Guienne

Guienne

Guienne (Guyenne, spr. Güjenn), 1) ehemals Provinz in Frankreich, an die Pyrenäen, Languedoc, Auvergne, Angoumois, Saintonge u. das Gascognische Meer grenzend; war in die Landvogtei. G., in Perigord, Agenois, Quercy, Rovergue u. Bazadois getheilt; begreift jetzt die Departements Gironde, Lot u. Garonne, Dordogne, Lot u. Aveiron; vgl. Aquitania. – Die frühere Geschichte von G. bis zum 10. Jahrh. ist unter Aquitania (s.d.) erzählt worden; seit dem 10. Jahrh. nannten sich die Herzöge dieses Landes nach G. Sie residirten meist in Bordeaux u. hatten sich, obgleich Großbeamten der Krone, doch von dieser fast ganz unabhängig gemacht. Als sich 987 Hngo Capet des französischen Thrones bemächtigte, erkannte ihn Herzog Wilhelm II. nicht an, sondern hielt sich zu Karl von Lothringen, dem rechtmäßigen Thronerben; Hugo fiel deshalb in Poitou ein u. belagerte Poitiers; obgleich von dort zurückgeschlagen, schloß Wilhelm doch Frieden mit ihm (989) u. legte 990 die Regierung nieder. Auch sein Sohn u. Nachfolger, Wilhelm III., nahm sich des gestürzten Königshauses an u. nach dem Tode Karls von Lothringen erzog er dessen zwei minderjährige Söhne als Kronprätendenten. Er kämpfte siegreich gegen den Grafen Boso II. von Marche, wurde aber 1018 von den Normannen, die bei St. Michel gelandet waren, geschlagen; er dankte 1029 ab u. ging in ein Kloster. Wilhelm IV. kämpfte mit dem Grafen Gottfried von Vendôme, wurde am 20. Sept. 1034 bei Montnetour geschlagen u. gefangen u. erst im März 1038 durch seine Gemahlin losgekauft, starb aber wenige Tage nach seiner Befreiung kinderlos. Sein Nachfolger war sein Bruder Odo, der aber 1039 vor dem Schlosse Mauzé blieb, das er dem Grafen Vendôme entreißen wollte. Diesem folgte der dritte Bruder, Peter, als Wilhelm V.; auch er hatte mit Gottfried von Vendôme harte Kämpfe, in denen begriffen er 1058 in Poitiers starb; nun folgte sein jüngster Bruder Veit Gottfried, als Wilhelm VI., der, außer einem Theil von G., auch schon seit 1054 das Herzogthum Gascogne besaß; er führte siegreich Krieg gegen die Herren von Luzignan, wurde aber von den Nachfolgern des Grafen Gottfried von Vendôme am 20. Mai 1061 bei Chef-Boutonne geschlagen u. ihm Saintes wieder abgenommen, das er ihnen früher entrissen hatte; 1062 eroberte er es aber nochmals; 1063 focht er in Spanien siegreich gegen die Mauren. Wilhelm VII., sein Sohn, folgte 1087; er nannte sich Herzog von Aquitanien u. Graf von Toulouse, welches letztere Land er 1098 vom Graf Raimund IV. von Toulouse eroberte; 1100 aber trat er dieses Land wieder an Raimunds Sohn, Bertrand, ab. Auf dem Concil in Poitiers (1100) nahm er für König Philipp I. gegen den Papst Paschalis II. Partei; Letzter wollte ihn deshalb in den Bann thun, aber 1101 nahm Wilhelm VII. das Kreuz; nach vielen Abenteuern kehrte er 1103 nach G. zurück; eroberte 1114 Toulouse noch einmal u. stand 1119 dem König Alfons von Navarra gegen die Saracenen bei, siegte mit bei Cordova (17. Juni 1122), verlor aber Toulouse wieder, das sich während seiner Abwesenheit empörte; er st. 1127. Sein Sohn u. Nachfolger, Wilhelm VIII., mischte sich in die geistlichen Händel u. erklärte sich bis 1135 für den Papst Anaclet II.; 1136 unterstützte er den Grafen Gottfried Plantagenet bei dessen Einfall in die Normandie u. st. 1137. Seine Tochter Eleonore, an den König Ludwig VII. von Frankreich vermählt, erbte das Land. Als sich Ludwig 1152 wegen ihres ausschweifenden Lebens von ihr hatte scheiden lassen, heirathete sie den Herzog Heinrich von der Normandie, aus dem Hause Plantagenet, welcher 1154 König von England wurde, wodurch G. an England kam. Die Großen des Landes empörten sich zwar, aber Heinrich unterdrückte die Aufstände u. trat 1169 das Land an seinen Sohn Richard Löwenherz ab, der es durch Raoul von Faye verwalten ließ. Von 1186–1188 bekriegte u. eroberte Richard Toulouse u. Rochelle, u. trat 1196 G. an seinen Neffen Otto von Braunschweig ab. Dieser wurde aber 1198 zum deutschen König gewählt u. verließ deshalb G., das Eleonore nach dem Tode ihres Sohnes, des Königs Richard (1199), wieder in Besitz nahm u. bis zu ihrem Tode (1203) behielt. In dem Kriege des Königs Philipp IV. gegen Eduard V. von England wurde 1296 G. von den Franzosen erobert u. erst beim Frieden 1303 wieder zurückgegeben; 1362 wurde der Schwarze Prinz damit belehnt; 1451 nahmen die Franzosen, nach der Eroberung der Normandie, auch. G. Vergebens landete der alte Graf Talbot 1452, um es wieder zu gewinnen; er blieb 1453 bei dem Sturm auf das Lager von Chatillon, worauf die englische Armee geschlagen wurde. G. blieb seitdem bei Frankreich u. 1469 übergab es Ludwig XI. an seinen Bruder, den Herzog von Berry, statt der Champagne u. Brie. Nach dessen Tode (1472) fiel G. aber an Frankreich zurück u. theilte seitdem das Schicksal Frankreichs.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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