Thau [1]

Thau [1]

Thau, 1) Niederschlag aus der Atmosphäre, welcher sich vorzugsweise des Nachts bildet u. an Pflanzen u. anderen Körpern in Gestalt von Tropfen erscheint. Ist dabei die Temperatur niedrig genug, so schlägt sich der Wasserdunst der Luft in fester Gestalt als Reif nieder. Zur Beobachtung der hierher gehörigen Erscheinungen u. zur Bestimmung der Menge des gefallenen T-s dient der Thaumesser (Drosometer), welcher am einfachsten so vorgerichtet wird, daß man genau abgewogene, nicht allzu hygroskopische Körper der freien Luft aussetzt u. ihr Gewicht aufs Neue untersucht, wenn der T. sich darauf geschlagen hat. Der beste Thaumesser ist Wolle in Flocken von etwa 10 Gran Gewicht, welche man in gleiche zweizöllige, kugliche Massen zerzupft, der Luft blosstellt u. dann wieder wägt. Der T. fällt vorzugsweise in heiteren windstillen Nächten, nach Musschenbroek in Holland bes. bei etwas nebligem Wetter (allein Nebeltropfen sind keine Thautropfen; vom Nebel werden alle Körper ohne Ausnahme naß, vom T. nicht). Die Thaubildung verschwindet meist u. schnell, wenn windiges od. trübes Wetter eintritt. Der T. schlägt sich vorzüglich an freistehenden mit dem Erdboden durch verhältnißmäßig wenig Punkte in Berührung stehenden u. die Wärme schlecht leitenden, aber gut ausstrahlenden Gegenständen nieder, daher fällt im Freien stets weit mehr T., als in den Straßen der Städte, Pflanzen werden mehr bethaut, als fester Erdboden, lockerer Kies mehr, als festgetretener Weg, Glas leichter, als Metall etc. Der T. bildet sich unter günstigen Umständen die ganze Nacht hindurch, jedoch am reichlichsten des Abends, wo bei abnehmender Temperatur der absolute Wassergehalt der Luft am größten, u. des Morgens vor Sonnenaufgang, wo die Abkühlung des Erdbodens am stärksten ist. Auch tritt er plötzlich unter sonst günstigen Umständen bei totalen Sonnenfinsternissen ein. Am reichlichsten fällt er in feuchten Küstengegenden u. in der Nähe von Flüssen u. Landseen; in großen Wüsten fehlt er ganz. Nach Wells hat der T. seinen Grund in einer schnellen Wärmeabnahme in der Nähe des Bodens. Es besteht nämlich das Gesetz, daß die Luft Wasserdampf in sich aufgelöst enthalten kann bis zu einer gewissen Quantität, welche mit der Temperatur steigt; ist die möglich größeste Menge von Wasserdampf in der Luft verbreitet, so sagt man, es ist der Sättigungspunkt erreicht, u. in solcher Luft muß dann bei Abnahme der Wärme sich der Dampf wieder zu Wasser niederschlagen. Während nun der Erdboden des Tages erwärmt wird, steigen aus ihm viele Dämpfe auf; zugleich erheben sich die am Boden erwärmten Lufttheilchen vermöge ihrer größeren Leichtigkeit, u. so verbreitet sich der Dampf in der Atmosphäre, ohne daß irgendwo der Sättigungspunkt erreicht würde. Nach Untergang der Sonne erkaltet nun zunächst der Erdboden durch Wärmeausstrahlung u. hierdurch auch die den Boden berührenden Luftschichten, welche nun vermöge ihrer größeren Schwere am Boden verbleiben u. durch diese Erkaltung, die bis unter den Sättigungspunkt fortschreitet, schlagen sich die Dämpfe als tropfbare Flüssigkeit auf den Boden nieder, wie im Sommer auf einem Glas mit kaltem Wasser. Je lebhafter diese Erkaltung, desto reichlicher unter sonst gleichen Umständen der T., daher sind thaureiche Nächte kalt. Wenn zum T. eine Temperatur unter, selbst einige Grade über dem Gefrierpunkt tritt, so entsteht Reif (s.d. 1). Alles was die Wärmeausstrahlung des Bodens verhindert, ein darüber gestellter Schirm u. dgl., verhindert die Thau- u. beziehentlich Reisbildung; Pflanzen, welche unter einem Baume stehen, werden daher weniger naß u. leiden weniger vom Reif, als freistehende. Da ferner jene Erkaltung vorzugsweise in der Nähe des Bodens stattfindet, so werden hochgelegene Körper, Baumspitzen, Dächer etc. weniger bethaut, u. da die durch Strahlung bewirkte Erkaltung bei trübem Himmel gering ist, weil die Wolkendecke die Wärme wieder zurückstrahlt, so fehlt hier der T. gänzlich, eben so bei windigem Wetter, wo die abgekühlten Lufttheilchen vom Boden weggeführt u. durch wärmere ersetzt werden, ehe der Sättigungspunkt erreicht ist. Alles, was die Erkaltung der Oberfläche eines Körpers begünstigt, vermehrt den Thauniederschlag auf denselben. Daher werden schlechte Wärmeleiter, bes. sehr sein zertheilte (gezupfte Wolle) stärker bethaut, als gute, namentlich sehr massenreiche. Je feuchter unter sonst gleichen Umständen die Luft ist, desto mehr T. fällt in einer gegebenen Zeit, weshalb in trockenen Wüsten trotz der starken Erkältung des Bodens kein T. fällt. Daher verkünden aber auch thaureiche Nächte baldigen Regen, weil sie einen schon bedeutenden, bald der Sättigung sich nähernden Feuchtigkeitsgrad der Luft anzeigen. Das Thauwasser zeichnet sich durch große Reinheit aus, es enthält nur etwas mehr Kohlensäure, als das Regenwasser. Die an Pflanzen hängenden Thautropfen nehmen oft organische, im Wasser lösliche Stoffe aus jenen auf, schwerlich kann aber dadurch der T. zu einem Schönheits- od. Heilmittel werden. Vgl. W. Wells, Essay on dew and several appearances connected with it, Lond. 1815; 2) s.u. Thaubilder.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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