Wasserstoß

Wasserstoß

Wasserstoß, die Kraft, mit welcher ein fließendes Wasser gegen einen ihm entgegenstehenden Körper stößt; von dem W-e unterscheidet sich der Widerstand, welchen das Wasser einem in ihm sich bewegenden Körper entgegensetzt, nicht wesentlich. Der W. erfolgt entweder gegen ruhende od. bewegte Körper, gegen ebene od. krumme Flächen, ist ein gerader od. schiefer Stoß u. läßt sich noch eintheilen in den Stoß isolirter Strahlen, Stoß im begrenzten u. Stoß im unbegrenzten Wasser, a) W. isolirter Strahlen. Trifft ein mit der Geschwindigkeit c fließender Wasserstrom eine mit der Geschwindigkeit v in ihrer Achsenrichtung ausweichende Rotationsfläche genau in der Achsenrichtung, so hat der dem stoßenden Wassergewichte G entsprechende W. P in der Achsenrichtung die Größe

Wasserstoß

wobei g die Beschleunigung des freien Falls u. w den Winkel gegen die Achse bedeutet, unter welchem das Wasser von der Fläche abfließt; das zum Stoße gelangende Wassergewicht ist aber G = γf(c-v), wenn f den Strahlquerschnitt u. γ das Gewicht eines Cubikfußes Wasser bezeichnet. Der Stoß gegen eine ruhende ebene Fläche (die mindestens sechsmal so groß ist als der Strahlquerschnitt f) ist demnach

Wasserstoß

d.h. = dem doppelten Gewichte einer Wassersäule, welche zur Grundfläche den Strahlquerschnitt u. zur Höhe die Geschwindigkeitshöhe

Wasserstoß

hat. Die mechanische Leistung dieses W-s ist L = Pv; sie wird, falls G als unveränderlich angesehen wird, am größten, wenn v(c-v) ein Maximum, d.h. v=1/2c ist. b) Beim W. im begrenzten Wasser, z.B. in einem Gerinne, ist dem Wasser durch die Gerinnwände das Abstießen nach einer od. mehren Seiten unmöglich gemacht, es kann daher nur nach dem uneingefaßten Theil der gestoßenen Fläche abfließen, u. der gerade Stoß gegen eine ebene Fläche ist daher

Wasserstoß

u. die auf die Fläche übertragene Leistung L = Pv. Auf eine auf drei Seiten eingefaßte Ebene übt ein unter dem Winkel w (also schief) stoßender Wasserstrahl in Richtung des Strahls den W.

Wasserstoß

aus. Diese Formeln sind für die Theorie der Wasserräder von besonderer Wichtigkeit. Kann beim schiefen Stoß unter dem Winkel w das Wasser nach zwei entgegengesetzten Seiten hin abfließen, so ist der Parallelstoß (in Richtung des Strahls)

Wasserstoß

u. der Normalstoß (normal zur gestoßenen Ebene)

Wasserstoß

Beim schiefen Stoß des isolirten Strahls kann das Wasser nach allen Seiten hin abfließen, u. man hat dann für den Parallelstoß die Formel

Wasserstoß

Weicht in den vorliegenden Fällen die gestoßene Fläche mit der Geschwindigkeit v in einer Richtung aus, welche mit der ursprünglichen Strahlrichtung den Winkel u. macht, so hat man v cos u. anstatt v in die Formeln einzusetzen, c) Der W. im unbegrenzten Wasser, z.B. gegen Brückenpfeiler in einem Flusse, ist abhängig von Form u. Größe des gestoßenen Körpers u. von der Dichte u. Geschwindigkeit der stoßenden Flüssigkeit; er läßt sich der Differenz zwischen dem Druck auf die Vorderfläche u. dem Druck auf die Hinterfläche gleich setzen u. nach der Formel

Wasserstoß

berechnen, wobei u. eine durch den Versuch zu bestimmende [923] Zahl ist. Werden Steine u. Felsblöcke vom W. fortgerissen, so läßt sich die gestoßene Fläche dem Quadrat ihrer Durchmesser proportional setzen, wenn ihre Masse dem Cubus derselben proportional genommen wird. Dabei ist noch des specifische Gewicht, der Körper u. ihr Gewichtsverlust im Wasser in Anschlag zu bringen. So hat man gefunden, daß Wasser acht Fuß Geschwindigkeit in einer Secunde haben muß, um Steine von einem Fuß Durchmesser fortzustoßen, u. daß die Geschwindigkeit des Wassers den Quadratwurzeln der Durchmesser der fortzustoßenden Körper proportional zunehmen muß. Zur bloßen Fortrollung ist eine geringere Geschwindigkeit hinreichend. Hierauf beruht der Proceß des Schlämmens gepochter Erze, die Goldwäsche, das Treiben unterschlächtiger Wasserräder an Mühlen u.a.m. Bei letzteren muß die Kraftäußerung des fließenden Wassers um so geringer sein, je schneller die Bewegung des Rades ist; daher gibt man den Rädern eine geringere Geschwindigkeit, läßt dagegen das Wasser mit umsoviel größerer Kraft gegen die Radschaufeln wirken. Die angeführten Gesetze müssen sich nun auch umgekehrt auf Körper anwenden lassen, welche gegen das Wasser einen Stoß ausüben. Namentlich gehören die Ruder u. Schiffe hieher. Es erleiden aber hier diese Gesetze manche Abänderungen, weil in der Regel der bewegende Körper gegen eine weit größere Wassermasse stößt. Nach obiger Formel muß die durch den Ruderschlag erzeugte Kraft zur Fortbewegung eines Kahns der Größe der Ruderfläche, dem Quadrate der Geschwindigkeit, womit es bewegt wird, u. der Größe des Sinus des Winkels, in welchem es gegen das Wasser stößt, proportional sein. Bei Dampfschiffen muß durch die Kraft der bewegten Räder (durch den Widerstand, welchen das Wasser den Schaufeln entgegensetzt), der Widerstand des Schiffes überwunden werden, u. für beide ist die erzeugte Kraft dem Quadrate der Geschwindigkeit proportional, wobei auch die mit dem Schiffe od. gegen dasselbe stattfindende Bewegung des Wassers jener Geschwindigkeit der Schaufeln beziehendlich addirt od. subtrahirt werden muß.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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