Zahnarzneikunde

Zahnarzneikunde

Zahnarzneikunde, ein Theil der Chirurgie, welcher sich mit dem Baue, der Entwickelung der Zähne im Allgemeinen, mit der gehörigen Pflege gesunder Zähne (Zahndiätetik), so wie mit der Erkennung u. Behandlung (Zahnarzneikunst) kranker Zähne beschäftigt. Einer, welcher sich mit der Z. ausschließlich beschäftigt, heißt Zahnarzt (Dentist). I. Zahndiätetik. Zur Erhaltung gesunder Zähne bedarf es einer besonderen Pflege Dauerhafte u. gesunde Zähne werden meist bei Menschen gefunden, welche eine sehr einfache Lebensweise führen u. deren Gewohnheit schon ein hinlängliches Schonen ihrer Zähne in sich schließt. Schlechte Zähne kommen mehr in Nord-, als in Südeuropa vor, zum Theil wohl wegen der Scropheln, welche in jenen Gegenden in höherem Grade herrschen, zum Theil wegen des Genusses warmer od. heißer Getränke u. der Völlerei überhaupt, welcher der Nordländer mehr ergeben ist, als der Südländer. Die Zähne bedürfen der Reinigung. Niederschläge aus dem Mundschleime, Speichel, Überbleibsel der eingenommenen Speisen u. Getränke setzen sich in die Vertiefungen der Kaufläche u. um den Hals der Zähne an, ihre Seitenflächen werden ebenfalls allmälig von grauem od. gelbem Schleim überzogen. Des Morgens hauptsächlich findet man an den Zahnhälsen eine weißgelbe, käsige Masse, welche sich über Nacht angesetzt hat (Zahnschleim), diese muß abgespült u. fortgewischt werden. In diesem Zahnschleime wuchern immer viele fadenförmige Pilze in einer feinkörnigen Matrix, welche Schleimkörperchen od. Epitheliumplättchen umgibt, außerdem finden sich öfters die Infusorien der cariösen Zähne, die Vibrionen u. Bacillarien aus demselben vor. Sammelt sich dieser Schleim in größeren Mengen an, kommen noch erdige Niederschläge aus den Mundflüssigkeiten, bes. dem Speichel, hinzu, so erhärtet er u. bildet den die Zähne umkleidenden Zahnstein od. Weinstein (Tartarus dentium), die an die Zähne sich anlegende, feste, fast steinartige, schmutzigweiße Masse, eine Ablagerung verschiedener phosphorsaurer Salze aus dem Speichel u. dem Mundschleime, ist den Zähnen u. dem Zahnfleische sehr nachtheilig; erfolgt am häufigsten an den unteren Schneidezähnen, weniger an den Backzähnen. Am häufigsten setzt sich der Zahnstein an dem Hals u. in die Zwischenräume der Zähne ab, reizt dann das Zahnfleisch u. entblößt den Kieferrand, so daß endlich die Zähne beweglich werden u. ausfallen. Er bildet sich zuweilen in Folge eines schlaffen aufgelockerten Zahnfleisches durch krankhafte Schleimabsonderung im Munde bei Skropheln, beim Gebrauch von Quecksilbermitteln, bei schlechter Verdauung, Unterleibskrankheiten u. bes. bei Gicht- u. [493] Steinkrankheit. Das Reinigen des Mundes ist das beste Verhütungsmittel, sonst muß er durch besondere Instrumente vom Zahnarzte entfernt werden. Außerdem verderben Speisereste u. selbst verdorbene Mundsäfte durch chemische Schärfen od. durch faulige Beschaffenheit die Zähne u. das Zahnfleisch u. bewirken üblen Geruch des Mundes. Zum Reinigen der Zähne u. des Mundes dient das Ausspülen mit Wasser; dies muß jeden Morgen nach dem Erwachen vorgenommen werden, auch ist es rathsam, nach dem Genusse solcher Speisen allemal den Mund auszuspülen, welche ihrer Consistenz wegen leichter zwischen den Zähnen hängen bleiben od. von scharfer, fauliger Beschaffenheit sind. Im Süden besteht die Sitte nach jeder Mahlzeit Mund- u. Waschwasser zu reichen. Das Wasser darf nicht zu kalt sein u. nicht verschluckt werden. Alle paar Tage müssen die Zähne abgewischt od. gerieben werden mit einem Schwamme, einer Zahnbürste (s.d.), mit Tüchern, mit einem Zahnpulver, einer Zahntinctur, einer Zahnlatwerge (s.d. a). Kinder müssen dieser Reinigung eben so wohl unterworfen werden wie Erwachsene; denn die Milchzähne leiden unter dem Schmutze eben so sehr wie die bleibenden. Die der Zunge zugekehrte Fläche der Zähne darf nicht vergessen werden. Das Putzen der Zähne mit der Zahnbürste verdient den Vorzug, nur dürfen die Borsten derselben nicht zu starr sein, damit Zahnfleisch u. Schmelz nicht zu sehr angegriffen werden Die Häufigkeit des Zahnputzens richtet sich bei gesunden Zähnen nach der Neigung zu verschmutzen, welche bei verschiedenen Menschen verschieden ist, eben so die Wahl des Reinigungsmittels. Werden die Zähne zu oft u. stark abgerieben, so trägt dies zur Abnutzung des Schmelzes bei, um so mehr, wenn den gewählten Mitteln chemische Schärfen beigemischt sind. Organische od. mineralische Säuren od. starke Alkalien sind als zahnreinigendes Mittel zu meiden, weil der Schmelz dadurch angegriffen wird. Bes. zu empfehlen ist das Zahnpulver, welches zu seinen Hauptbestandtheilen kohlensaure Magnesia, Kohle, Chinarinde hat. Den nützlichen Einfluß der Kohle auf die Conservirung der Zähne kann man bei fast allen Feuerarbeitern u. Schornsteinfegern beobachten. In neuerer Zeit hat man auch Zahnpasten u. Zahnseifen (s. b.) empfohlen. Zum Ausspülen des Mundes kann man füglich eine aromatische Tinctur (s. Zahntinctur), wie Tinctura myrrhae, benutzen. Kranke Zähne erfordern dagegen eine häufigere u. sorgfältigere Reinigung als gesunde. Viele Menschen haben graue od. gelbe Zähne, weil ihr Schmelz diese Farbe ursprünglich besitzt, diese muß man nicht weiß putzen wollen, denn jemehr man sie reibt, desto dünner wird der Schmelz u. desto eher schimmert der gelbe Knochen hervor. Man muß die Zähne nicht stets allein von einer Seite über die andere abreiben, sondern die Bewegung muß auch von oben nach unten gerichtet sein. Die Zähne müssen sodann vor jedem schnellen Wechsel höherer Grade der Temperatur gehütet werden, sonst bekommt der Schmelz leicht Sprünge. Sodann müssen mechanische Gewalten, welche den Schmelz der Zähne abstoßen, die ihnen Fissuren u. Fracturen zuziehen, welche sie bis ins Innerste erschüttern u. sie auseinander treiben, von den Zähnen abgewendet werden. Das Beißen zu harter Körper, Zahnstocher von Metall müssen vermieden werden Am meisten leiden die Zähne durch die Schärfen der eignen Säfte des Körpers, eine jede Überladung u. Verderbniß des Magens bringt den Zähnen Schaden, u. Kinder, welche sorglos ernährt werden, haben stets schlechte Zähne. Wenn man das Zuckergebäck, welches die Kinder naschen, des Verderbens der Zähne beschuldigt, so schadet es nur mittelbar, indem es den Magen verdirbt, denn der Zucker selbst zerstört die Zähne nicht. Die Dyskrasien endlich wirken am allerhäufigsten auf eine feindliche Weise auf die Zähne; skrophulöse u. gichtische Menschen zeigen die meisten schlechten Zähne. Demnach müssen alle diejenigen diätetischen Maßregeln, welche die ordentliche Verrichtung der Verdauungswerkzeuge u. die regelmäßige Bereitung der Säfte, überhaupt eine gesunde Ernährung befördern, auch in Anwendung gebracht werden, um die Zähne vor den nachtheiligen Einflüssen zu schützen.

