Nähmaschine

Nähmaschine

Nähmaschine, kleine Maschine zum Zusammennähen mehrer Stücke Zeug, Tuch, Leder u. dgl. Die N. wurde zu Anfang des 19. Jahrh. erfunden, blieb aber unzweckmäßig, so lange man bemüht war, damit in derselben Weise zu nähen, wie man mit der Hand näht, nämlich so, daß die Nadel stets ganz durch den zu nähenden Stoff hindurchgeführt wird u. darauf entweder von der andern Seite an einer andern wieder durch das Zeug hindurch, od. über die Naht hinweg in der Luft auf die erste Seite, zurückgeführt wird. Eine solche Einrichtung hatte die erste in Deutschland erfundene N. des Wiener Schneidermeisters Madersperger (1814); ihre. Nadel war an beiden Enden zugespitzt, hatte das Öhr in der Mitte, bewegte sich senkrecht auf u. nieder, so daß sie abwechselnd mit der einen u. der andern Spitze durch den Stoff durchstach; mit etwa 17 Zoll langen Fäden nähte sie etwa 130 Stiche auf einmal, worauf ein neuer Faden eingefädelt werden mußte. Ähnlich war die etwas früher erfundene N. der Engländer Stone u. Henderson, bei welcher die Nadel durch zwei sich abwechselnd öffnende u. schließende hin u. her gehende Zangen durch das Zeug hin u. her geführt wurde[650] Für einzelne Zwecke sind indessen auch solche Maschinen brauchbar; so arbeiten die auf der Londoner Ausstellung 1851 ausgestellten N-n von W. u. C. Mather zum Zusammennähen von rohen Kattunstücken behufs ihrer Weiterbehandlung u. von Senechal in Belleville bei Paris zum Nähen von Säcken u. dgl. mit wirklichen Nadeln, welche durch das Zeug hindurch gestochen werden, nachdem es in entsprechender Weise von der Maschine zusammengefaltet worden ist. Ein wesentlicher Fortschritt war es aber, als man die Nadel nicht mehr ganz, sondern nur ein Stück durch das Zeug hindurch u. gleich darauf in demselben Loche oder Stiche wieder zurückgehen ließ; die Nadel bleibt dann fest mit dem sie hin u. her bewegenden Maschinentheil verbunden, es muß aber, wenn der Nähfaden dabei durch das Zeug hindurch gelangen soll, das Öhr der Nadel nahe an die Spitze gelegt werden, u. man versieht die Nadel zugleich mit einer kleinen vom Öhr auslaufenden Furche, in welche sich der Faden einlegt. Damit nun aber der durch die Nadel eingeführte Faden nicht mit der Nadel wieder zurückgeht, muß er auf irgend eine Weise auf der andern Seite des Zeugs zurückgehalten werden. Nach der Art u. Weise wie dies geschieht, zerfallen die N-n wieder in zwei Klassen. Bei der einen wird durch die Schleife, welche der Nähfaden beim Rückgange der Nadel bildet, ein zweiter Faden entweder durch einen Schützen (od. Schiffchen, daher Schiffchenmaschinen) durchgezogen; od. die Schleife des ersten Fadens wird durch eine rotirende, mit einem hakenähnlichen Vorsprunge versehene Scheibe (Fadensänger) erfaßt u. über eine kleine Spule hinweggezogen, auf welche der zweite Faden aufgewickelt ist. Die erste Maschine dieser Art wurde 1844 in England für Fischer u. Gibbons patentirt. Wirklich brauchbare Maschinen wurden aber erst später geliefert u. gingen von Amerika aus; darunter sind vorzüglich zu nennen die N. von Judkins u. die in Deutschland ziemlich verbreitete N. von Singer in New York. Auch die N-n von v. Platt, von Wheeler, von Wilson arbeiten mit zwei Fäden. Die mit solchen Maschinen gefertigten Nähte gleichen einer sogen. Steppnaht; sie sind ebenso schön als dauerhaft. Bei der andern Klasse von N-n dagegen wird blos mit einem Faden genäht; die von dem Faden beim Rückgange der Nadel gebildete