Stibäthyl

Stibäthyl

Stibäthyl (Stibtriäthyl, Triäthylstibin, Antimonäthyl), C12H15Sb = (C4H5)3Sb = Ae3Sb, organisches, dem Kakodyl (Arsenmethyl)[815] ähnliches zweiatomiges Radical, welches durch die Einwirkung von Chlor-, Brom- od. Jodäthyl auf Antimonkalium entsteht. Antimonkalium (durch Glühen von 5 Theilen rohem Weinstein mit 4 Theilen Antimon erhalten), mit 2 bis 3 Theilen feinem Quarzsand feingerieben, wird in einem kleinen Kolben mit Jodäthyl befeuchtet. Es tritt bald eine Reaction ein u. Jodäthyl verflüchtigt sich. Wenn kein Jodäthyl mehr übergeht, wird der Kolben mit einer Vorlage u. Röhre verbunden, welche mit Kohlensäure gefüllt sind u. in einer Atmosphäre dieses Gases sich befinden. Beim Erhitzen des Kolbens geht das S. über. Das Destillat wird in einer Atmosphäre von Kohlensäure rectificirt. Das S. ist wasserhell, dünnflüssig, riecht zwiebelähnlich; specifisches Gewicht 1,3244 bei 16°, erstarrt nicht bei – 29°, siedet bei 158°, löst sich leicht in Alkohol u. Äther; an der Luft bildet es einen dicken weißen Rauch, entzündet sich dann u. verbrennt mit blendend weißer leuchtender Flamme; durch eine feine Spitze in Sauerstoffgas geleitet, verbrennt es mit glänzender Lichtentwickelung; rauchende Salpetersäure bewirkt damit gleichfalls prachtvolle Verbrennung. Unter Wasser geht die Oxydation des S-s nur langsam vor sich. Das S. vereinigt sich mit 2 Äquivalenten Sauerstoff, Chlor, Schwefel etc. Unter gewissen Umständen treten aus dem S. 2 Äquivalente aus u. es bildet sich Äthylstibyl, C4H5 Sb, welches sich von dem S. dadurch unterscheidet, daß die Schwefelverbindungen des ersteren in Wasser unlöslich sind. Alle Verbindungen, welche Äthylstibyl enthalten, geben mit Schwefelwasserstoff einen gelben, unangenehm riechenden Niederschlag. Bei langsamer Oxydation des S-s bildet sich neben einer durchsichtigen, syrupdicken Masse noch ein weißes, in Äther unlösliches Pulver. Das erstere ist Slibäthyloxyd, das letztere Äthylstibylsäure, C4H5Sb O5. A) Stibäthyloxyd, C12H15Sb O2, bildet sich, wenn man eine verdünnte alkoholische Lösung von S. in einem nur lose bedeckten Gefäße verdunsten läßt; aus dem Rückstande zieht man das Slibäthyloxyd mit Wasser aus u. wiederholt das Lösen in Äther u. Abdampfen zur Trockne mehrmals. Am reinsten stellt man das Slibäthyloxyd durch Zersetzen des schwefelsauren Stibäthyloxydes mit Baryt od. des Stibäthyljodides mit Silberoxyd dar. Im reinen Zustande erscheint das Slibäthyloxyd als eine zähe, wasserhelle, nicht krystallinische Masse, welche leicht in Wasser u. Alkohol, etwas weniger in Äther löslich ist, sehr bitter schmeckt, nicht giftig ist, an der Luft keine Veränderung erleidet, nicht flüchtig ist u. beim Erhitzen in einer Glasröhre weiße, mit heller Flamme verbrennende Dämpfe u. einen antimon- u. kohlehaltigen Rückstand gibt. Durch Kalium wird es bei gelinder Erwärmung unter Abscheidung von S. zersetzt; durch verdünnte Salpetersäure u. concentrirte Schwefelsäure wird es zu Stibäthyloxydsalzen gelöst, durch Salzsäure u. ähnliche Säuren zu Chlor-S. u. entsprechenden Verbindungen. Durch rauchende Salpetersäure wird es unter Feuererscheinung zersetzt. Schwefelwasserstoff ist ohne sichtbare Einwirkung; nach dem Verdunsten der mit demselben gesättigten Lösung von Slibäthyloxyd erhält man Krystalle von Schwefel-S. B) Salze des Stibäthyloxydes: Salpetersaures Stibäthyloxyd, C12H15Sb O2 + 2 NO5, entsteht beim Sättigen verdünnter Salpetersäure mit Slibäthyloxyd; durch