II. Zahnarzneikunst. Sie zerfällt in einen medicinischen, wo durch Anwendung von Arzneimitteln die Fehler der Zähne beseitigt werden, u. einen chirurgischen od. operativen Theil, wo durch Anwendung von Mechanismen Hülfe gegen Zahnkrankheiten geleistet wird. A) Zahnkrankheiten sind im weitern Sinne Krankheiten, welche nicht blos die Zähne, sondern auch die Alveolen u. das sie von außen bekleidende Zahnfleisch betreffen. a) Ursachen der Zahnkrankheiten: aa) Allgemeine: die Zähne scheinen in einer gewissen sympathischen Verbindung mit der äußeren Haut zu stehen; denn eine Erkältung kann leicht eine entzündliche, schmerzhafte Austreibung des Zahnfleisches verursachen; ferner theilen sich auch viele Kachexien, Skropheln, Gicht, Rheumatismus etc., den Zähnen mit; bei tuberculösen werden die Zähne öfters sehr weiß, bläulichweiß, durchscheinend; bb) mechanische: Stoß, Schlag gegen die Zähne, das Zerbeißen harter Gegenstände, Knirschen mit den Zähnen, die Anwendung harter Instrumente zum Reinigen der Zähne; c) chemische: scharfe ätzende Mittel, die Anwendung von Säuren, Kalien, des Schwefelätherweingeistes, das Trinken zu heißer Mineralwasser, zu anhaltender Gebrauch des Quecksilbers, der rasche Temperaturwechsel, zumal der kurz auf einander folgende Genuß heißer u. kalter Speisen u. Getränke; d) dynamische: bes. krankhafte Zustände des ganzen Körpers, der Katarrh bedingt nicht selten Zahnschmerzen, Wackeln u. Stumpfwerden der Zähne, Rheumatismus bringt Zahnschmerz, Scorbut befällt vornämlich das Zahnfleisch u. bedingt das Wackeln u. Ausfallen der Zähne; bei Scropheln werden die Zähne weicher u. gehen leicht in Verderbniß über. Die Lustseuche erzeugt bes. Caries der Zahnränder u. Ausfallen der Zähne. Bei schlechter Verdauung wird in der Mundhöhle zäher Schleim abgesondert u. in abnormer Weise Säure gebildet, welche zu Caries der Zähne Veranlassung geben kann. Nach Nervenfiebern beobachtet man zuweilen Ausfallen der Zähne; Schwangerschaft bedingt oft Zahnschmerz u. auch krankhafte Veränderungen der Zähne; kranke Zähne stecken oft die daneben od. gegenüberstehenden an, u. in gewissen Gegenden herrschen Z. endemisch, so wie sie oft auch erblich sind. Schließlich bringen meist das Alter wegen der mit ihm eintretenden Atrophie der Gewebe, sowie lange dauernde auszehrende Krankheiten od. häufiges Wochenbett u. angreifendes Stillungsgeschäft ein Ausfallen od. Erkranken einzelner Zähne mit sich.

[494] b) Einzelne Zahnkrankheiten sind: aa) die Zahnentzündung. Da active Entzündung von Geweben nur in Geweben mit capillärer Blutcirculation vorkommen kann, so kann eine eigentliche Entzündung beim Zahn nur in dessen von Blutgefäßen u. Nerven durchzogener Pulpa, sowie in der Zahnwurzelhaut auftreten, während die eigentliche Zahnsubstanz davon frei bleibt. Es gibt demnach nur aaa) die sogenannte Endodontitis od. Entzündung der Zahnpulpa. Sie wird charakterisirt durch heftige, lebhafte, klopfende Schmerzen. Oft zeigt sie sich, wenn die Pulpa, durch verschiedene destructive Zahnkrankheiten blos gelegt, den Einwirkungen der äußeren Luft, so wie anderen Schädlichkeiten ausgesetzt ist, öfters auch selbständig bei noch anscheinend ganz gesunden Zähnen. Die Ursache der heftigen Schmerzen liegt in der durch die Entzündung bedingten Anschwellung der Pulpa, deren harte Umhüllung nothwendig auf die sensitiven Nervenästchen einen Druck ausüben müssen. Das von der Entzündung der Pulpa gesetzte Exsudat, welches von den Zahnbeinröhrchen aufgenommen wird, kann auch eine Gewebeveränderung des Zahnbeines, bes. Caries, bedingen. Bei acuter Entzündung der Pulpa geht dieselbe öfters in Eiterung über, die Schmerzen steigen bis zum höchsten Grade. Haben Antiphlogistika keine günstige Wirkung, so muß die Extraction des Zahnes vorgenommen werden. bbb) Die Periodontitis, sie steht öfters in Zusammenhang mit der vorigen u. ist eine Entzündung der Zahnwurzelhaut. Starker klopfender Schmerz, Röthung u. Entzündung des anliegenden Zahnfleisches kennzeichnen sie. Ist sie durch Antiphlogose u. Scarificationen nicht zur Zertheilung zu bringen, so geht sie in Eiterung über u. bedingt eine Parulis od. auch eine Zahnfistel (s.d.). Das letzte u. sicherste Mittel ist dann die Extraction des betreffenden Zahnes. bb) Caries (Knochenfraß od. Brand der Zähne). Sie entsteht an allen Zähnen, doch häufiger an den Backzähnen; am häufigsten beginnt sie an der Krone, nicht selten auch an der Wurzel, entweder von Außen nach Innen od. von Innen nach Außen. Man unterscheidet demnach eine periphere u. centrale Caries. Bei peripherer Caries bemerkt man an einer od. mehren Stellen der Krone, meist an der Kaufläche derselben, daß der Schmelz seine natürliche weiße Farbe, Härte u. Politur verliert, man sieht Risse u. Aushöhlungen, welche ein braunes od. schwärzliches Ansehen haben u. sich nach u. nach vergrößern. Fast immer findet man an dieser Stelle in großen Massen einen wuchernden Pilz, den sogenannten Protococcus dentalis. Ist einmal das Schmelzoberhäutchen durchbrochen u. liegen die Zahnbeinröhrchen blos, so dringt der Proceß rasch in die Tiefe vorwärts. Der so angegriffene Zahn gibt einen üblen Geruch von sich, u. wenn die Zerstörung tief genug