Modĕna [1]

Modĕna [1]

Modĕna, ein (bis 1859) souveränes Herzogthumin Oberitalien, bestehend aus den Herzogthümern M., Reggio, Mirandola u. Guastalla, den Fürstenthümern Novellara, Correggio, Carpi u. aus Massa u. Carrara; seit 1860 dem Königreich Sardinien annectirt. M. liegt zwischen Parma, der Lombardei, Venedig, dem Kirchenstaat, Toscana u. dem Mittelmeer; 109,94 QM., mit 1857: 604,500 Ew., größtentheils Katholiken (200 Protestanten, 2700 Juden). Gebirge: südlich der Apennin (Spitzen: Monte Cimone, 6500 F., Doccia) mit den marmorhaltigen Apuanischen Gebirgen. Flüsse: der Po (nur nördlich auf kurze Strecke die Grenze bildend) u. seine Nebenflüsse Enza (Grenzfluß gegen Westen), Crostolo, Secchia, Panaro; ferner mehre Känäle (schiffbar ist nur der Tassonikanal) u. einige Seen. Das Land ist im Norden eben u. fruchtbar, das Klima angenehm, doch nicht ganz das schöne italienische. Beschäftigung: Ackerbau (vorzüglich in den niederen Gegenden), Gemüse- (Bohnen), Hanf-, Reis-, Weinbau (vorzüglich[340] rothe Sorten), Obst- u. Ölbau, Viehzucht (Rinder mit Milch-, Butter- u. Käsegewinn, Schweine, wenig Pferde), Seidenzucht, Bergbau, bes. auf Marmor in den Apuanischen Gebirgen bei Carrara, wo die Berge vom Fuß bis zum Gipfel aus Marmor bestehen; Holz ist im Süden reichlich zu finden; einige Quellen sind eisenhaltig, andere geben Bergöl; die Industrie ist nicht bedeutend; der vorzüglichste Handelsplatz ist Reggio; der Gesammtwerth der Ein- u. Ausfuhr beträgt ungefähr 22 Mill. Lire; die von Parma nach Bologna führende Eisenbahn durchschneidet das Land über Reggio u. Modena. Die Staatsverfassung war absolut monarchisch. Der unumschränkte Herzog, wie seine Prinzen, mit dem Prädicat königliche Hoheit, aus einer österreichischen Seitenlinie, Österreich-Este (s. unten, Gesch.), succedirte nach dem Rechte der Erstgeburt in gerader absteigender Linie, war an die Hausgesetze der gemeinschaftlichen Dynastie Österreich-Lothringen gebunden, stellte durch Decret vom 28. Aug. 1814 die früheren Verhältnisse wieder her u. vereinigte die ganze gesetzgebende u. vollziehende Gewalt. Staatsverwaltung: die zwei obersten Centralbehörden waren ein Staatsrath zu höchster Berathung u. Controle u. ein Staatsministerium, welches in vier besondere Ministerien (des Auswärtigen, des Innern, der Finanzen u. der öffentlichen Sicherheit [Buon governo]) zerfiel; gleichgestellt war das Generalcommando der Truppen. Das Land zerfiel in 7 Provinzen: Modena, Reggio, Guastalla, Frignano, Garfagnana, Massa-Carrara u. Lunigiana. Die Communen vertrat ein gewählter Municipalrath, den 49 größeren erster Klasse stand ein Podesta, den 463 zweiter Klasse ein Syndico vor. Rechtspflege: das Gerichtsverfahren war der französischen Gesetzgebung nachgebildet. Die Unterrichtsanstalten waren: Universität, Ritterakademie, 4 Gymnasien, 3 Priesterseminarien, Kriegs-, Kunst- u. Malerschule etc.; für Volksunterricht geschah sehr wenig. Das Militär bestand bis 1859 aus einem Corps Trabanten, einem Corps Dragoner, einem Corps Artillerie, Genie u. Train, einem