Westpreußen

Westpreußen

Westpreußen, der westliche Theil der preußischen Provinz Preußen, umfaßt das frühere W.[135] nebst einem Theil des Netzedistrictes, liegt zwischen der Ostsee, Ostpreußen, Posen, Brandenburg u. Pommern u. begreift die beiden Regierungsbezirke Danzig u. Marienwerder; 471,69 QM. Es bildet eine blos von höheren Flußufern u. wenigen Anhöhen (Schöneberger Berggruppe mit dem 1020 Fuß hohen Thürmberge, Höhen von Oliva bei Danzig mit dem 272 Fuß hohen Karlsberge) unterbrochene Ebene, deren Boden in den Niederungen sehr fett, auf der Höhe theils fruchtbar mit vorherrschendem Sind, theils mit Heiden (bes. die 9 Meilen lange Tuchler od. Konitzer Heide) u. Morästen bedeckt ist. Die Ostsee macht hier das Putziger Wieck, vom Frischen Hasse gehört der westliche Theil zu W. Flüsse sind die Weichsel, welche rechts die Drewenz mit Welle, die Ossa, Nogat mit der Liele, links die Braa, das Schwarzwasser, die Ferse u. Mottlau mit der Radaune aufnimmt, die Küddow u.a.; Kanäle der Vorfluths- u. Kraffulkanal. Von den zahlreichen Landseen sind die größten der Radaunesee, Wdzydzesee, Drausensee u. Geserich, welche beide letztere theilweise hierher gehören. An Producten liefert W. viel Getreide, Hülsenfrüchte, Ölgewächse, Flachs, Tabak, Obst, Holz (die Tuchler Heide hat einen fast 15 Meilen langen Kiefernwald), Vieh, Bienen, Fische (Störe, Caviarbereitung), viel Torf, Bernstein etc. Die Einwohner (im Jahr 1858: 1,135,658) sind größtentheils Deutsche (789,283), außerdem Polai (174,408) u. Masuren (171,667), den Confessionen nach: 565,553 Evangelische, 531,621 Katholiken, 11,536 Mennoniten, 1039 Dissidenten u. 25,899 Israeliten; sie wohnen in 54 Städten, 8 Marktflecken, 2471 Dörfern etc. Sie beschäftigen sich mit Ackerbau, Viehzucht, bes. Pferde- u. Rindviehzucht, Bienenzucht, Fischerei, Waldgeweben; die Industrie liefert Garn, Leinwand, Wolwaaren, Tuch, Segeltuch, Watte, Leder, Papier, Eisen- u. Blechwaaren, Maschinen, Gold-, Silber-, Bernsteinwaaren, Schiffszwieback, Liqueure (Danziger- od. Goldwasser), Zucker, Stärke, Theer, chemische Producte, Pottasche, Cichorien, Tabak, Schiffe (große Schiffswerfte in Danzig). Der Handel wird durch die Ostsee, die Weichsel u. die preußische Ostbahn (Kreuz-Bromberg-Danzig, mit Zweigbahn Bromberg-Thorn) mit Fortsetzung nach Marienburg-Königsberg etc. gefördert u. vertreibt bes. Holz, Getreide, Vieh, Leinwand; Haupthandelsplatz ist Danzig; Festungen sind Danzis., Thorn u. Graudenz; Seebäder in Zoppot u. Kauberg. Von Unterrichtsanstalten bestehen 8 Gymnasien (die fünf evangelischen in Danzig, Murienburg, Elbing, Marienwerder u. Thorn, die drei katholischen in Kulm, Konitz u. Deutsch-Krone), Progymnasium in Neustadt, sechs höhere Bürurschulen, Provinzialgewerbeschule, Handelsschule, Kunst- u. Handwerksschule, Navigationsschule, sämmtliche in Danzig, Feldmesserschule in Stargard, kaholisches Priesterseminar in Pelplin, evangelisches Schullehrerseminar in Marienburg, katholisches Schullehrerseminar in Graudenz, Cadettenhaus in Kulm, Kunst- u. landwirthschaftlicher Centralverein u. Danzig etc. Eintheilung in zwei Regierungsbezirke: Danzig u. Marienwerder, deren Provinzialregierungen unter dem Oberpräsidium in Königsberg stehen, Über die Provinzialstände s. Ostpreußen.

In der ältesten Zeit war der Landstrich, welcher jetzt den Namen W. führt, unabhängig u. von heidnischen Stämmen bewohnt, welche von den Christen, bes. von den Polen, oft angegriffen wurden, bis endlich der zu Hülfe gerufene Deutsche Orden (s.d. S. 921 u. Preußen S. 520) sich 1230 W-s bemächtigte. Der Orden führte nun die Herrschaft über das Land bis 1466, wo er, durch eigene Schuld geschwächt, ganz W. in den Frieden von Thorn an die Krone Polen abtreten mußte (s. Preußen S. 525). W. gehörte nun als Polnisch Preußen od. Herzogthum Preußen zu Polen, doch bildete es dabei einen besonderen Staat u. hatte mit Polen nichts als den König gemein, war aber mit der Krone durch ein gewisses Bündniß verknüpft. Ohne Zuziehung der Stände, welche sich in geistliche u. weltliche, letztere wieder in adelige u. bürgerliche, theilten, konnte der König nichts in Sachen des Landes vornehmen. Es bestand aus den vier Landschaften: Kleinpommern (Pommerellen), dem Kulmer Land, dem Marienburgischen Gebiete u. dem Bisthum Ermeland, zusammen etwa 600 (556) QM. Nach Abtretung dieses Polnisch Preußen 1773 an das Königreich Preußen wurde der damals von Polen abgetretene Landstrich diesseit u. jenseit der Netze, welcher nun den Namen des Netzedistrictes erhielt, zu W. geschlagen u. in die drei Kreise Krone, Bromberg u. Inowraclaw getheilt. Etwas später wurde das Bisthum Ermeland zu Ostpreußen u. dagegen ein Theil des ostpreußischen Oberlandes (der Kreis Marienwerder) zu W. gezogen, welches nun das eigentliche W. (Westpreußisches Kammerdepartement) mit den Kreisen Marienwerder, Marienburg, Kulm, Michelau, Dirschau, Stargard u. Konitz u. das Westpreußische Kammerdeputationsdepartement (Netzdistrict) mit den Kreisen Bromberg, Inowradlaw, Krone bildete u. 631 QM. enthielt, u. wozu erst bei der zweiten Theilung Polens 1793 noch die beiden Städte Danzig u. Thorn mit Gebieten kamen. Der Tilsiter Frieden 1807 nahm dem preußischen Staate einen Theil des eigentlichen W-s u. das Meiste von dem Netzdistrict mit Danzig u. Thorn, etwa 253 QM. Dieser abgetretene Theil bildete hierauf das Departement Bromberg des neuen Herzogthums Warschau; Danzig aber mit einem kleinen Gebiete wurde Freistaat, so daß jetzt W. nur noch aus den Kreisen Marienwerder, Marienburg, Stargard u. Konin u. aus Theilen der Kreise Kulm u. Dirschau u. einem Stück des Netzdistrictes bestand. Zu Folge des Wiener Congresses 1815 kamen diese Abtretungen wieder an Preußen, welches dieselben wieder mit W. vereinigte, mit Ausnahme desjenigen Theiles vom Netzdistrict, welcher seit dem Tilsiter Frieden zu Warschau gehört hatte u. nun zu der neu gebildeten Provinz Posen geschlagen wurde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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