Varioloiden

Varioloiden

Varioloiden (Varioloides, Variolae modificatae), diejenige Form der Pocken, welche bei einem Individuum, das bereits früher die Kuhpocken, od. auch die echten Pocken überstanden hatte u. aufs Neue von dem Pockencontagium angesteckt wird, ausbricht u. mannichfache Abänderung im Verlaufe der Krankheit, weniger in der Form der Blatter, im Vergleich mit dem der echten Pocken zeigt. Die V. kommen am häufigsten in dem jugendlichen Lebensalter vor, nach der Pubertät, aber auch bei Kindern, öfters bei denen, welche vor langer Zeit, aber auch bei denen, welche erst vor Kurzem vaccinirt worden waren, ja sie können eine u. dieselbe Person mehre Mal befallen. Sie unterscheiden sich von den echten Pocken durch einen rascheren Verlauf, durch Ausbleiben des Eiterungsfiebers, durch die geringe Heftigkeit der Zufälle. Die Symptome des Ausbruchsstadiums sind oft sehr unbedeutend u. halten eine kürzere Zeit an, als in den natürlichen Pocken, bisweilen sind sie aber auch sehr heftig, u. doch erscheinen oft nur wenige Pusteln auf der Haut, welche innerhalb 4–5 Tagen austrocknen u. nach deren Ausbruch der Sturm sich beruhigt u. Reconvalescenz eintritt. Die Eruption beginnt nicht immer im Gesicht zuerst, sondern oft an den Extremitäten, od. erscheint gleichzeitig an verschiedenen Stellen. Sie ist meist sparsam, bisweilen aber ist auch der ganze Körper von Pusteln bedeckt. Ost folgen dem Hauptausbruch auch noch spätere nach. Diese erscheinen zuerst als rothe Punkte, dann als rothe, harte, erhabene, aber weniger als bei den echten Pocken ausgebildete Knötchen, von denen einige wieder verschwinden, ohne in Bläschen od. Pusteln verwandelt zu werden, andere innerhalb 24 Stunden in Bläschen übergehen. Die Bläschen sind klein, spitzig u. enthalten eine milchartige Flüssigkeit; einige haben das Grübchen, wie bei den echten Pocken, andere nicht. In den meisten Fällen eröffnen sie sich, od. trocknen aus, u. zwar in Zeit von 2–3 Tagen. Kleine, runde, wenig anhängende Schorfe entstehen u. fallen in kurzer Zeit ab. Bisweilen umgibt sie ein rother Hof; bisweilen haben sie eine warzenartige Form mit an der Spitze zugespitzten Bläschen, Warzen- od. Hornpocken (V. verrucosae), manchmal sind sie blasenartig (V. pemphigodes). Wenn es zur Pustelbildung kommt, so geschieht dies oftmals innerhalb 24 Stunden. Die Pusteln sind rund u. klein, nicht ausgedehnt u. angespannt von Eiter, sondern fühlen sich weich u. welk an; einige sind spitzig, andere in der Mitte etwas vertieft. Innerhalb 1–4 Tagen wird der Eiter resorbirt, u. es bilden sich theils kleine, flache, runde, braune Schuppen, welche in kurzer Zeit abfallen, theils kleine, braune, sehr harte Grinder, welche fest u. lange sitzen bleiben. Wenn die Schorfe abgefallen sind, so bemerkt man öfters kleine, warzenartige Erhöhungen, welche langsam u. unter wiederholten Desquamationen verschwinden u. Narben zurücklassen, die aber ziemlich oberflächlich sind u. selten schwarze Punkte od. erhabene Linien zeigen. Selbst wenn sich deutliche Pusteln bilden u. diese sehr zahlreich sind, bemerkt man kaum eine Spur von Eiterungsfieber u. begleitenden Zufällen, Innerhalb 10–14 Tagen geht die Krankheit vorüber u. endigt sich fast immer glücklich. Bisweilen durchläuft die Krankheit auch bei Vaccinirten fast ganz in derselben Form, wie bei nicht vaccinirten u. zum ersten Male angesteckten Personen, alle Stadien u. wird sogar tödtlich. Zur Verhütung der V. hat man neuerdings die[366] wiederholte Kuhpockenimpfung, Revaccination, empfohlen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • Kuhpocke — (Schutzpocke, Vaccina, Variola vaccina, V. tutoria), ein auf dem menschlichen Körper durch Impfung (Vaccination) bewirktes, sehr gelind u. gefahrlos als eine mehr örtliche Krankheit verlaufendes Blatterexanthem, welches, wenn es in gehöriger Art… …   Pierer's Universal-Lexikon

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