Regiment Linie, einem Bataillon Jäger, einem Corps Pioniere, einem Veteranencorps, im Ganzen 5300 M. u. 3 Regimentern Reservemiliz, 14,656 M., organisirt u. uniformirt. Einkünfte 1851: 8,413,622 Thlr., Ausgaben: 8,728,133 Thlr. Wappen: ein gekrönter silberner Adler in Blau (wegen Este), ein schwarzer doppelter kaiserlicher Adler mit schwebender Kaiserkrone in Gold (wegen des Reichslehns von M.) u. ein rother Pfahl mit dem österreichischen Familienwappen, links das Wappen von Massa u. Carrara. Man rechnete seit Dec. 1807 nach Lire italiane zu 100 Centesimi, 52 solcher Lire = 1 feine Mark, 1 Lir. ital. = 8 Sgr. 9,923 Pf. preußisch; früher rechnete man nach Lire di Modena à 20 Soldi à 12 Denari, 1351/2 alte Lire = 1 f. Mark, 1 Lira di Mod. = 3 Sgr. 1,196 Pf. preußisch. Geprägte Münzen in letzter Zeit waren in Gold: Stücke zu 40 u. 20 Lire italiane, gesetzlich zu, 9/10 sein; in Silber: Scudi nu ovi zu 5 Lire ital., 2 u. 1 Lira ital., 1/2 u. 1/4 (Lira ital. im französischen Münzfuß; seit 1860 ist das sardinische Münzsystem eingeführt, ebenso sind Maße u. Gewichte die sardinischen; die älteren modenesischen Maße u. Gewichte, die noch häufig gebraucht werden: Längenmaße: der Piede di M. (Fuß) = 634,34 Millimeter, der Piede di Reggio = 517,71 Millimeter; der Cavezzo (Klafter) = 6 modenesische Fuß; der Braccio di M. (Elle) = 648,1 Millimeter, u. der Br. di Reggio = 529,84 Millimeter; Feldmaß: die Biolca hat 72 Tavole od. 288 Quadrate Cavezzi; Fruchtmaß: der Staro od. Stajo von 4 Quarti enthält 70,24 Liter; Flüssigkeitsmaß: der Barile Wein hat 20 Fiaschi à 2 Boccali, 1 Boccale = 1,0414 Liter; die Libbra hat 12 Once à 12 Ferlini; Gold-, Silber- u. Seidengewicht ist das bologneser Pfund = 361,85 Gramm; Medicinalgewicht: die modenesische Libbra. Hauptstadt: Modena.

Modena gehörte früher zum Exarchat (s.d.) u. kam dann zu Toscana, 1092 riß es sich mit Ferrara von der Mathildischen Herrschaft los u. hatte mit Ferrara dieselben Herrscher, erst aus dem Hause Torelli, dann aus dem Hause Este (s. Ferrara, Gesch.). Als 1597 die legitimen Herzöge von Ferrara mit Alfons II. ausstarben, war aus der Familie noch Cäsar von Este übrig. Dieser war der Sohn von Alfons, einem Sohn des Herzogs Alfons I. aus morganatischer Ehe mit Laura Eustochia, einer Bürgerstochter ans Ferrara. Alfons II. hatte seinen Vetter Cäsar schon bei Lebzeiten mit Bewilligung des Kaisers zu seinem Nachfolger bestimmt, aber nach seinem Tode erhielt derselbe nur M., Reggio u. Carpi, indem der Papst Clemens VIII. das Herzogthum Ferrara als erledigtes Lehn der päpstlichen Kammer einzog. Cäsar nahm seine Residenz in M. u. st. 1628. Er ist der Stammvater der Herzöge von M. Ihm folgte sein Sohn Alfons I. (III.), der 1629 in ein Kloster ging (wo er 1644 starb) u. die Regierung seinem Sohne Franz I. überließ. Um sich im Mantuanischen Erbfolgekriege zu sichern, erbaute er bei M. eine Citadelle. Für die Hülfe, welche er Spanien in diesem Kriege leistete, erhielt er 1633 vom Kaiser Ferdinand das Fürstenthum Correggio in Lehn, welches er von Spanien