freiwilliges Verdunsten der Lösung erhält man es in großen rhomboïdalen Krystallen, welche bei 62,5° zu. einer klaren, bei 57° krystallinisch erstarrenden Flüssigkeit schmelzen, in Wasser leicht, in Alkohol schwerer, in Äther kaum löslich sind u. bei dem Erhitzen verpuffen. Schwefelsaures Stibäthyloxyd, C12H15SbO2 + 2SO3, läßt sich direct darstellen; am einfachsten erhält man es durch Zersetzung des Schwefel-S-s mit schwefelsaurem Kupferoxyd; es ist in Wasser leicht löslich u. krystallisirt erst aus der syrupdicken Lösung in kleinen weißen Krystallen, welche bitter schmecken u. etwas über 100° schmelzen. C) Verbindungen des S-s: a) Schwefel-S., C12H15SbS2, entsteht unter Entwickelung von Wärme, wenn man S. u. Schwefel unter Wasser zusammenbringt; die vom Schwefel abgegossene Flüssigkeit erstarrt sehr bald zu Krystallnadeln, welche man dadurch reinigt, daß man das anhängende S. an der Luft oxydiren läßt u. sodann mehrmals aus Äther umkrystallisirt. Es bildet eine voluminöse, silberglänzende Krystallmasse, welche unangenehm riecht, bitter schmeckt, sich an der Luft im trockenen Zustande nicht verändert, etwas über 100° schmilzt u. beim stärkeren Erhitzen unter Bildung eines flüssigen, dem Sulfäthyl ähnlichen Körpers zersetzt wird. Kalium entwickelt aus geschmolzenem Schwefel-S. Dämpfe von S. Die wässerige Lösung des Schwefel-S-s fällt die Metalle aus ihren Lösungen als Schwefelmetalle u. gibt mit verdünnten Säuren Schwefelwasserstoff. b) Selen-S., der vorigen Verbindung ähnlich, zersetzt sich aber sehr bald an der Luft unter Abscheidung von Selen. c) Jod-S., C12H15SbI2, wird dargestellt, indem man zu einer alkoholischen, in einer Kältemischung befindlichen Lösung von S. Jod in kleinen Quantitäten so lange setzt, als die Farbe desselben noch verschwindet, u. die erhaltene farblose Lösung verdunsten läßt. Es krystallisirt in farblosen Nadeln, welche aus Weingeist u. sodann aus Äther umkrystallisirt werden müssen; es riecht schwach nach S., schmeckt bitter, löst sich leicht in Wasser, Alkohol u. Äther, schmilzt u. erstarrt bei 70,5°, sublimirt bei 100° in geringer Menge unverändert u. wird bei höherer Temperatur unter Bildung dicker weißer Dämpfe zersetzt. d) Brom-S., C12H15SbBr2, auf ähnliche Weise wie das vorige dargestellt, durchsichtige Flüssigkeit; specifisches Gewicht 1,953, erstarrt bei – 10° krystallinisch, riecht terpentinähnlich, löslich in Alkohol u. Äther, unlöslich in Wasser, brennt mit weißer Flamme unter Entwickelung saurer Dämpfe. e) Chlor-S, C12H15SbCl2; wenn man S. mit 1 Volumen trockenen Chlorwasserstoffgas zusammenbringt, so bildet sich Wasser u. Chlor-S. Das letztere entsteht auch unter Wasserstoffgasentwickelung, wenn man rauchende Chlorwasserstoffsäure auf S. einwirken läßt. Es erscheint als farblose Flüssigkeit, hat ein specifisches Gewicht von 1,540 bei 17°, riecht stark terpentinartig, schmeckt bitter, ist unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol u. Äther, ist bei – 12° noch flüssig u. verhält sich wie Chlorkalium u. Chlornatrium. f) Cyan-S. (Stibäthin), C12H15SbCy2, bildet sich neben Schwefelquecksilber, wenn man 2 Äquivalente Cyanquecksilber u. 1 Äquivalent Ouecksilbercyanid in wässeriger Lösung zusammenbringt; eine nach Blausäure riechende u. schmeckende Flüssigkeit, welche sich gegen Metallsalze wie eine Lösung von Cyankalium verhält.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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