Versteinerungen

Versteinerungen

Versteinerungen (früher Lapides figurati), alle in mineralische Substanzen verwandelten organischen Körper aus dem Thier- u. Pflanzenreiche od. deren Abdrücke im Gestein, demnach verschieden von den Incrustaten u. Naturspielen (s. b.). Die V. von vorweltlichen Pflanzen heißen Phytolithen; die von Säugethieren abstammenden Mammaliolithen, die von Knochen von Säugethieren Osteolithen, die von Vögeln Ornitholithen, die von Reptilien Amphibiolithen, die von Fischen Ichthyolithen (ihre Zähne Glossopetren), die von Würmern Helmintholithen, die von Muscheln Conchyliolithen etc. Auch versteinerte Excremente der Thierarten (Koprolithen) findet man oft in ihrer Umgebung. Die V. sind auf der ganzen Erde verbreitet, auf den höchsten Bergen (so nahe am Gipfel des Chimborasso), in den tiefsten Thälern, selbst in u. unter dem Meere finden sich dergleichen. Sie müssen daher durch eine, od. wahrscheinlich durch mehre Erdrevolutionen entstanden sein. Die Tiefe u. Höhe, in welcher man V. findet, ist sehr verschieden, indem die geschichteten Gesteine durch spätere fremde Einwirkungen von plutonischen Gebirgsarten sehr häufig eine bedeutende Veränderung in ihrem Niveau erleiden mußten. Bes. häufig finden sich V. größerer Thiere in den Flüssen Nordsibiriens, im Jenisei, der Lena etc. Auch in den Alluvialniederschlägen der Pampas, an den Ufern des Parana, in Uruguay etc. finden sich viele fossile Überreste, so die Knochen des Megatherium, des Mastodon, Toxodon, auch die eines gigantischen Lamas, gleich einem Kameel. Desgleichen in ganz Europa, bes. in Höhlen (bei Altenstein, Gailerreuth, auf dem Harz, Kirkdale etc.) u. in aufgeschwemmtem Land, bei Vienne in Frankreich (wo jeder zum Chausseebau verwendete Stein V. enthält), bei Kannstadt, Thiede, Solnhofen, in Derbyshire etc. Versteinerte Knochen vom Mammuth, Mastodon etc. werden oft von Fischern aus der Nordsee u. dem Kanal gezogen, wo sie sich in die Netze verwickeln u. ans Land gebracht werden. V. finden sich nur in den geschichteten Gebirgsarten, welche durch Gewässer abgesetzt werden, als im Sandstein, dem Kalke u. Schiefer, niemals aber in den massigen od. krystallinischen (plutonischen) Gesteinen. Schon in den ältesten Schichten zeigen sie sich, doch nehmen sie an Zahl u. Mannigfaltigkeit mit den jüngeren Schichten zu. In dem Übergangsgebirge finden sich bes. Farrenkräuter u. Sumpfpflanzen, später Schalthiere u. Korallen, in dem Flötzgebirge Muscheln, Fische, später Landthiere (bes. eierlegende) u. Strandgewächse, noch später, vielleicht nach einer vorhergegangenen, wahrscheinlich vulkanischen Revolution, wieder Seethiere, dann dicht unter dem Thon u. Lehm warmblütige Thiere, meist Dickhäuter. Gegenwärtig ist die Wissenschaft von den V. (Petrefactenkunde, Paläontologie) dem Geologen u. Geognosten eben so unentbehrlich als dem Zoologen u. Botaniker interessant, indem sich meist nur aus ihnen das Alter u. die Reihenfolge der verschiedenen Schichten bestimmen läßt. Denn es hat sich auf das Bestimmteste herausgestellt, daß jeder der verschiedenen Weltschöpfungsepochen verschiedenen Organismen angehörten, u. daß diese Organismen von denen der jetzigen Schöpfung gänzlich verschieden sind u. häufig Lücken zwischen noch lebenden Geschlechtern u. Familien ausfüllen. Die V. haben zu mehren Fabeln Anlaß gegeben. So dienten die V. oft im Alterthum u. bei den Neuern zu Amuletten, die Hindu achten noch heute gewisse V. heilig, die Numuliten geben in der Mark Veranlassung zu Sagen von verhextem Gelde, spanische Landleute trugen Terabrateln (Bauernpfennige) zum Schutz gegen die Cholera, die Yukagiren u. andere Völker Mittelasiens halten Rhinocerosknochen für Überreste eines Riesengreifen, im Anfang des 17. Jahrh. hielt man in der Dauphiné ausgegrabene Mastodonknochen für die Knochen des riesigen germanischen Königs Teutoboch, welcher 30 Fuß Höhe gehabt hätte; ähnliche, zu Luzern gefundene, hielt man für die Knochen gefallener Engel u. stellte sie feierlich auf; vom Himalaya mit Lawinen herabgestürzte Knochen erklärte man für vom Himmel gefallene Genienknochen. Scheuchzer beschrieb seinen Homo diluvii testis, während es nur ein Wels od. eine Eidechse war, u. I. B. A. Beringer ließ sich so täuschen, daß er nachgebildete monströse Thiere, Vögel mit Federn u. dgl. abbildete u. beschrieb, u. Betrüger stellten den in einem Wald bei Fontainebleau angeblich gefundenen Cavalier pétrifié aus Sandstein dem schaulustigen Pariser Publicum dar. Vgl. Urweltliche Thiere u. Pflanzen. Künstliche V. lassen sich nach Baldacconi mittelst Ammonium-Quecksilberchlorid (Alembrothsalz = Hg Cl + Am Cl + HO) darstellen. Die in eine Auflösung dieses Doppelsalzes gebrachten Körper schwimmen zuerst auf der Oberfläche, sinken aber immer tiefer u. nach wenigen Tagen bis ganz auf den Boden. In diesem gesättigten Zustande herausgenommen, zeigen sie sich steinhart, so daß sie geschliffen werden können, dem Hammer widerstehen u. beim Anschlagen einen Metallklang geben. Die so behandelten Körper behalten ihre natürliche Farbe u. wechseln diese auch später nicht. Das Museum in Paris besitzt viele in solcher Weise versteinerte Präparate, darunter Thiere mit weißem, gallertartigem Körper, welche auf anderem Wege sehr schwer u. doch nicht so gut zu präpariren sind.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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