Gütergemeinschaft [2]

Gütergemeinschaft [2]

Gütergemeinschaft, eheliche, das Rechtsverhältniß, welches unter Ehegatten bezüglich ihres Vermögens in der Weise besteht, daß entweder alle von beiden Ehegatten in die Ehe gebrachten od.[796] während derselben erworbenen Güter, od. doch wenigstens ein Theil derselben, als eine vorwiegend unter der Herrschaft des Ehemannes stehende, ungetrennte Masse betrachtet wird. Die eheliche G. bildet sonach juristisch den Gegensatz zu dem sogenannten Dotalsystem (s.u. Dos. Ehe I. c). Während nach diesem auch während der Ehe die beiderseitigen Vermögensrechte der Ehegatten als zwei verschiedene Vermögensmassen betrachtet u. dem Ehemanne zur Bestreitung der gemeinschaftlichen ehelichen Lasten nur gewisse Benutzungsrechte am Vermögen der Ehefrau (nach Römischem Rechte ein beschränktes Eigenthum, nach neuerem, bes. Sächsischem Rechte, ein sogenannter Usus fructus maritalis) eingeräumt werden, geht die eheliche G, davon aus, daß der Charakter der Ehe als einer alle Lebensverhältnisse der Ehegatten auf das innigste umschließenden Gemeinschaft auch eine Vereinigung des Vermögens bedinge u. insbesondere die Frau verpflichtet sei, dem Manne als Haupt der Familie kraft seines Mundiums (s.d.) den Gebrauch u. die Vertretung des gemeinsamen Vermögens zu den Zwecken der Ehe zu überlassen, Der letztere Gedanke ist der Grundgedanke des deutschen ehelichen Güterrechts; allein derselbe ist in den verschiedenen Particularrechten in der mannigfachsten Weise entwickelt worden, so daß sich feste Principien von allgemeinerer Geltung auf diesem Gebiete kaum aufstellen lassen. Indem man nämlich das ältere Recht später theils mit den Grundsätzen des Römischen Rechtes über das Dotalrecht, theils mit der Idee einer zwischen beiden Ehegatten vertragsmäßig bestehenden Communion verband, bald die Vorstellungen von einem Gesammteigenthum hereinzog, bald wieder mehr nur die Rücksicht auf die künftigen Erbrechte der Ehegatten vorwalten ließ, wurde der ursprüngliche Rechtscharakter vielfach verdunkelt u. zum Theil ganz umgewandelt. Folgende Systeme lassen sich dabei als Hauptarten unterscheiden: a) das System der völligen Gütereinheit, nach welchem alles vor u. während der Ehe erworbene Vermögen der Frau, insofern nicht durch besondere Ehepacten od. wegen der nur beschränkten Verfügungsgewalt der Frau davon Einzelnes als Sondergut ausgenommen wird, in die Gewere des Mannes u. damit demselben zu freier Verfügung für die Zwecke der Ehe anheimfällt. Der Ehemann hat hiernach das Recht auf den Besitz u. die Verwaltung; er kann in der Regel auch die Mobilien nach seinem Gutdünken frei veräußern, u. nur bei den unbeweglichen Gütern ist meist hierzu noch die Zustimmung der Frau als nothwendig vorgeschrieben. Doch ist dieses Verfügungsrecht nicht auf eine wirkliche Vermögenssuccession zurückzuführen, sondern für die Frau sowohl, als für den Mann, bleiben zunächst bezüglich ihrer Güter die früheren Rechtsverhältnisse bestehen u. die Güter eines Jeden haften daher für die vor Eingehung der Ehe etwa eingegangenen Verpflichtungen getrennt, während für die nach der Ehe entstandenen Schulden, insofern sie nur durch den gemeinsamen Haushalt od. Erwerbszweig, nicht durch dolose Handlungen od. bloße Schenkungen, welche den Zwecken der Ehe fremd waren, hervorgerufen worden sind, allerdings das gesammte Vermögen als eine ungetrennte Vermögensmasse (daher das Sprichwort: Wem ich meinen Leib gönne, de gönne ich auch mein Gut) zu haften hat. Bei Auflösung der Ehe erhält die Frau ihr Eingebrachtes von dem bisher vereinten Vermögen wieder heraus u. kann zugleich Ersatz desjenigen verlangen, was von diesem Eingebrachten etwa durch widerrechtliche Handlungsweise des Ehemannes verloren gegangen ist. Wegen der Schwierigkeit, die diese Scheidung bei längerer Dauer der Ehe nothwendig immer haben muß, bestimmen aber manche Statuten, daß die Frau statt ihres Eingebrachten entweder nur einen aliquoten Theil des vorhandenen Vermögens zu beanspruchen hat, od. daß sie nur die noch vorhandenen Stücke des eingebrachten Vermögens, daneben aber auch einen kleineren. Erbantheil an dem übrigen Vermögen (statutarische Portion, s.d.) od. eine Leibzucht erhält; b) das System der allgemeinen G. Diese Gemeinschaft erstreckt sich zwar auch auf das ganze vorhandene u. zukünftige Vermögen der Ehegatten; auch gebührt dem Manne dabei ausschließlich die freie Verwaltung, allein ein Hauptunterschied besteht darin, daß die vor der Ehe bestandenen Rechte u. Pflichten der Ehegatten nunmehr in eine gemeinschaftliche Masse aufgehen, an welcher beide Ehegatten, insofern nicht etwas Anderes bestimmt ist, gleichen Theil haben. Auch