gekauft hatte; 1636 griff er, mit Spanien verbunden, Parma an. Unzufrieden mit den Spaniern, die sich weigerten, ihre Besatzung aus Correggio zu ziehen, trat Franz 1647 auf die Seite der Franzosen, aber der Marquis von Caracena fiel mit spanischen Truppen ins Modenesische ein u. Franz mußte 1649 Frieden schließen; 1655 wurde er von Neuem mit den Spaniern in Krieg verwickelt, in dem ihn Frankreich u. Savoyen unterstützten, u. st. 1658. Sein Sohn Alfons II. (IV.) entsagte bald der Verbindung mit Frankreich, u. im Pyrenäischen Frieden 1659 wurde ihm zugesichert, daß Spanien seine Besatzung aus Correggio ziehen u. den Kaiser vermögen sollte, ihn damit zu belehnen. Er st. 1062, u. ihm folgte sein zweijähriger Sohn Franz II. unter der Vormundschaft seiner Mutter, Laura Martinozzi. 1674 übernahm er die Regierung selbst, begünstigte Künste u. Wissenschaften (er gründete die Universität zu M.) u. st. 1094 ohne Nachkommen, deshalb folgte ihm sein Vatersbruder, der Cardinal Reinald; ihn bestätigte 1698 der Kaiser im Besitz von Correggio, welches ihm Gilbert, ein Nachkomme der alten Fürsten dieses Hauses, streitig gemacht hatte. Nachdem er 1703 von den Franzosen vertrieben worden war, wurde M. von einem französischen Gouverneur verwaltet, doch wurden durch die Kaiserlichen die Franzosen 1706 wieder vertrieben, u. Reinald kehrte 1707 nach M. zurück. 1710 kaufte er das vom Kaiser confiscirte Herzogthum Mirandola; mußte 1734 noch[341] einmal vor den Franzosen u. Spaniern nach Bologna fliehen u. kehrte 1736, nach der Befreiung seiner Staaten von den Feinden, nach M. zurück. 1737 wurde er vom Kaiser mit dem, durch den Tod des Grafen Philipp von Gonzaga erledigten Herzogthum Novellara belehnt u. starb in demselben Jahre. Sein Sohn Franz III. Maria folgte ihm; 1742 erklärte er sich in dem Kriege zwischen Österreich u. Spanien für neutral; da die Österreicher verlangten, daß er sich für sie erklären sollte, so machte der König von Sardinien einen Einfall in das Modenesische; der Herzog floh nach Wien u. M. ergab sich den Feinden. In Folge des Aachner Friedens kehrte Franz III. 1748 nach M. zurück, wurde 1753 Vicegouverneur der österreichischen Besitzungen in der Lombardei u. st. 1780. Sein Sohn Hercules III. Reinald hatte sich 1741 mit der Erbin des Herzogthums Massa u. Carrara, Maria Theresia von Cibo-Malaspina, vermählt, verlor aber im October 1796 sein Land an die Franzosen, welches diese mit zu dem Cisalpinischen Bunde schlugen, s. Französischer Revolutionskrieg III. B) u. Italien (Gesch.) VI., u. erhielt dafür durch den Lüneviller Frieden 1801 den Breisgau. Seine einzige Tochter u. Erbin, Maria Beatrice von Este, war seit 1771 mit dem Erzherzog Ferdinand von Österreich, einem Bruder der Kaiser Joseph II. u. Leopold II., vermählt; diesem überließ er bald darauf die Regierung des Breisgaus u. st. 1803 zu Treviso. Allein Ferdinand, Herzog von Modena-Breisgau, welcher Napoleon nicht als Kaiser der Franzosen anerkennen wollte, verlor 1805 durch den Presburger Frieden auch den Breisgau wieder u. st. 1806.

