Legātus

Legātus

Legātus (lat., Legat), 1) (röm. Ant.), Gesandter, s.d.; 2) der oberste Amtsgehülfe der Statthalter in den Provinzen in Civil- wie in Militärangelegenheiten. Jeder Statthalter einer bedeutenden Provinz hatte wenigstens drei vom Senat, bisweilen vom Statthalter (dann Legati adsciti) aus den Consularen od. Prätoren erwählte Legati; 3) der erste Unterfeldherr; bei einer Armee befanden sich gewöhnlich mehrere Legaten, bei einer consularischen zwei, welche die Flügel befehligten, u. einer, welcher das Lager unter sich hatte. Sie vertraten auch die Stelle des abwesenden od. sonst behinderten Oberfeldherrn u. hießen dann Legati pro praetōre; 4) in der Kaiserzeit selbständige Statthalter in den Provinzen (s.d.), mit Civil- u. Militärgewalt, u. zwar hießen sie Legati Caesăris (L. consulāres, L. praetorii) wenn sie Statthalter in den sogenannten kaiserlichen Provinzen waren, wogegen Legati imperatōris rein militärische Befehlshaber mit dem Commando über eine od. mehre Legionen in den Provinzen waren u. gewöhnlich prätorischen Rang hatten; 5) Stellvertreter des Papstes außerhalb dessen Residenz. Man unterscheidet: a) L. natus, ein solcher, dessen Legatur an einen bestimmten Erzbischofssitz geknüpft ist, so Salzburg, Prag, Gran; b) L. missus (L. datus), wirkliche Mandatare des Papstes; diese sind: aa) Delegati, Cleriker, welche für einzelne Sachen vom Papste beauftragt wurden; haben jetzt ganz aufgehört; bb) Legati a od. de latere (Collaterales, Laterales), Cardinäle, welche gewissermassen von der Seite (a latere) des Papstes abgeschickt werden, um bei besonderen Veranlassungen die Stelle des Papstes zu vertreten, in Folge dessen sie auch die Vollmacht über die meisten päpstlichen Reservatfälle haben. Jetzt werden gewöhnlich nicht mehr Cardinäle, sondern andere Prälaten geschickt; c) Nuntii apostolici, die eigentlichen Gesandten des Papstes an den Höfen, gewöhnlich Erzbischöfe in partibus; sie gehören in den Staaten, wohin sie gesandt sind, zum Diplomatischen Corps u. sind mit Instructionen in Betreff kirchlicher Jurisdiction versehen; stehende sind in Deutschland zu Wien u. München; über ihren Rang ist noch Streit, ob sie zur ersten od. zweiten Klasse der Gesandten gehören. Mit diesen Nuntien haben Ähnlichkeit die Apocrisiarii od. Responsales, welche die römischen Päpste ehedem nach Constantinopel an die griechischen Kaiser sandten, bei denen sie als beständige Agenten die Angelegenheiten der Römischen Kirche besorgten; d) Internuntii, Geschäftsträger, den Gesandten zweiten od. dritten Ranges gleich stehend. Das Legatenwesen von Rom aus begann schon im 4. Jahrh.; es hatte seinen Grund in dem Bestreben des römtschen Bischofs, alle Landeskirchen mit sich zu verbinden u. Einfluß auf dieselben zu gewinnen; daher nicht allein schon damals von Rom aus Delegaten nach den verschiedenen Ländern u. Apokrisiarien nach Constantinopel geschickt wurden, sondern auch bereits im 4. u. 5. Jahrh. Vicare für den römischen Bischof vorkommen, so in Illyricum, Gallien, Spanien. Die ständigen, mit gewissen Bischofssitzen verbundenen Legaturen gingen aber bis zum 8. Jahrh. ein u. erfreuten sich bei den anderen Landesbischöfen leines Vertrauens, weil sie ihre Primatialrechte gegen diese auf drückende Weise geltend machten. Desto häufiger schickten die Päpste, bes. seit der Mitte des 11. Jahrh., Delegaten aus, namentlich um Kirchenvisitationen zu halten u. der gesunkenen kirchlichen Disciplin aufzuhelfen. Aber ihre Anmaßungen gegen die Landesbischöfe, ihre Beanspruchung großer Procurationen od. Diäten, ihre Erpressungen u. Verschwendung machte sie allgemein mißliebig, so daß es vorkam, daß sie von dem Volke insultirt u. von den Fürsten Klage gegen sie erhoben wurde, u. daß endlich Legaten nur auf besonderen Wunsch, wenigstens nicht ohne vorher ertheilte Genehmigung der Landesherren geschickt, u. daß ihre Instructionen den Prüfungen derselben unterworfen wurden. Nachher kamen wieder die ständigen Legaturen auf. Die Reformation im 16. Jahrh. gab wieder häufiger Veranlassung zur Absendung von Legaten u. Errichtung stehender Nuntiaturen; aber auch jetzt wieder gab ihr Benehmen mehrfach Veranlassung zu Klagen wider sie, u. solche Beschwerden bildeten einen stehenden Artikel in den Gravamina nationis Germanicae (s.d.). Nach der jetzigen Praxis ist das Legatenwesen von einem doppelten Standpunkte zu betrachten: theils von dem völkerrechtlichen des Gesandtschaftsrechtes, theils von dem kirchlichen des Verkehrs des Papstes mit seinen Gläubigen; in letzter Hinsicht ist an die Stelle der früheren Mission von Legaten der umgekehrte Gebrauch Sitte geworden, daß die Ordinarien öfter nach Rom gehen u. so die Verbindung der einzelnen Landeskirchen mit dem Päpstlichen Stuhle erhalten. Vgl. Andreas Gambarus, De officio et auctoritate legati de latere, neu von A. Ferentillus, Ven. 1571; S. F. de la Torre, De auctoritate, gradu et terminis legati a latere, Rom 1656; G. Wagenseil, De legato a latere, Altd. 1696; Legatio apostolica P Aloysii Carafae a. 1624–1634, neue Ausg. von Ginzel, Würzb. 1840; Geschichte der Nuntiaturen Deutschlands, 1790. 6) Die Vorsteher der weltlichen Gerichtsbarkeit in den Provinzen des Kirchenstaats, s.d.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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