geht, so wird dadurch der Zahnnerv dem Contacte der Luft u. der Nahrungsmittel ausgesetzt, es entstehen Schmerzen, Entzündung des Zahnfleisches etc. Bei centraler Caries stellt sich zuerst Schmerz im Zahne ein, welcher oft wiederkehrt, indem er durch kalte Luft, kaltes Getränk etc. plötzlich erregt wird. Endlich entsteht ein bräunlicher od. schwärzlicher Punkt, welcher mehr od. weniger tief unter dem Schmelze liegt, sich allmälig vergrößert, dunkler wird u. den Schmelz zerstört; man findet dann die innere Substanz des Zahnes zerstört. Diese centrale Caries geht fast immer von einer primären Erkrankung der Pulpa, entweder einer Entzündung od. einer Atrophie derselben aus. Wenn die Krone durch Caries zerstört ist, so pflanzt sich das Übel auch auf die Wurzel des Zahnes fort, u. diese wird nach u. nach auch zerstört, wobei häufig das Zahnfleisch u. der Zahnhöhlenfortsatz leidet u. Parulis u. Caries des Zahnhöhlenrandes entsteht. Caries an der Wurzel der Zähne kündigt sich mit den Erscheinungen der Zahnentzündung an. Man unterscheidet auch die Caries im jugendlichen von der im höheren Alter, da im ersteren die Caries schneller um sich greift u. gewöhnlich auch nicht aufzuhalten ist (feuchter od. acuter Brand); im letzteren hingegen in ihrer Ausbreitung gehindert werden kann od. auch nur langsam fortschreitet (trockener od. chronischer Brand). Der trockene äußere Brand kommt nie bei Kindern vor, greift sehr langsam um sich u. fängt mit einem graugelben Punkte an, welcher nach u. nach schwärzlich wird. Die Knochenmasse ist hier nicht aufgelöst, auch bildet sich keine Gauche, u. der Geruch ist nicht so auffallend. Diese Caries kann im Entstehen durch Feilen od. später durch Ausfüllen lange Zeit aufgehalten werden. Der innere feuchte Brand ist gewöhnlich erblich u. angeboren. Die vier ersten bleibenden Backzähne sind gewöhnlich der Caries am ersten unterworfen. In cariösen Zähnen finden sich stets verschiedene Infusionsthierchen in ungeheueren Massen. Die Ursachen der Caries der Zähne, bes. der trockenen, sind: der Mißbrauch scharfer, saurer Substanzen, vernachlässigte Reinigung des Mundes, abwechselnder Genuß kalter u. warmer Speisen, mechanische Verletzungen der Zähne, wodurch der Schmelz zerstört u. ihre innere Substanz dem Zutritte der Luft ausgesetzt wird, der Gebrauch auflösender Mittel, bes. des Quecksilbers, die zu starke Bildung von Milchsäure im Magen. Meist liegt aber eine innere Ursache zum Grunde, bes. bei der inneren feuchten Caries allgemeine Krankheiten, welche die Ernährung überhaupt stark beeinträchtigen, als Skropheln, Rhachitis, schlechte Constitution, Mercurialkrankheit, od. auch ein Überwiegen des kohlensauren Kalkes über den phosphorsauren in den Zähnen selbst. Diese Caries kommt am häufigsten in der Jugend u. mehr beim weiblichen als beim männlichen Geschlechte vor. Die Milchzähne leiden noch mehr daran als die bleibenden, u. Kinder, welche an Skropheln leiden, haben häufig im dritten od. vierten Jahre cariöse Zähne. Die Fortsetzung der Caries auf nebenstehende Zähne kann ebenso ihren Grund in der Anhäufung einzelner Theile von Nahrungsmitteln, welche verderben, od. in allgemeinen Ursachen, als in einer eigentlichen Übertragung vom zuerst ergriffenen Zahne vermittelst der zahlreichen sich bildenden Parasiten haben. Zur Verhütung der weiteren Ausbreitung der Caries muß man hauptsächlich die Ursachen derselben entfernen u. die Constitution zu verbessern suchen. Die sorgfältigste Zahndiätetik wird daher von großem Nutzen sein, s. oben I. Zur Untersuchung cariöser Zähne pflegt man sich des sogenannten Zahnspiegels (s.d.) u. der Sonden zu bedienen. Wird der Zahn schmerzhaft, so muß man denselben genau untersuchen u. ihn von Unreinigkeiten befreien. Dauert dann der Schmerz immer noch fort, so sucht man ihn durch Mittel zu mindern, welche entweder die aufgeregte Emfindlichkeit herabstimmen, als Einlegen von Baumwolle, welche mit[495] Opiumtinctur od. anderen schmerzstillenden Mitteln befeuchtet ist, einer Opiumpille in die Höhle des Zahnes etc. od. die Empfindlichkeit tilgen, wie durch scharfe Mittel (Salmiakgeist, Cantharidentinctur), ätherische Öle (Nelken-, Zimmtöl), das Öl von Origanum creticum mit Baumwolle in den Zahn gebracht. Um die weitere Ausbreitung des cariösen Processes aufzuhalten, hat man verschiedene Mittel in Anwendung gebracht. Dahin gehört das Feilen, das Graviren, das Ausbrennen der Zähne. Mittelst einer kleinen guten Feile od. eines Gravireisens sucht man die cariösen Stellen zu entfernen. Das Ausbrennen kann entweder mit dem sogenannten Cauterium actuale, dem wirklichen od. dem elektrischen Glüheisen (galvanokaustischem) od. mit dem sogenannten Cauterium potentiale geschehen. Letzteres besteht in dem Einbringen concentrirter Salpetersäure, Schwefelsäure, Arsenik, Lapis causticus, L. infernalis, Wiener Ätzpasta etc. in den hohlen Zahn. Diese Mittel allein angewendet, haben blos eine palliative Wirkung u. können den Proceß nicht beschränken. Dagegen in Verbindung gebracht mit dem Ausfüllen (Plombiren) der Zähne gehören sie zu den wichtigsten Operationen der Zahnarzneikunde, indem durch sie mancher cariöse Zahn erhalten u. wieder zum Gebrauche