Samothrāke

Samothrāke

Samothrāke (d.i. das thrakische Samos im Gegensatz zu Samos an der asiatischen Küste), 1) (a. Geogr.), Insel des Ägäischen Meeres, südlich von Thracien, soll ursprünglich mit dem Festlande von Asien u. Europa zusammengehangen haben; gebirgig (der höchste Punkt der Berg Saoke, 5000 Fuß), unfruchtbar, ohne bequemen Landungsplatz u. stand stets unter den benachbarten Fürsten, später gehörte sie zu dem griechischen Bunde u. hatte eine kleine Stadt S.; 2) (n. Geogr., türkisch Semendrik), Insel im Norden des griechischen Archipelagus, westlich vom Meerbusen von Saros, zum Ejalet Dschesairi der Europäischen Türkei gehörig; 31/2 QM. groß, besteht fast ganz aus einer Bergmasse, welche in westöstlicher Richtung verläuft u. sich in vier Gipfeln, zum Theil bis weit über 3000 F. hoch, erhebt, ist ganz hafenlos u. daher auch ohne besonderen äußeren Verkehr. Für die ausschließend christliche Bevölkerung, etwas über 1500 Ew., bringt die Insel den nöthigen Bedarf hervor; aber ausgeführt wird nichts außer Holz, Holzkohlen u. einigem Obste. Hauptort ist Chora im nordwestlichen Theile der Insel. Die südwestliche Abdachung des hohen Mittelgebirges, welche reich ist an Korn- u. Ölbaumcultur, zeichnet sich vor der nördlichen, wo im Winter oft hoher Schnee liegt, durch ein milderes Klima, dagegen die Nordabdachung durch größeren Wasserreichthum auch im Sommer aus, wo die Flußbetten der Südseite meistens trocken liegen. In S. finden sich viele Alterthümer, welche größtentheils mit den dortigen religiösen Mysterien zusammenhängen. Die Einwohner waren nach Einigen Autochthonen, nach Andern eingewanderte Pelasger, nach Andern Dardaner od. Troer u. Arkader. Als der älteste Ordner der Angelegenheiten u. Gesetzgeber gilt Saon (Saos), der Sohn des Zeus od. Hermes; dann erscheinen die drei Geschwister Dardanos, Jasion (Jason) u. Harmonia, Kinder des Zeus u. der Harmonia, von denen erster nach Asien ging u. das Dardanische Reich gründete; Jasion wurde Reformator u. Erweiterer der vaterländischen Religion, eröffnete Fremden Theilnahme daran u. gab ihr so eine weite Verbreitung; Harmonia heirathete den Kadmos, u. zu ihrer Hochzeit kamen alle Götter. In der Geschichte dieser Familie liegt der Schlüssel zu den Ideen des Kabirencultus der Insel, s.u. Kabiren. Mit diesem Cultus waren die Samothrakischen Mysterien verbunden, welche an Würde den Eleusinischen gleichgeachtet wurden; außer der Theilnahme an höherer religiöser Erkenntniß u. sichtlichem Leben erhielten die Eingeweiheten auch noch Sicherheit auf der Fahrt zur See, darum ließ sich auch Jason, der Führer der Argonautenfahrt, auf Rath des hier geweihten Orpheus, in die Mysterien aufnehmen. Die Weihepriester hießen Anaktotelestai. Der Aufnahme ging strenge Prüfung u. eine Beichte vorher; darauf folgten Sühnopfer u. Reinigungen (der Priester, welchem dies Geschäft oblag, hieß Keos); die Reinigungen fielen weg bei Kindern, deren Einweihung bei den Benachbarten sehr gewöhnlich gewesen zu sein scheint. Beim Weiheacte (Thronismos, Thronosis) wurde der Novize, bekränzt mit einem Olivenzweig, gegürtet mit einer Purpurbinde (Tänia) um den Leib (welche man lebenslänglich als Amulet trug) u. umwunden am Kopf mit einem Schleier (Kredemnon), auf einen Sessel gesetzt, alle anwesenden Eingeweihten schlossen einen Kreis, faßten sich an den Händen u. führten einen Reigen auf, wobei Hymnen gesungen wurden. Die Mysterien blieben lange in Ansehen u. verschafften der Insel eine Heiligkeit, welche die Römer dadurch anerkannten, daß sie ihr gewisse Freiheiten ertheilten. Schon unter den Alten war eine Schrift über S. von Polemon, welche jedoch verloren gegangen ist. Vgl. Schelling, Über die samothrakischen Gottheiten, 1815.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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