Sein Sohn Franz IV. gelangte 1814 zum Besitz der großväterlichen Staaten, auch in Italien, vermöge der seinem Vater vom Kaiser erth. ilten eventuellen Belehnung, u. wurde durch den Wiener Congreß darin bestätigt. Er nahm den Namen Este an u. wurde dadurch der Stifter eines neuen Stammes dieses Hauses, des Hauses Österreich-Este. Um dieselbe Zeit trat auch seine Mutter, Maria Beatrix, die Regierung ihres, als weibliches Besitzthum schon nach der Mutter Tode 1790 ererbten Herzogthums Massa u. Carrara an, wozu der Congreß noch die Lehn in der Lunigiana fügte, mit der Bestimmung, daß nach ihrem Tode alle drei an ihren Sohn kommen sollten. Am 14. Nov. 1829 starb Maria Beatrix u. Franz IV. trat auch hier die Regierung an. Voll Widerwillen gegen alle Einrichtungen, die aus der fr anzösischen Zeit stammten, hatte er dieselben nach seinem Regierungsantritt aufgehoben u. alles wieder auf den alten Fuß gesetzt. Darum war der Sitz der Unzufriedenheit u. der geheimen Gesellschaften Oberitaliens, nächst dem Gebiete der päpstlichen Legationen, bes. in M. Als 1830 die Julirevolution in Frankreich ausbrach, war der Herzog Franz IV. der einzige Fürst, welcher den König Ludwig Philipp nicht anerkannte. Zu Anfang Februar 1831 brach ein Aufstand in M. aus, in dessen Folge der Herzog den 4. Februar nach Mantua, dann nach Vicenza u. endlich nach Wien floh. Gegen die Handlungen der provisorischen Regierung, die nach des Herzogs Flucht in M. eingesetzt worden war, protestirte er u. kehrte am 9. März, nachdem die Österreicher M. besetzt hatten, zurück. Über die Theilnehmer an dem Aufstande wurde ein schweres Gericht gehalten u. gleichzeitig den, seit 1795 etwas begünstigten Juden mehre Freiheiten genommen. Die Jahre 1832 bis 1835 vergingen unter fortwährenden Verschwörungsgerüchten u. Untersuchungen deshalb, welche meist blutig endigten. 1841 erhielt der Malteserorden das Recht Komthureien in M. zu errichten; die Jesuiten waren schon 1814 wieder zurückgeführt. Beim Tode der Wittwe Napoleons, Marie Luise, im Jahre 1844, kam in Folge des Pariser Vertrags vom Jahre 1817 u. der Florentiner Convention das Herzogthum Guastalla an M., wodurch dasselbe eine Gebietsvermehrung von 5,7 QM. u. nahe an 51,000 Ew. erhielt.

Wie in allen andern italienischen Staaten, so bezeichnete auch in M. das Jahr 1846 den Anfangspunkt einer neuen Zeit. Der Herzog Franz IV. st. am 20. Jan. 1846, sein Sohn, Franz V., blieb vorerst dem Regierungssystem seines Vaters treu, kam aber dadurch auch mit seinem Volk um so schneller in Differenzen, je entschiedener er seinen Widerwillen gegen die, in ganz Italen mit Freude aufgenommenen Reformen im Kirchenstaate zu erkennen gab. Noch größer wurde die Mißstimmung unter einem Theile der Bevölkerung M-s, als in Folge der Abdankung des Herzogs von Lucca am 15. Sept. 1847 Lucca an Toscana fiel, Toscana aber dafür, nach den Wiener Verträgen u. einer Vereinbarung von 1844 zwischen M. u. Toscana, Fivizzano an M, abtreten sollte. Während sich Fivizzano weigerte, sich der modenesischen Regierung zu unterwerfen, ließ die Regierung von M. von dem Lande militärisch Besitz ergreifen u. erhielt dasselbe nach einigen Verhandlungen von Toscana im December übergeben. Inzwischen hatte der Geist der Unzufriedenheit in M. selbst so sehr zugenommen, daß der Herzog zu seiner Sicherheit österreichische Hülfe anrief, worauf M. u. Reggio mit österreichischen Truppen besetzt wurden. Da dessenungeachtet die Städte M-s noch von tumultuarischen Auftritten erfüllt