vollkommen tüchtig gemacht werden kann. Blos oberflächliche cariöse Zerstörung eines Zahnes eignet sich nicht, da die Plombe nicht halten kann; sondern es ist eine gewisse Tiefe der Höhlung erforderlich. Diese Höhlung wird, nachdem ihr durch Abtragung der cariösen Partien eine solche Gestalt gegeben worden ist, daß die Plombe leicht festgehalten wird, u. sie durch wiederholtes Einführen von Baumwollenkügelchen gehörig ausgetrocknet worden ist, mit dünnen Gold-, Platin- od. Staniolplättchen, welche mit einem Griffel fest eingedrückt werden, geschlossen. Empfindliche u. schmerzhafte Zähne dürfen nicht plombirt werden, sondern der Schmerz muß erst durch das Glüheisen od. eines der chemischen Mittel vollständig beseitigt werden. Um den Nerven gegen Druck zu schützen, kann man zu unterst ein festes convexes Goldplättchen einlegen. Anstatt der reinen Metallplombe hat man jetzt Metallcompositionen von leichter Flüssigkeit. So besteht die Darcetsche Masse aus Wismuth 8 Thle., Blei 5 Thle. u. Zinn 3 Thle; die Linderersche aus Wismuth 2 Thle., Zinn 1 Thl. u. Blei 1 Thl. Nach Schmelzung dieser Masse wird die gehörige Menge Quecksilber rasch hinzugethan. Die Cadmiumplombe von Evans in Paris besteht aus 3 Thln. chemischreinem Zinn u. 1 Thl. Cadmium zu seinem Pulver geraspelt u. dem zur Bewirkung der teigigen Consistenz nothwendigen reinen Quecksilber. Auch hat man ein Gemenge von Mastix u. Kalk angewendet, welches als seines Pulver in die Höhlung gebracht, mittelst eines erwärmten Plombirstahles in derselben geschmolzen wird. Leicht einzubringen sind Kügelchen von reiner Guttapercha, welche in warmem Wasser zuvor knetbar gemacht werden, od. Baumwollenkügelchen, welche vorher in einer Lösung von Mastix u. Santarac in Alkohol od. Äther getränkt sind. Außerdem hat Linderer noch das Fourniren angegeben; dieses besteht in der Ausfüllung der Höhlung durch einen genau schließenden Stift von Flußpferd-, Wallroß- od. Menschenzahn; schließlich das Plattiren, welches in der Ergänzung eines oberflächlich defecten Zahnes durch eine Platte von Wallroß od. Elfenbein besteht, welche mittelst kleiner Stifte befestigt wird. Ist die Caries bereits zu weit vorgeschritten od. können die Schmerzen auf keine Weise beseitigt werden, so bleibt blos die Extraction des betreffenden Zahnes übrig. cc) Risse, sie gehen meist in dem Zahne der Länge nach u. heilen nie, weil sich der Schmelz nie wieder erzeugt, doch können solche Zähne noch Jahre lang halten. dd) Brüche der Zähne, ein Bruch der Krone heilt nie, ein Bruch der Wurzel jedoch kann unter günstigen Umständen heilen, wenn der Kranke noch jung u. der Bruch der Krone nicht zu nahe ist. Ein Splitterbruch heilt nie. ee) Abnutzung der Zähne, wird zuweilen durch das Aneinanderbeißen der Zähne, meist bei Personen, welche über 30 Jahre alt sind, beobachtet; sie kann so weit gehen, daß nicht nur der Schmelz, sondern auch die Knochenmasse bis zum Nervenkanal abgeschliffen ist, wodurch heftige Schmerzen u. Caries entsteht, worauf man den Zahn ausreißen muß. Die Schneidezähne nutzen sich mehr ab als die Backzähne. Dieser Fehler kann jedoch auch durch ein schiefes Ineinandergreifen der Zähne entstehen; sodann auch bilden sich, durch das Tragen einer Tabakspfeife, ordentliche Löcher (Pfeifenzähne). ff) Abzehrung der Zähne (Atrophia) befällt häufig die Schneide u. Eckzähne, ist oft erblich od. erzeugt durch schlechte Milch der Mutter od. der Amme, während des Säugens, od. auch durch andere organische Krankheiten während des Zahnwechsels. Es zeigen sich vertiefte Furchen, selbst Löcher u. sehr dünner Schmelz der Zähne. Dieses Leiden ist unheilbar, nur durch weiche Bürsten u. zweckmäßige Zahnpulver kann man diese Zähne einige Zeit erhalten. gg) Verrenkung der Zähne, entsteht durch einen Fall etc. Man bringt den Zahn in seine Stellung zurück, u. derselbe kann wieder fest werden, allein seine Farbe verändert sich, indem durch Zerreißung der Nerven seine Ernährung aufhört, u. er nur als todter Körper in der Alveole steckt. Zuweilen geht die Entzündung in Eiterung über u. es bildet sich Caries, welche auch die Nachbarzähne ergreift. hh) Das Lockerwerden, Wackeln u. Ausfallen der Zähne kann durch heftige mechanische Einwirkung, durch Mißbrauch von Quecksilbermitteln, durch andere Krankheiten der Zähne od. der Kinnladen bedingt sein. Ist der Zahn durch mechanische Gewalt locker gemacht od. ganz herausgedrückt worden, so kann er, ist er sonst gesund, wieder eingesetzt u. mit den Nachbarzähnen durch Gold- u. Platinafäden befestigt werden; der Zahn bleibt immer todt, verliert seinen Glanz, seine Farbe u. die Zahnhöhle füllt sich nach u. nach mit Knochenmasse, treibt den Zahn hervor, so daß er entfernt werden muß. Sind ein od. mehre Zähne durch Quecksilbercur ausgefallen, so darf deren Wiedereinsetzen nie versucht werden, weil dann immer Caries der Kinnlade entsteht. Das Wackeln u. Ausfallen der Zähne ist aber auch Folge von den meisten Ernährungskrankheiten, wie Scorbut, Skropheln, Gicht, häufigen Schwangerschaften u. langem Säugen, Unregelmäßigkeiten der Menstruation, bes. in dem späteren Lebensalter. Das Zahnfleisch lockert sich dann zuerst auf, entzündet sich, fängt an sich vom