereinsstaaten, Gold- u. Silber-, Medicinal- u. Apothekergewicht ist das Nürnberger; Münzgewicht nach der Convention vom 30. Juli 1838 das preußische. b) In Gotha wird in Folge der Norddeutschen Münzconvention, laut Münzgesetz vom 30. Septbr. 1840, gerechnet nach Thalern zu 30 Groschen à 10 Pfennigen in der Währung des 14 Thalerfußes (seit 1857 des 30 Thalerfußes); geprägte Münzen in dieser Währung sind in Silber: Vereins-Doppelthaler, Thaler u. 1/6 Thaler, als Scheidemünze 2, 1 u. 1/2 Groschen; in Kupfer: 2 u. 1 Pfennige; früher wurde nach Reichsthalern à 24 Groschen à 12 Pfennigen im Conventionsfuß gerechnet, neben welchem für den gewöhnlichen Handel u. Verkehr eine Currentwährung bestand, nach welcher der Conventionsthaler = 1 Thaler 11/2 Groschen Currentgeld war; die früheren Landesmünzen waren in Silber: Species 1/2, 1/4, 1/6, 1/12 u. 1/24 Thaler im Conventionsfuß, als Scheidemünze 1/48 Thaler; in Kupfer: 3, 2, 11/2 u. 1 Pf. Maße: Längenmaße: der Bau- od. Werkfuß, auch bei der Landesvermessung im Gebrauch, hat 12 Zoll à 12 Linien u. ist = 127,5 Pariser Linien; der Waldfuß, nach welchem das Holz gemessen wird, = 125,3 Pariser Linien; die Ruthe Bau- od. Feldmaß = 14 Baufuß, die Waldruthe = 16 Baufuß; das Lachter ist das alte sächsische; die Elle hat 2495/12 Pariser Linien; der Acker Feld hält 140 Quadratfeldruthen, der Acker Wald = 160 Quadratwaldruthen; die Hufe hat 30 Acker u. ist in 1/2, 1/4, 1/8, getheilt; die Klafter ist 6 Waldfuß hoch u. lang, 3 breit; für Holzkohlen hält der Stotz 6 Gothaische Getreideviertel, für Steinkohlen der Bergscheffel 2920 Gothaische Cubikzoll = 40,206 Liter; Getreidemaß: das Malter hat 2 Scheffel à 2 Viertel à 2 Metzen à 4 Mäßchen à 6 Nösel; das Viertel, als Einheit, hält 3171 Gothaische Cubikzoll od. 43,6618 Liter. Flüssigkeitsmaße: das Fuder Wein hat 12, das Oxhoft 3, die Feuillette 11/2, die Ohm 2 Eimer; der Eimer hat 2 Anker 40 Kannen à 2 Maß à 2 Nösel, 1 Eimer = 5285 Gothaische Cubikzoll od. 72,77 Liter, 1 Kanne = 1321/2 Cubikzoll od. 1,819 Liter; das Faß Branntwein hat 110 Kannen, die Bierlast 12 Tonnen zu 24 Stübchen à 2 Kannen; das Nösel ist dem Getreidenösel gleich. Gewichte: das Zollgewicht der Vereinsstaaten; Gold-, Silber- u. Münzgewicht: die Kölnische Mark; Medicinal- u. Apothekergewicht: das Nürnberger. Vgl. Plänckner, Übersichtliche Beschreibung des Herzogthums S.-K.- G., Kob. u. Lpz. 1842; Schulze, Heimathskunde für die Bewohner des Herzogthums Gotha, Gotha 1845 ff., 3 Thle.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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