waren, so wurden die österreichischen Hülfstruppen verstärkt, u. die Besetzung des Herzogthums M. durch den Abschluß eines Schutz- u. Trutzvertrags zwischen den Herzögen von Parma u. M. mit Österreich (Februar 1848) erhielt ihre weitere Sanction. Als im März 1848 die Revolution in Österreich selbst ausbrach, verließ der Herzog Franz V. vor den Unzufriedenen sein Land. Gleich darauf, am 24. März, traf dann unter dem Grafen Livio Zambeccari von Bologna eine Freiwilligencolonne in der Stadt M. ein, u. unter deren Beihülfe wurde nun nicht blos die vom Herzog zurückgelassene Regentschaft aufgelöst, sondern auch eine provisorische Regierung ernannt u. von derselben am 29. Mai der Anschluß an Sardinien proclamirt. Aber schon am 18. u. 19. Juli kam es, in Folge der unglücklichen Kriegführung Karl Alberts, in M. selbst zu bedeutenden Unruhen, wo die republikanische u. die österreichische Partei mit einander gemeinschaftliche Sache machten. Der Sieg der Österreicher bei Custozza am 25. Juli brachte die Revolutionspartei in M. vom Ruder, u. der Herzog Franz kehrte am 10. August in Begleitung österreichischer Truppen in sein Land zurück, nachdem er unterm 8. August von Mantua aus eine Proclamation erlassen hatte, in welcher er das Versprechen gab, sich unverzüglich mit den Zugeständnissen beschäftigen zu wollen, die er zu machen geneigt sei. Nach seiner Rückkehr erließ. der Herzog eine sehr limitirte Amnestie. Trotz der umfangreichsten militärischen Vorkehrungen dauerten die öffentlichen Unruhen fort, u.[342] am 18. November wurde sogar von dem Gutsbesitzer Rizzali ein Mordversuch gegen den Herzog gemacht. Als beim Wiederausbruch des Krieges zwischen Sardinien u. Österreich im März 1849 die Österreicher ihre Truppen aus M. zogen, verließ der Herzog am 14. März die Residenz wieder u. begab sich nach Brescello, das Ministerium führte die Geschäfte in M. unter dem Schutze eines Bataillons Österreicher u. Modenesen, welche in der Citadelle standen, fort. Im Mai kehrte der Herzog nach M. zurück. Wenn auch von Seiten der Regierung Manches geschah, wodurch ein allmäliger Fortschritt in der Verwaltung des Staates angebahnt wurde, so wirkte doch das Zurückkehren zu dem alten System auf die öffentlichen Zustände des Landes wieder so nachtheilig ein, daß die Regierung ihre Stütze nur in einer die materiellen Kräfte des Staats weit übersteigenden Militärmacht u. in dem engsten Anhalt an Österreich finden konnte. Durch Vertrag vom 26. August 1851 trat M. dem von Österreich, Preußen, Baiern u. Sachsen am 25. Juli 1850 abgeschlossenen Telegraphenverein bei; ebenso am 14. Januar 1852 dem von Österreich begründeten italienischen Postverein, u. im April 1853 erklärten Parma u. M. ihren Beitritt zum preußisch-österreichischen Handels- u. Zollvertrag vom 19. Febr. 1853. Bei der Ausführung des von der österreichischen Regierung ausgehenden Planes der Erbauung einer italienischen Centraleisenbahn betheiligte sich neben Österreich, dem Kirchenstaat, Toscana u. Parma auch M. In Bezug auf die politischen Verhältnisse litt M., wie die übrigen italienischen Staaten, fortwährend unter dem Einfluß revolutionärer Bewegungen, welche jedoch Frankreich u. Österreich auch hier gemeinschaftlich zu unterdrücken bemüht waren. Nach einigen politischen Morden im Frühjahr 1856 versuchte am 26. Juli ein Haufen Bewaffneter, die aus Piemont über die Grenze kamen, einen Aufstand; sie setzten sich in Besitz von vier Zollposten, flohen aber beim Anrücken von Truppen wieder aufs