Festungskrieg

Festungskrieg

Festungskrieg, 1) der Krieg, in sofern er sich auf den Angriff. u. die Vertheidigung befestigter Plätze erstreckt. I. Jedem Angriff einer Festung geht eine Aufforderung der Festung durch einen von einem Trompeter begleiteten Offizier, der sich bei den Vorposten als Parlamentär meldet, mündlich od. mittelst eines von diesem überbrachten Schreibens, voraus. Diese Aufforderung erfolgt oft selbst, wenn der Angreifende zu schwach ist, od. es nicht in der Nothwendigkeit der Operation der Hauptarmee liegt, die Festung ernstlich anzugreifen, u. sich der Angreifende nur mit der Beobachtung der Festung begnügt, indem er sich nur im Gesichtskreise der Festung zeigt, sie mit einer Kette Cavallerieposten umgibt, die sich im Nothfall schnell zurückziehen können, u. das Hauptcorps nach der Seite hin aufstellt, wohin er sich im Fall der Noth zurückziehen will, um den Rückzug jedenfalls zu sichern. Ein guter Commandant lehnt solche Aufforderungen fest u. bestimmt ab. Die Angriffe einer Festung können in verschiedenen Formen ausgeführt werden, selten jedoch wird nur eine dieser Formen zur Anwendung kommen, meist wird man andurch die Anwendung mehrerer derselben zum Ziele zu gelangen suchen. Die Art u. Weise der Vertheidigung richtet sich nach der Form des Angriffes.

A) Die Blockade. a) Maßregeln des Angreifenden. Man unternimmt sie, wenn die Festung zu groß, von Natur u. Kunst zu fest od. mit einer zu starken Garnison versehen ist, wenn es den Belagerern an Belagerungsgeräth od. an Truppen u. Geld zur Belagerung fehlt, wenn der Winter od. sonst übles Wetter die Belagerungsarbeiten unmöglich machen, od. wenn die Festung von so geringem strategischen Einfluß ist, daß es nicht dringend nöthig ist, sie in die Hände zu bekommen, wohl aber gut, den Feind von Ausfällen abzuhalten. Zu diesem Zwecke erfolgt zunächst die Berenunng (Einschließung). Starke Abtheilungen Infanterie u. Cavallerie, auch leichtes Geschütz, rücken gegen den Platz vor u. werfen die feindlichen Vorposten zurück. Die Beschaffenheit des Terrains u. dergl. wird erkundet, u. sodann 1200–2000 Schritte, od. noch näher an der Festung eine Kette Infanteriedoppelposteu, je 100–200 Schritte von den anderen entfernt, möglichst verdeckt u. gesichert so postirt, daß sie die Zugänge zur Festung vollkommen schließen. Offizierwachen von je 30–40 Mann dienen dieser Postenkette zum ersten Soutien u. haben alle Sicherungsmittel der Vorposten, Meldeposten, Seitenposten u. dergl. aufgestellt. 800–1000 Schritte noch weiter zurück stehen von Strecke zu Strecke 1 bis 2 Bataillone als zweite Soutien, so daß 4–6 solcher Abtheilungen die Festung umgeben. Größere u. kleinere Verschanzungen werden aufgeworfen, um diesen Abtheilungen Als Stützpunkte gegen die Ausfälle der Belagerten zu dienen. Das übrige Belagerungscorps cantonnirt in den rückwärts gelegenen Dörfern od. steht vertheilt im Lager u. bildet so die Hauptunterstützung. Stets muß die Communication der Posten u. Haupttrupps durch Brücken, Wege u. dergl. gut unterhalten sein, damit nicht ein Theil des Belagerungscorps einzeln angegriffen u. überwältigt werde. Gewöhnlich ist das Blockadecorps mit dazu bestimmt, die Festung auszuhungern. Es müssen deshalb alle Wege, auf denen der Platz Zufuhr erhalten kann, auf das Strengste geschlossen, u. auch wenn, wie es bes. früher sehr häufig geschah, ein feindliches Beobachtungscorps in der Nähe steht, Anstalten getroffen werden, daß dieses nicht einen Theil des Belagerungscorps überfallen u. wegschlagen u. dann Convoys mit Lebensmitteln u. Munition in den [219] Platz werfen kann. Ehedem umschloß man die Festung fast stets mit Contravallationslinien od. mit zusammenhängenden Verschanzungen, welche Brustwehr u. Graben nach der Festung zu hatten, u. schützte sich gegen Angriffe eines Entsatzcorps durch Circumvallationslinien, mit denen man das ganze Lager nach außen umgab, u. deren Front nach der Feldseite zu gerichtet waren. Mit der zunehmenden Ausbildung der Feuerwaffen jedoch erwiesen sich diese Linien immer weniger ausreichend, mußten nothwendigerweise auch immer mehr an Umfang gewinnen, daher bei ihrer Anlage die Arbeitskräfte übersteigen. Man sah deshalb von ihnen ab u. begnügte sich durch Aufstellung eines Beobachtungscorps, die etwaigen Entsatzversuche zu vereiteln. b) Maßregeln des Vertheidigenden. Der Vertheidiger completirt vor Eintritt der Blockade die Besatzung, sichert sich gegen Aushungern durch ein Approvisionnement (Ravitaillirung, Verproviantirung) auf 6 Monate bis 1 Jahr, indem er die Bedürfnisse an Getreide, Vieh, gesalzenem Fleisch, Branntwein, Arzneien etc. durch Kauf, Lieferungen, Requisition u. zuletzt Ausfouragirung der umliegenden Gegend etc. zusammenbringt u. in möglichst bombenfesten Räumen verwahrt, sorgt in Bergfestungen für gutes Trinkwasser, wo möglich aus Brunnen, sonst aus Cisternen u. auch im Allgemeinen für Geld zu Bezahlung der Truppen u. zu sonstigen Bedürfnissen. Alle überflüssige Einwohnerschaft wird durch Ausweisung der Fremden u. Ermahnung der Bürger, ihre Greise, Weiber u. Kinder zum Wegziehen zu bewegen, entfernt, die Zurückbleibenden angehalten, sich auf eine gewisse Zeit zu verproviantiren, u. wer dies nicht kann u. will, im Nothfall ausgewiesen.