Halse der Zähne zu trennen u. sondert einen kranken, weißlichen Schleim ab. Dieser Zustand erstreckt sich bis in die Alveole u. die Zahnwurzel; die Zähne verlieren ihre Befestigungs- u. Haltepunkte, treten aus ihrer Richtung u. fallen aus. Nur im Entstehen der Krankheit, so[496] lange sie ihren Sitz noch im Zahnfleische hat, ist Heilung möglich. Zuvörderst müssen, wo möglich, die Ursachen entfernt u. vermieden, sodann darf das sorgfältige Reinigen der Zähne nicht verabsäumt werden. Anfänglich nützen bei entzündetem Zahnfleische Blutegel u. Scarificationen des Zahnfleisches, später äußerlich adstringirende u. roborirende Mittel. Bei Personen im höheren Alter erfolgt das Übel durch Verknöcherung der Nerven u. Gefäße u. aufgehobene Ernährung. ii) Entfärbung der Zähne erfolgt im Verlaufe des Lebens; die schöne Farbe, welche die Zähne in der Jugend haben, geht im Alter verloren. die Knochen erhalten mehr Phosphorsäure, Kalkerde, der Schmelz wird nach u. nach abgenutzt. Säuren tragen ebenfalls zur Entfärbung der Zähne bei; man wendet sie gewöhnlich an, um die Zähne weiß zu machen, doch ist diese Wirkung von kurzer Dauer, denn sie werden später gelb u. schwarz kk) Schiefe Richtung der Zähne entsteht gewöhnlich beim Zahnwechsel, wenn der nachwachsende Zahn durch den noch stehenden Milchzahn od. durch ein anderes Hinderniß verhindert wird in normaler Richtung hervorzutreten; es muß durch Geraderichtung des fehlerhaften Zahnes abgeholfen werden, ist dies nicht möglich, so ist er zu entfernen. ll) Das Stumpfsein der Zähne (Haemodia), äußert sich durch Verlust der Glätte u. Zähne u. unangenehme Empfindung bei ihrer Berührung, entsteht durch in den Mund gebrachte od. durch in dem Speichel bei Magenleiden etc. entstandene Säuren, bisweilen auch von selbst. Entfernung der Säure u. Abreiben mit Kreide beseitigt das Übel. mm) Das Schwinden des Schmelzes der Zähne erfolgt ohne bekannte Ursachen; die Zahnsubstanz wird dadurch entblößt u. erscheint weiß od. gelb. Man hat hier bes. scharfe Zahnbürsten zu vermeiden. Ähnlich diesem Zustande ist der Schmelzmangel, wobei derselbe theilweise fehlt u. sich Lücken od. Löcher in der Oberfläche der Zähne bilden, wobei die Zahnsubstanz leicht ein übles Ansehen bekommt. nn) Degeneration der Zähne kommt meist an den Zahnwurzeln u. dann in Folge von Gicht od. Lustseuche vor; die Wurzeln sind ganz dick, verkrüppelt u. cariös. Hier hilft nur die Entfernung des kranken Zahnes.

c) Krankheiten des Zahnfleisches. Da das Zahnfleisch nur ein Theil der Mundhöhlenschleimhaut ist, so kommen in ihm dieselben Erkrankungen, wie an letzter vor, so bes. katarrhalische (Stomatitis aphthosa), diphtheritische, skorbutische, syphilitische, mercurielle, lupöse Geschwüre, s.d. Außerdem tritt noch auf: aa) die Parulis, eine phlegmonöse Entzündung od. ein Absceß des Zahnfleisches, meist durch eine Entzündung des Alveolarperiosts od. durch Caries eines Zahnes od. einer Zahnwurzel, auch durch mechanische Ursachen od. plötzlichen Temperaturwechsel hervorgerufen. Röthung u. Geschwulst des Jahnfleisches, heftiger Schmerz, Fieber, ödematöse Anschwellung der Wange kennzeichnen diese Erkrankung, der Absceß bricht öfter von selbst auf im Inneren des Mundes od. nach der Wange, od. senkt sich nach dem Halse zu (Zahnfistel); die Therapie besteht in der Zertheilung der Entzündung durch Antiphlogistik od. Beschleunigung der Eiterung durch warme Mundwässer, als Malven- od. Salbeithee, in der zeitgemäßen Eröffnung des Abscesses, in der Extraction des etwa den Reizzustand hervorrufenden cariösen Zahnes. bb) Zahnfleischgewächs (Zahnfleischauswuchs, Zahnfleischschwamm), s. Epulis; cc) die Zahnfistel (Fistula dentalis), Fistel od. Fistelgeschwür, entstanden durch einen Absceß od. ein Geschwür am Zahnfleische durch Caries der Zahnwurzel. Am besten ists den Zahn auszuziehen. Nach Entfernung dieses bringt gewöhnlich die Natur die Fistel bald zur Heilung u. nur selten wird Spaltung des fistulösen Ganges nöthig sein. Den Durchbruch einer Fistel nach der Gesichtsfläche sucht man zu verhindern, weil gewöhnlich dadurch eingezogene entstellende Narben gesetzt werden; dd) das Schwinden des Zahnfleisches (Atrophie des Zahnfleisches), bes. im Alter vorkommend; das Zahnfleisch zieht sich nach u. nach von der Krone mehr u. mehr zurück, so daß allmälig selbst die Wurzeln sichtbar u. die Zähne locker werden; das Zahnfleisch ist nur wenig od. gar nicht geschwollen, schmerzt u. blutet nicht, gibt aber gedrückt bisweilen etwas Eiter von sich; das Übel läßt sich durch fleißiges Reinigen der Zähne, Scarificiren u. zusammenziehende Mundwasser od. Zahnmittel bessern; ee) leichtes Bluten des Zahnfleisches, kommt meist bei Scorbut vor u. erfordert stärkende u. zusammenziehende Mundwasser od. Zahnmittel ff) Verwachsung des Zahnfleisches an den Wangen u. Lippen kann in Folge einer Zahnfleischentzündung, welche in Ulceration übergegangen ist, eintreten. Sie ist entweder partiell od. nimmt eine ganze Seite des Kiefers ein. Dieselbe erfordert die Trennung, da sie sonst das Kauen u. Sprechen sehr beeinträchtigt. Oft wird es nöthig wegen der drohenden wiedereintretenden Verwachsung eine Schleimhautpartie dahin zu verpflanzen.