sardinische Gebiet. Der streng durchgeführte doctrinäre Absolutismus auf der einen Seite, u. die Wühlereien der geheimen Gesellschaften auf der andern ließen die öffentlichen Zustände weder im Innern noch nach Außen zu einer gedeihlichen Ruhe kommen. Das in Massa niedergesetzte Kriegsgericht verurtheilte viele Personen wegen Theilnahme an geheimen Gesellschaften od. wegen des Besitzes von Waffen zum Zuchthause od. zu Galeerenstrafe, jedoch milderte der Herzog meist die Urtheile u. hob zuletzt am 22. Dec. 1856 den Kriegszustand auf. Sofort begannen auch wieder Reibungen zwischen Bürgern u. Soldaten, so daß bereits am 30. Sept. 1857 der Kriegszustand von Neuem erklärt wurde. Am 2. Juli 1857 kam Pius IX. selbst nach Modena u. kehrte mit der Überzeugung nach Rom zurück, daß die Regierung des Herzogs stets mit der des päpstlichen Stuhles u. der österreichischen Hand in Hand gehen werde. Ein Decret vom 2. Mai 1858 setzte fest, daß alle modenesischen Staatsunterthanen auswärtige Schulen u. Universitäten nur mit Erlaubniß des Herzogs besuchen dürften. Mit derselben Strenge verfuhr Herzog Franz V. in seinen Beziehungen zum Auslande, u. wie er das französische Kaiserreich nicht anerkannte, so verbot er auch das Tragen der vom Kaiser der Franzosen gestifteten Helenamedaille. Die Spannung, welche in. den Verhältnissen zu Sardinien eingetreten war, nahm zu, seitdem die sardinische Regierung sich weigerte, politische Verbrecher auszuliefern, obwohl sie nach einen Vertrag von 1817 dazu verpflichtet war u. dies auch bis 1848 anerkannt hatte. Schon im Februar 1859 hatten Piemontesen einen feindlichen Einfall gemacht, waren jedoch von den modenesischen Truppen zurückgeschlagen worden; als aber Ende Aprils der Krieg in Oberitalien ausbrach, die französischen Hülfstruppen in Genua anlangten u. Freischaaren von Flüchtlingen u. Piemontesen von Neuem eindrangen, zog der Herzog seine Truppen aus Massa u. Carrara zurück, welche Provinzen sofort von sardinischen Beamten in Besitz genommen wurden. Bald darauf erklärte die sardinische Regierung in öffentlichen Blättern, daß sie gegen den Herzog Krieg führe, weil derselbe zu Gunsten Österreichs seiner Souveränetät sich entäußert u. auf seinem Gebiete österreichische Truppen aufgenommen habe, worauf der Herzog erwiderte, daß zwischen ihm u. Österreich lediglich ein Schutzvertrag bestände, mit Hilfe dessen er wieder in Besitz des ihm geraubten Gebietes zu gelangen hoffe. Trotz des österreichischen Schutzes fiel Reggio ab u. erklärte sich für Sardinien, so daß der Herzog mit dem größten Theile seiner Truppen, gegen 4000 Mann, die Hauptstadt verließ u. sich den Österreichern in der Lombardei anschloß, nachdem er am 11. Juni eine Regentschaft eingesetzt u. die Errichtung einer städtischen Sicherheitswache angeordnet hatte. Die nationale Partei proclamirte hierauf Victor Emmanuel als Regenten des Landes, der an seine Stelle vorläufig mit dictatorischer Gewalt den piemontesischen Abgeordneten Farini hinsandte. Unter dessen Leitung wurde eine Landesversammlung vom Volke gewählt u. ihre Sitzungen am 17. August eröffnet, welche im Widerspruch mit den zwischen Österreich u. Frankreich vereinbarten Friedensbestimmungen die Vereinigung M-s mit dem Königreiche Sardinien, die einstweilige Fortdauer von Farini's Dictatur, die Entthronung des Hauses Österreich-Lothringen-Este u. den Ausschluß jedes Mitgliedes des Hauses Österreich-Lothringen beschlossen. Auch die modenesische Geistlichkeit erklärte sich mit sehr vereinzelten