Schleife wird von einem Häkchen erfaßt u. fest gehalten, während die Nadel vollends zurückgeht u. darauf an einer andern Stelle des inzwischen um eine Stichlänge verschobenen Zeugs wieder herabkommt, durch die erste Schlinge hindurchgreift u. eine zweite Schlinge bildet, welche jetzt von dem Häkchen erfaßt od. festgehalten wird, während die erstere Schlinge zugleich fest angezogen wird, auf der obern Zeugseite erscheinen so gerade Stiche in einer ununterbrochenen Linie, auf der untern Seite aber greifen die Stiche in ganz ähnlicher Weise in einander, wie die Glieder einer Kette, denn jede Schlinge ist durch die nächst vorhergehende hindurchgezogen, daher hat man diese Naht Kettenstichnaht genannt. Die vollkommenste unter diesen für starke Näherei minder geeigneten Kettenstichmaschinen ist die von Watson in New York, welche in Amerika bes. verbreitet ist. Die 1852 in England patentirte N. von Grover u. Baker näht eine doppelte Kettenstichnaht mit zwei Nadeln, mit einer geraden, welche durch das Zeug auf u. nieder geht, u. mit einer kreisförmig gebogenen, die sich unter dem Zeuge kreisförmig hin u. her bewegt; da die Schlingen der geraden u. der Kreisnadel durcheinander hindurchgezogen werden, so entsteht auf der Oberseite eine Steppnaht, auf der Unterseite eine doppelte Kettenstichnaht; es ist diese Naht bes. für Weißnäherei vortrefflich. Die weiteste Verbreitung haben die N-n in Amerika gefunden, wo sie sich namentlich auch in die Familien Eingang verschafft haben; vielfach treten dort mehre Familien zusammen, um sich eine N. zu kaufen, die dann bei ihnen die Runde macht; ebenso ist es üblich, daß N-n von deren Besitzern leihweise verborgt werden. Auch in England u. in Deutschland verbreitet sich die N. immer mehr u. mehr u. wird nicht allein bei Verfertigung der Wäsche, sondern auch zum Nähen von Tuch, ja selbst Leder mit großem Vortheil angewendet. Die besten N-n werden in Deutschland in Leipzig (bei Hoffmann, bei Peter Huber, bei Neumann), in Berlin u. in Oschatz (bei Heinrich Pfitzer) gebaut u. kosten je nach ihrer Größe u. Einrichtung 80–120 Thlr. Das zu nähende Zeug liegt gewöhnlich auf einem kleinen Tisch auf einer übereiner kleinen Vertiefung im Tische liegenden, für den Durchgang der Nadel durchbrochenen Platte; die Nadel wird senkrecht auf u. nieder bewegt u. dringt dabei mit ihrem unteren mit dem Öhr versehenen Theile durch das Zeug, die übrigen Theile, welche zur Bildung des Kettenstichs od. zum Durchziehen der vom Nähfaden gebildeten Schleife mit einem zweiten Faden nothwendig sind, liegen unter der Platte, sämmtliche bewegliche Theile der Maschine, also auch die Nadel werden von einem Fußtritt aus in gleichmäßige Bewegung versetzt, in größeren Fabriken treibt man wohl auch sämmtliche Maschinen von einer Stelle aus. Der Arbeiter hat beim Nähen mit der Maschine weiter nichts zu thun, als das Zeug in der Richtung u. Weise, als es durchnäht werden soll, unter der Nadel vorbei zu führen, alles Übrige besorgt dann die Maschine selbst u. arbeitet so schnell, daß eine einzige Maschine unter Umständen eben so viel näht, als 6–20 Personen. Ein tüchtiger Arbeiter liefert an einer N. der besten Art in esner Woche 1600 Leipziger Ellen geradlaufende Naht mit zehn Stichen auf 1 Zoll Länge, od. in einem Tage 10 Dutzend Armbändchen für Männerhemden, od. 50 Dutzend Hemdkragen etc.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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