die vor der Ehe bestandenen Schulden werden daher gemeinschaftlich, wie die nach der Ehe hinzugetretenen; nur pflegt die Frau hinsichtlich der Contrahirung neuer Schulden in der Weise beschränkt zu sein, daß der Ehemann nur diejenigen anzuerkennen braucht, welche die Frau entweder in seinem unmittelbaren Auftrage od. zu den gewöhnlichen Bedürfnissen der häuslichen Wirthschaft einging. Bei Auflösung der Ehe wird das bisherige Gesammtvermögen reell getheilt, so daß namentlich beim Tode des einen Ehegatten der Überlebende die Hälfte bekommt, die andere Hälfte aber den Kindern od. den Verwandten des Verstorbenen zufällt. Oft ist hierbei noch Rechtens, daß, wenn Kinder vorhanden sind (sogenannte beerbte Ehen), die G. von dem Überlebenden mit den Kindern fortgesetzt werden muß (Communio bonorum prorogata) u. die Theilung erst dann eintritt, wenn auch der überlebende Ehegatte gestorben ist, od. von einem od. dem andern Theil aus bewegenden Gründen, z.B. wegen Wiederverheirathung, eingetretener Verwaltungsunfähigkeit od. Verschwendung, auf Abschichtung angetragen wird; c) das System der particularen G. (Communio bonorum particularis), bei welcher die Rechtsgemeinschaft der Ehegatten nur an einem Theile der ehelichen Güter besteht, während im Übrigen das Vermögen des Mannes u. das der Frau von einander getrennt bleiben. Meistens besteht dieser als gemeinschaftlich geltende Theil dann in der sogen. Errungenschaft (Acquaestus), d.h. demjenigen Vermögen, welches während der Ehe von den beiden Ehegatten hierzu erworben worden ist, zuweilen auch in der ganzen fahrenden Habe, seltener in der bloßen Collaboration, d.h. demjenigen Erwerb, welcher von den Ehegatten durch gemeinschaftliche Geschäftsthätigkeit u. durch Ersparungen gemacht worden ist, nach einigen Rechten auch nur in den Hochzeitsgeschenken. Das Gemeinschaftsvermögen haftet, wie bei der allgemeinen G., für alle Schulden, welche entweder durch Mitwirkung beider Ehegatten od. von einem Ehegatten kraft der ihm zustehenden Verfügungsgewalt (bei der Frau also nur bezüglich der Verwaltung des inneren Hauswesens)[797] gemacht wurden; das Sondergut haftet für alle Schulden, die schon vor der Ehe darauf ruhten od. während der Ehe zu einem einseitigen, nur dieses Gut betreffenden Zwecke gemacht wurden. Bei der Auflösung der Ehe richten sich die Rechte an dem Sondergut nach den dafür sonst bestehenden Grundsätzen an dem Gemeinschaftsvermögen gebührt jedem Ehegatten die Hälfte. Verminderungen, welche das Sondergut eines Ehegatten etwa zum Besten der gemeinen Masse erlitten hat (eheliche Einbuße), müssen aber vorab ersetzt werden. Die G. kann in ihren verschiedenen Gestaltungen als regelmäßige Form des ehelichen Güterrechts durch Landesrecht u. Landesgewohnheit eingeführt sein, so daß sie im Zweifel die rechtliche Grundlage für alle Ehen bildet (sogen. Communio bon. legalis s. consuetudinaria); sie kann aber auch in Ländern, wo sonst ein anderes System des ehelichen Güterrechts gilt, durch Vertrag der Ehegatten unter sich (Communio bon. partitio s. conditionalis) begründet werden. Das System der Gütereinheit ist am meisten verbreitet in den Ländern des Fränkischen Rechts, daher im heutigen Franken (Bamberg, Würzburg, Baireuth, Ansbach etc.), im Koburgischen, Hildburghausen, im Hohenloheschen, Fuldischen, Kemptenschen Gebiet, ebenso aber auch in Bremen u. mehreren Gegenden von Oldenburg. Mehr dem System der allgemeinen G. neigen sich die ehelichen Güterrechte in der Grafschaft Mark, Cleve, in Hamburg, in mehreren mecklenburgischen Städten, in Pommern, in mehreren holsteinischen u. schleswigischen Gegenden zu. Ganz eigenthümlich ausgebildet ist die G. im Lübeckischen; die G. entsteht hier nur bei beerbten Ehen. Der Ehemann ist bei der letztwilligen Verfügung mehrfach begünstigt, die Frau dagegen hat das Recht, bei vorhandener Überschuldung durch eine feierliche Entsagung, Beneficium abdicationis) ihre Güter den Ansprüchen der Creditoren zu entziehen. Eine bloße G. der Errungenschaft u. der fahrenden Habe findet sich bes. am Niederrhein; bloße Errungenschafts-G. in Baiern, Österreich, Kurhessen, in Dithmarsen u. im Butjadingerland, sowie in Württemberg u. der Oberpfalz. Vgl. Lange, Rechtslehre von der Gemeinschaft der Güter unter den deutschen Eheleuten, 1766; Scherer, Die Lehre von der Gemeinschaft der Güter unter den Eheleuten, 1799 f., 2 Thle.; Hasse, Beitrag zur Revision der bisherigen Lehre von der ehelichen G., 1808; Deiters, Die eheliche G. nach Münster. Provinzialrecht, 1831; Runde, Deutsches eheliches Güterrecht, Oldenb. 1841.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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