Kronos

Kronos

Kronos, Sohn des Uranos u. der Gäa, Gemahl der Rhea; bezeichnet den Himmel in der Bedeutung des Reisenden, Zeitigenden u. ist Repräsentant der zweiten Götterdynastie u. Weltregent im Goldenen Zeitalter (s. Griechische Mythologie III.); als Gott der Reise ist er auch die dämonische Macht der schleichenden, langsam reisenden Zeit. Er hatte seinen Vater entmannt (d. h. den unerschöpflichen Regengüssen desselben auf die Erde ein Ende gemacht) u. entthront, wurde aber ohne die Gabe der Verjüngung alt u. abgelebt, finster u. mürrisch. Als der Gott der verzehrenden Gluth der heißen Jahreszeit verschlingt er auch seine ihm kaum von der Rhea geborenen Söhne. Die Kinder des K. sind Demeter, Here, Hades, Poseidon u. Zeus. Als Rhea den letzten ihrer Söhne, den Zeus, geboren hatte, umwand sie einen Stein mit einem Ziegenfell (Abadir) u. gab diesen dem K. statt des neugeborenen Kindes zu fressen. So wurde Zeus (s.d.) gerettet, zwang später seinen Vater durch List, die verschluckten Brüder wieder von sich zu geben, stieß seinen Vater vom Thron, bannte ihn in die Unterwelt u. theilte mit seinen Brüdern, Poseidon u. Hades, die Herrschaft der Welt. Bei Pindar herrscht K. nach seinem Sturze, als der aller Mühe des Weltkampfes Überhobene, im Elysium über die Titanen u. die Seligen. Später war in Italien die Meinung, daß K. über das Meer gekommen u. von Janus freundlich auf- u. zum Mitregenten angenommen worden u. später allein König von Italien gewesen sei. Die Italer nahmen diesen Gott auf, identificirten ihn mit ihrem Saturnus (Saatengott), weil sie ihm die Einführung des Ackerbaues zuschrieben, u. führten auf ihn auch alle nützliche Erfindungen, wie das Pfropfen der Bäume, das Düngen der Felder (daher auch Sterculius genannt), so wie andere in die Feld- u. Gartenwirthschaft einschlagende Disciplinen, auch das Prägen des Erzes zurück. Überhaupt hörte die Verehrung des K. in Griechenland fast ganz auf, u. K. wurde mehr in Italien verehrt. Abgebildet wird er als Greis, sein Haupt dicht verhüllt, in der Rechten eine Sichel, in der Linken ein Kind, das er zu verzehren im Begriff ist; statt des letzteren hält er sonst als Symbol der Zeit eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt, hat Flügel auf dem Rücken u. einen Globus auf dem Kopfe. Auf einzelnen Monumenten hat er außer den gewöhnlichen Attributen Sichel, Herrscherstab, einen Pflanzensprößling auf dem Kopfe, den einen Fuß mit einer Sandale umbunden, den andern nackt, auch in Begleitung eines Löwen. Die meisten Züge seines Cultus sind altgriechisch, manche aber phönicischen Ursprungs; er wurde bes. auf Rhodos u. Kreta verehrt, u. sein Cultus scheint von der letzteren Insel aus in Griechenland eingedrungen zu sein. Sein beständiges Beiwort ist Ankylometes (der Verschlagene, Listige); geopfert wurden ihm Früchte, Schweine, nicht aber Menschenopfer (s. unten). In Italien wurde der Saturnus jedes Jahr bis in den 10. Monat mit wollnen Fußbinden gefesselt u. erst an den Saturnalien wieder gelöst, u. er löste auch die Banden der Sklaven, welche an diesem Fest ungehinderte Freiheit genossen, s.u. Saturnalien. In Athen feierte man dem K. am 12. des Monats Hekatombäon (der früher auch Kronios hieß), ein, den Saturnalien wahrscheinlich verwandtes Fest; ein ähnliches auch auf Rhodos. Von seinen Tempeln war ein uralter in Rom merkwürdig, in ihm war das Archiv der wichtigsten Staatsurkunden. Auch in der Blitzlehre der Etrusker kommt Saturn als Erdgott vor u. wurde bes. in Aurinia verehrt, weshalb die römischen Colonisten diese Stadt auch Saturnia nannten. Vgl. G. Sippel. De cultu Saturni, Marb. 1848.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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