d) Der Zahnschmerz (Odontalgia), ist ein Symptom irgend einer krankhaften Störung entweder des Zahnes selbst, od. eines der Zahnnerven in seinem Verlaufe, od. des Gehirns, od. des gesammten Organismus. Je nachdem die Stelle, wo der Schmerz empfunden wird, auch diejenige ist, wo die krankhafte Erregung stattfindet od. nicht, kann man einen localen u. excentrischen Z. unterscheiden. aa) Der locale Zahnschmerz ist demgemäß meistens die Folgeerscheinung der verschiedenen Zahnkrankheiten, vorausgesetzt, daß durch dieselben die den Zahn versorgenden sensiblen Nervenfasern an ihrem peripheren Ende in einen Reizzustand versetzt werden. Charakteristisch ist, daß derselbe durch eine mechanische örtliche Reizung, wie Klopfen mit einer metallenen Sonde auf den Zahn, Beißen etc. gesteigert wird, er übrigens an seiner Stelle bleibt u. nicht intermittirend ist. Die Schmerzen selbst können von verschiedener Dauer u. Stärke, vom unbedeutendsten Grade bis zum Delirium, oft mit hartnäckiger Schlaflosigkeit, bei sensiblen Personen mit Fieber, Ohnmachten verbunden sein. Am häufigsten tritt der locale Z. bei der Zahnentzündung, Caries u. deren Verlaufe auf, indem entweder die Zahnnervenfasern durch ein gebildetes Exsudat gedrückt, od. durch die Einwirkung der Luft, Speisen u. Getränke in einen Reizzustand versetzt werden. Die Radicalbehandlung besteht in den oben b) angegebenen Methoden. Will man gegen den Zahnschmerz blos symptomatisch verfahren, so gibt es viele Mittel, welche meistens auf eine Abstumpfung der Nervenreizbarkeit hinwirken. So hat man fast alle Narkotica, wie Opium, Belladonna, Bilsenkraut etc., od. auch ätherische Öle, als Nelkenöl, Cajeputöl, od. Alkohol, Chloroform, Äther, Paratinctur od. Paraguay-Roux,[497] Creosot empfohlen. Flüssige Mittel bringt man meist auf Baumwollenkügelchen gegossen, feste in Gestalt kleiner Pillen in die cariöse Höhlung. bb) Der excentrische (nervöse) Zahnschmerz kennzeichnet sich hauptsächlich dadurch, daß er in mehren gesunden Zähnen, meist den gesammten Zähnen der einen Kieferhälfte auftritt, nicht durch mechanische Reizung zunimmt, nicht selten mit gleichzeitigen Functionsstörungen in den Centralorganen sich zeigt, häufig sich über mehrere zerstreute Punkte verbreitet, meist wandernd u. periodisch ist. Er gehört unter die Neuralgien des Nervus trigeminus. Da die Ursache dieser Neuralgien häufig eine Erkältung ist, so kann man auch cc) von einem rheumatischen od. katarrhalischen Zahnschmerz sprechen. Eine ganz genaue Diagnose ist durchaus nothwendig, da sonst ganz gesunde Zähne, ohne daß der Schmerz beseitigt würde, extrahirt werden können. Es sind vielmehr solche Mittel anzuwenden, welche gegen Neuralgien überhaupt empfohlen werden, als Narkotica, wie Opium, Morphium, Pulvis Doveri, Galvanismus, ableitende Mittel, wie Blasenpflaster hinter die Ohren, warme Fußbäder, schweißtreibende Mittel od. bei rein periodischem Auftreten Chinin. Endlich kann der Zahnschmerz noch bei allgemeinen Körperstörungen, wie sie durch Gicht, Skropheln, Scorbut, Syphilis, Mercurialismus bedingt werden, hervorgerufen sein; doch sind meist dabei auch örtliche krankhafte Erscheinungen am Zahn od. Zahnfleische selbst vorhanden; die Therapie besteht in der Beseitigung der Hauptkrankheit.

B) Zahnausziehen (Extractio dentium), die Trennung der organischen Verbindung eines Zahnes mittelst verschiedener Instrumente. Zahnausziehen ist nöthig: bei sehr heftigem, von Knochenfraß der Zähne entstehendem Zahnschmerz, welcher durch andere Mittel nicht besänftigt werden kann; bei verderbten Milchzähnen, welche neben gesunden bleibenden stehen u. diese anstecken können; wenn Milchzähne beim Nachwachsen der bleibenden locker sind od. diese an der richtigen Stelle hervorzutreten hindern; wenn der vierte Backzahn den Raum für den Weisheitszahn so beengt daß dieser nur sehr schmerzhaft durchbrechen kann; bei sehr schief stehenden Zähnen, welche nicht mehr gerade gerichtet werden können od. keinen Raum in der Zahnreihe finden; bei sehr verbildeten doppelten Zähnen; bei Periostitis der Alveole, um einer sich ausbreitenden Entzündung u. Caries vorzubeugen; wenn ein Zahn der Grund einer Zahnfistel, Epulis, Caries des Zahnhöhlenfortsatzes, Krankheiten der Oberkieferhöhle, der Wange od. Zunge ist, u. behufs anderer Operationen, z.B. der Eröffnung der Highmorshöhle an den Kinnbacken od. Resection der Kieferknochen. Es darf nicht vorgenommen werden, wenn Caries nicht die Ursache der Zahnschmerzen ist; wenn wegen Scorbut heftige Blutung od. gar Fäulniß des Zahnfleisches u. wegen hoher Empfindlichkeit Nervenzufälle zu fürchten sind; wenn der Zahn beim versuchten Ausziehen der gewöhnlich dabei anzuwendenden Kraft nicht weicht, wo dann Verwachsung der Zahnwurzel mit dem Kiefer zu vermuthen ist. Das Zahnausziehen ist eine meist ziemlich schmerzhafte, indessen bei einiger Geschicklichkeit nur kurze Zeit dauernde Operation, so daß man nur selten, bes. bei furchtsamen Kranken, anästhesirende Mittel (Chloroform) anzuwenden braucht. Zum Zahnausziehen bedient man sich verschiedener Instrumente (s. unten C); am meisten in Gebrauch ist in Deutschland der Zahnschlüssel. Bei den Zahnextractionen pflegt der zu Operirende auf einem Stuhl zu sitzen, während der Operateur vor dem Kranken steht, dessen Kopf auf den Stuhl gestützt od. von einem Assistenten nach rückwärts fixirt wird, od. sich hinter dem Kranken befindet u. dessen Kopf an die eigene Brust gedrückt hält. Die anzuwendende Kraft darf nicht eine plötzliche, gewaltsame sein, sondern muß vorsichtig bemessen werden u. darf sich nur allmälig steigern; widersteht der Zahn allen Extractionsversuchen, so muß man ihn stecken lassen, weil sonst eine Fractur des ganzen Kiefers eintreten könnte. Unmittelbar nach dem Zahnausziehen drückt man die Zahnhöhle mit den Fingern gelind zusammen; die Blutung hemmt man durch kaltes Wasser, Essig mit Wasser; die Alveole schließt sich u. verwächst allmälig. Die übeln Zufälle, welche bei u. nach dem Ausziehen der Zähne entstehen können, sind: Abbrechen der Zahnkrone, Bruch der Zahnfächer, Quetschung, Losreißung des Zahnfleisches, Losewerden der nebenstehenden gesunden Zähne, unvollkommene Ausrenkung des Zahnes, Bruch der Kinnlade, heftige Blutung, bes. bei sogenannten Blutern sehr gefährlich. Eine starke Blutung, welche nach adstringirenden Mitteln nicht stehen will, sucht man durch die Tamponade der Alveole zu stillen. Ist durch Unvorsichtigkeit ein falscher gesunder Zahn anstatt des kranken extrahirt worden, so drückt man ihn wieder fest in die Alveole hinein; gewöhnlich heilt er wieder an. Endlich können Entzündung u. Eiterung des Zahnfleisches, Caries des Zahnfächerfortsatzes entstehen.