Ausnahmen offen für Victor Emmanuel. Die Jesuiten, welche vom Herzog ganz besonders gehegt worden waren, wurden verbannt u. die Güter, deren Nutznießung ihnen eingeräumt worden war, verpachtet. Am 15. Sept. 1859 überbrachten Abgeordnete von M., Parma, Toscana u. der Romagna, welche sämmtlich von ihren bisherigen Herrschern sich losgesagt hatten, persönlich die Wünsche ihrer Bevölkerungen, mit dem Königreiche Sardinien vereinigt zu werden, nach Turin vor König Victor Emmanuel, welcher darauf antwortete, daß er sich der Rechte, die ihm durch den Willen des Volkes verliehen würden, bedienen werde, um ihre gerechte Sache vor den Großmächten zu unterstützen. Noch schwebten die Verhandlungen zwischen Österreich einer- u. Frankreich mit Sardinien andrerseits über den italienischen Frieden, dessen vorläufig angenommene Bedingungen die Wiedereinsetzung der vertriebenen Fürsten verlangten, u. auch in dem Friedensvertrage zwischen Frankreich u. Österreich von Zürich den 10. Novbr. 1859 blieben noch die Rechte des Großherzogs von Toscana u. der Herzöge von Modena u. von Parma vorbehalten. Unter. diesen Umständen trugen die einstweiligen Regierungen von M., Parma, Toscana u. der Romagna darauf an, daß der sardinische Prinz [343] Carignan die Regentschaft über diese sämmtlichen mittelitalischen Staaten übernehmen solle, bis die vollständige Vereinigung mit Sardinien möglich sein werde. Dieser lehnte zwar ab, empfahl aber den Ritter Buoncampagni, welcher auch als Generalgouverneur im Namen Victor Emanuels an die Spitze trat, M., Parma u. die Romagna unter dem Namen der Ämilischen Provinz u. Toscana unter eine einzige Verwaltung stellte, die sardinische Verfassung als Gesetz in Kraft treten ließ u. Alles zu einer Einverleibung in die constitutionelle Monarchie des Hauses Savoyen vorbereitete. Auch das Gesetz über die Wahl zum sardinischen Parlament wurde in Wirksamkeit gesetzt, wonach die Romagna, Parma u. M. 70 Abgeordnete hinein zu wählen hatte. In Folge der Beschwerden der jüdischen Eltern Mortara u. nachdem die Regierung die Überzeugung gewann, daß die Entführung des Knaben Mortara durch den Inquisitor Faletti angeordnet worden war, wurde derselbe verhaftet u. die Untersuchung auf Kinderaub gegen ihn eingeleitet. Auch den geflohenen Herzog lud die revolutionäre Regierung vor Gericht, um Rede zu stehen wegen Benutzung u. Wegführung von Geldern u. Sachen, welche als Eigenthum des Landes beansprucht wurden. Schließlich verständigte sich das Turiner Cabinet mit dem Kaiser von Frankreich dahin, daß Toscana u. die Ämilische Provinz mit Sardinien, u. Savoyen u. Nizza mit Frankreich vereinigt werden sollten, nachdem vorher die Bevölkerungen darüber befragt in der Mehrheit ihre Zustimmung ausgesprochen hätten. Dies geschah zu Anfang März 1860 in den Estensischen Ländern mit überwiegender Mehrheit, so daß von da an auf Grund der Volksabstimmung u. unter dem Schutze Frankreichs M. einen Theil des Königreichs Sardinien bildete, während der Herzog mit seinen Truppen in dem österreichischen Staate steh aufhielt. Vgl. Muratori, Delle antichtà estensi ed italiane, Mod. 1717 ff., 2 Bde.; Tiraboschi, Memories toriche modenesi col codice diplomatico, ebd. 1811, 9 Bde.; Roncaglia, Statistica generale degli stati estensi, ebd. 1829 f., 2 Bde.; Campori, Annuario storico modenese, ebd. 1851; Scharfenberg, Geschichte des Herzogthums M., Mainz 1859.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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