C) Zahninstrumente, Instrumente, welche bei Zahnübeln angewendet werden. a) Zum Ausziehen der Zähne: aa) die Zahnzangen (Odoniagrä) am frühesten zum Zahnausziehen erfunden u. gebraucht; sie sind entweder gerade für die vorderen oberen Zähne, od. nach der Fläche gebogene schnabelförmige für die unteren vorderen Zähne, od. nach den Rändern gebogene, sogenannte gekröpfte Zangen für die hinteren Zähne. Doch muß stets der Form u. Größe der Zähne das Gebiß entsprechen; daher hat man zu Extractionen von Zähnen verschiedene Zangen nothwendig. Zum Ausziehen der Zahnwurzeln kann man sich einer Wurzelzange bedienen, deren Gebiß eine conische Form hat, um zwischen Alveolenwand u. Wurzel eindringen zu können. bb) Die Geißfüße, hebelartig wirkende Instrumente, bestehen aus einem 2 Zoll langen, stählernen, plattrunden Stab, welcher nach vorn dünner wird u. am vorderen schwachgekrümmten Ende zwei Flächen bildet, von denen die eine gewölbt, die andere ausgehöhlt u. mit feinen Kerben versehen ist. Die Zähne u. Zahnwurzeln werden mit diesem Instrumente durch hebelartige Bewegung ausgehoben. cc) Der Überwurf, ein älteres Instrument, besteht aus einem stählernen Halbkanal, in welchem ein vor- u. rückwärts zu stellender Haken, welcher über die Röhre hinausgreift, sich befindet. Das obere Ende der Röhre dient als Stützpunkt u. der Haken wird an der entgegengesetzten Seite des Zahnes angesetzt. dd) Der Pelekan, ein veränderter Überwurf; er besteht aus der Stütze u. dem Haken. Die Stütze ist von Holz u. hat am vordersten Ende eine eingekerbte Fletsche, welche auf die nebenstehenden Zähne beim Zahnausziehen gehalten wird; in der Mitte der Stütze ist durch eine stellbare Schraube der Haken befestigt,[498] welcher an den auszuziehenden Zahn angelegt wird. ee) Der Englische Schlüssel (Zahnschlüssel), besteht in einem stählernen cylindrischen, gegen 5 Zoll langen, einige Linien dicken Stab, welcher an dem einen Ende mit einem queren Griff von Holz versehen ist, am anderen breiter wird, sich abbeugt, so daß er einen Vorsprung (Polster od. Fletsche) bildet, an welchem sich ein Ausschnitt befindet, worin der Haken mittelst einer Schraube befestigt ist; nachdem die Fletsche mit etwas Leinwand od. irgend welchem weichen Körper umwunden ist, wird der Schlüssel so angelegt, daß das Polster auf dem äußeren der Wange od. den Lippen zugekehrten Theile od. auch dem inneren Theile, je nach der verschiedenen Stellung des Zahnes od. einer Erkrankung des äußeren od. inneren Zahnfleisches (bes. Parulis), ruht, der Haken dagegen die entgegengesetzte Seite des Zahnes tief unten am Halse faßt; während man mit dem Zeigefinger der einen Hand den Haken fixirt, wird durch eine drehende Bewegung am Griff mittelst der anderen Hand, wobei das Polster als Hypomochlion dient, der Zahn herausgehoben. Zum Ausziehen von Wurzeln gebraucht man Haken mit zugespitztem Ende. Um nicht den Haken jedesmal nach der rechten od. linken Seite einzuschrauben, hat man einen Englischen Schlüssel mit beweglichem Haken. ff) Die Wurzelschrauben dienen zur Entfernung von sitzengebliebenen Zahnwurzeln, es sind dies seine Schrauben, welche in die Zahnwurzel eingeschraubt, dann an ein hebelartiges Instrument befestigt werden, durch dessen Wirkung dann die Wurzel entfernt wird. gg) Zur Entfernung von Zahnstiften bedient man sich auch des pyramidenförmigen Hebels; dieser, von L'Ecluse erfunden, hat an dem einen Ende einen Quergriff, an dem anderen eine pyramidenförmige Spitze, welche auf der einen Seite platt, resp. der anderen etwas erhaben u. mit zwei Seitenflächen u. einer breiteren Mittelfläche versehen ist. Beim Gebrauche wird das Instrument zwischen die Wurzel u. den nebenstehenden Zahn gesetzt u. durch eine kräftige Drehung erstere herausgehoben. b) Zum Putzen der Zähne: aa) die Zahnfeile, ist eine gewöhnliche Feile, nur muß sie sehr fein sein, damit sie zwischen zwei Zähne eingebracht werden kann. bb) Die Zahnschaber (Odontoglyphon, Dentiscalpium), bes. zur Entfernung des Zahnsteines; man hat deren von verschiedener Form, sie sind von Stahl mit hölzernem Griff am oberen Ende, entweder meiselförmig (Zahnmeisel) od. mit einer stählernen Platte, welche ein gleichschenkeliges Dreieck bildet. c) Zum Ausbrennenhohler od. blutender Zähne bedient man sich besonderer Brenneisen von verschiedener Stärke, je nach der Größe der Zahnhöhlung. d) Zum Lostrennen des Zahnfleisches bediente man sich sonst der Dechaussoirs, kleiner spatel- od. meiselartiger, stählerner od. elfenbeinerner Instrumente mit abgerundeten od. scharfkantigen Ecken.

D) Das Einsetzen künstlicher Zähne. Künstliche Zähne sind entweder wirkliche Menschenzähne, od. von Elfenbein od. Email gearbeitete Zähne, welche man, um den Verlust eines od. mehrer Zähne zu ersetzen, auf verschiedene Weise einsetzt. Ehedem nahm man hierzu Zähne der Seekuh, des Wallrosses, des Löwen, Hirsches, Rehes. Die Mineral- od. Metallzähne bestehen aus Porzellanmasse, Porzellanschmelz u. verschiedenen Metalloxyden (Gold-, Titan-, Wismuth-, Platinoxyd etc.) u. werden jetzt fast ausschließlich angewandt, weil sie wegen ihrer Dauerhaftigkeit, Schönheit u. Reinlichkeit vor den künstlichen knöchernen den Vorzug verdienen. Das Einsetzen künstlicher Z. hat nicht nur zum Zweck einer Entstellung des Gesichtes vorzubeugen, sondern hauptsächlich den Speichel zurückzuhalten, die Nachbarzähne zu schützen, das Kauen u. Sprechen zu verbessern. Auf drei verschiedene Arten kann man künstliche Zähne einsetzen, nämlich als Stiftzähne, Klammerzähne u. ganze Gebisse. a) Die einfachste, leichteste u. sicherste Art, künstliche Zähne einzusetzen, geschieht durch Einsetzen von Stiftzähnen, indessen eignet sich diese Art blos für die Schneide-, nicht Eckzähne, wenn deren Wurzeln noch fest u. gesund sind. Es geschieht dadurch, daß man den schadhaften Zahn bis zur Wurzel der Zahnfleischeinfassung gleich abfeilt, dann in die Wurzel ein Loch bohrt u. hierein den an seiner Wurzel abgesägten u. mit einem Gold- od. Platinstift versehenen Zahn eines Menschen od. einen künstlich gearbeiteten einpaßt. Ein solcher Zahn ist, wenn er an Form u. Farbe den übrigen entspricht, kaum von den natürlichen zu unterscheiden u. taugt auch zum Beißen. b) Fehlt aber die Wurzel des schadhaften Zahnes, so wird der künstliche Zahn auf eine Goldplatte, welche zu beiden Seiten Drahtklammern von Golddraht hat (Klammerzähne), welche die Nachbarzähne umfassen, aufgesetzt. Nothwendig ist es, vorher alle hervorragenden Spitzen u. Zahnwurzeln abzufeilen, cariöse Wurzeln zu plombiren, einen genauen Abdruck mittelst Wachs od. Guttapercha zu nehmen u. diesen mit Gyps od. Schwefel auszugießen. Auf dieses Modell wird dann die eigentliche Platte von Wallroß, Gold od. Platin genau aufgepaßt. Neuerdings hat man auch Platten, in denen sich kleinere Aushöhlungen befinden, durch Erzeugung eines gewissen Lustvacuums mittelst Ansaugen der Zunge zu befestigen gesucht. Diese Art gewährt aber keine Festigkeit des künstlichen Zahns. Statt der Drahtklammern befestigt man den künstlichen Zahn auch bisweilen durch seidene Fäden od. seinen Golddraht an die Nachbarzähne. Doch hat dies den Nachtheil, daß man den Zahn nicht herausnehmen u. reinigen kann u. daß man den Draht nicht so verstecken kann, daß er beim weiten Öffnen des Mundes u. beim Lachen sichtbar wird. Einzelne Backzähne wird sich wohl Niemand einsetzen lassen, sondern wenn man sie ersetzt, so geschieht es gewöhnlich, wenn die meisten od. sämmtliche Zähne fehlen, c) durch Einsetzen eines ganzen Gebisses. Ein solches Gebiß kann ein doppeltes od. ein nur einfaches sein, je nachdem auf beiden od. nur einem Kiefer die Zähne fehlen. In ersterem Falle erhält es sich durch goldene Spiralfedern allein in seiner Lage, in letzterem wird noch ein besonderes Tragbändchen, welches auf dem gegenüberstehenden Kiefer ruht, nothwendig. Vor Allem ist ein möglichst genauer Abdruck des betreffenden Kiefers in Wachs od. Guttapercha erforderlich, nach welchem die eigentliche, die Zähne tragende Platte genau modellirt wird. Letztere verfertigt man aus Gold, Hippopotamos, Wallroß od. am besten aus Guttapercha, weil diese am leichtesten, vorher in heißes Wasser getaucht, sich der Kieferformation adaptirt. Die Reinlichkeit erheischt es, daß solche künstliche Gebisse jeden Abend herausgenommen u. mit spirituösen Wässern gereinigt werden.

E) Die Behandlung kranker Zähne fällt in die[499] frühesten Zeiten der Medicin überhaupt. Äsculap soll der erste gewesen sein, welcher Zähne auszog; eine Beschreibung des bleiernen Instruments (Odontagogon), dessen er sich als wenig Schmerz machend zu dieser Operation bedient haben soll u. welches in dem Tempel zu Delphi aufbewahrt wurde, befindet sich in den Werken des Cälius Aurelianus. Auch einer Zange (Odoniagra) bediente man sich zu dieser Operation. Wie die Ägyptier, so hatten auch die Griechen u. Römer ihre besonderen Zahnärzte; man kannte auch die künstlichen Zähne, das Ausfüllen kranker, das Brennen derselben etc. Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrh. gerieth die Z. in die Hände der Bader, Marktschreier u. Quacksalber. Zwar lernte man die Entwickelung u. Structur der Zähne durch fortgesetzte anatomische u. physiologische Untersuchungen besser kennen, auch cultivirten einzelne Chirurgen dieser Zeit den operativen Theil, so Ambr. Paré, Fabr. ab Aquapendente, Dupont, Riverius, Ruysch, Dionis, allein im Allgemeinen wurde die Z. sehr vernachlässigt. Französische, englische u. deutsche Wund- u. Zahnärzte der neueren Zeit riefen die wesentlichsten Verbesserungen der Z. hervor, so Fauchard, Pfaff, Bourdet, Jourdain, Garengeot, Nasmyth, Tomes, Ficinus, Linderer u. m. A. Jetzt beschäftigen sich bes. die Chirurgen mit der Z., nur in größeren Städten leben eigene Zahnärzte, welche sich mit Behandlung der Zahnkrankheiten, Zahnoperationen, Einsetzen künstlicher Zähne abgeben. Als berühmte deutsche Zahnärzte der neuesten Zeit sind zu nennen die Familie Hesse, die beiden Leidner in Berlin, Carabelli in Wien etc. Vgl. Carabelli, Systematisches Handbuch der Zahnheilkunde, Wien 1851.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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