B) Der Überfall. a) Maßregeln des Angreifenden. Durch einen Gewaltmarsch nähert sich der Angreifer plötzlich dem Platze u. sucht mit einzelnen Colonnen überraschend in denselben einzudringen, sei es mit Hülfe von Leitern (Leiterersteigung), sei es ohne diese an schwachen Stellen der Werke od. auch über die schlechtbewachten Brüchen u. durch die Thore. Nur wenn die Besatzung schwach u. in der Bewachung nachlässig ist, kann der Angriff gelingen, Einverständnisse mit den Bewohnern. od. gar mit der Besatzung erleichtern das Unternehmen, u. als die günstigste Zeit für den Angriff kann man die Nacht od. starken Nebel od. Regen ansehen; genaueste Localkenntniß ist dabei eine nothwendige Bedingung. Während die Infanteriecolonnen sich in forcirtem Marsche dem Platze nähern, streifen kleine Cavallerieabtheilungen umher, um zu verhindern, daß irgend eine Nachricht in die Festung gelange. Der Angriff geschieht auf zwei bis drei Punkten auf ein gemeinschaftliches Signal, z. V. auf einen Stundenschlag in der Stadt u. dergl. Meist ist von diesen Angriffen nur einer der wahre, doch ist die Reserve bereit den falschen, wenn es bei diesem gelingt einzudringen, in einen wahren zu verwandeln. Die Colonnen rücken, mit den Arbeitern an der Spitze, in möglichster Stille an das Glacis der Festung heran, übersteigen die Pallisaden, überrumpeln die Wachen u. nehmen die Waffenplätze u. ein Thor möglichst geräuschlos, od. ersteigen auch wohl möglichst still den Wall u. öffnen das Thor von Innen. Auch legt man bei Nacht Verstecke, um, wenn der Feind am Morgen unvorsichtig die gewöhnliche Morgenpatronitten macht, mit ihm zugleich in die Festung einzudringen, od. man wendet allerlei Kriegslisten an, um sich eines Thores zu bem ächtigen. Der kleinste Zufall kann indessen dergleichen Überfälle vereiteln, bisweilen sind dieselben auch dadurch gescheitert, daß ein nicht genügendes Zusammenwirken der schon eingedrungenen Angriffscolonnen stattfand. b) Gegen den Überfall sichern am besten: die Sturmfreiheit der Festungswerke u. große Wachsamkeit bei Bewachung derselben (häufige Allarmirungen, zahlreiche Patrouillen, welche das Außenterrain weithin durchstreifen, spätes Öffnen u. zeitiges Schließen der Thore etc.). Energie u. zweckmäßige Vertheilung der Streitkräfte im Innern der Festung können aber auch dann noch den Angriff vereiteln, wenn der Feind schon an einzelnen Punkten in die Werke eingedrungen ist, wie z.B. 1814 in Bergen op Zoom.

C) Beschießung (Bombardement). a) Maßregeln des Angreifenden. Durch Bewerfung des Festungsinnern mit Geschossen aller Art (Bomben, Granaten, glühenden Kugeln, Raketen) will man großen Schaden anrichten u. dadurch den Commandanten der Festung zur Übergabe derselben zwingen. Das Vorhandensein zahlreicher schwerer Geschütze ist daher die Grundbedingung. Ob die Beschießung von Erfolg sein kann, hängt wesentlich von der Beschaffenheit der Festung ab, bisweilen auch von dem Zustande der Vertheidiger u. deren Verhältniß zu den Bewohnern. Sind in der Festung ausreichend bombensichere Räume zur Unterbringung von Truppen u. Materialien vorhanden u. hat der Befehlshaber nicht Rücksicht auf die Schonung des Platzes zu nehmen, so dürfte in der Regel die angerichtete Zerstörung der einzige Erfolg des Bombardements sein. Ist dagegen die Festung klein u. ohne genügende bombensichere Räume, od. umschließt die Festung eine große, reiche Stadt, deren Schonung dem Gegner am Herzen liegen muß, so kann die Beschießung am schnellsten zur Einnahme führen. Zuweilen erfolgt ein Bombardement auch nur. um als Vorbereitung zu einem gewaltsamen Angriff zu dienen. Daraus schon ergibt sich die Nothwendigkeit, bei Einleitung des Bombardements auf Überraschung u. Zusammenwirkung aller Kräfte zu sehen; die verwendbaren Geschütze (ob größeres od. kleineres Kaliber) u. die durch die Lage der Festungswerke bedingte Aufstellung derselben, entscheiden über die Entfernung, aus welcher die Beschießung vorgenommen wird, je geringer diese Entfernung ist, desto kräftiger kann natürlich die Beschießung sein. b) Gegen Beschießung sichert sich der Vertheidiger, wenn die Festung nicht durch bombenfeste Kasematten u. weit vorgerückte, den Bau der feindlichen Batterien hindernde, feste Außenwerke darauf eingerichtet ist, nur sehr unzureichend; fast stets wird, wenn es dem Feinde Ernst ist, die Verbrennung der Stadt u. der Magazine gelingen. Um aber dochdas Mögliche zu thun, muß alles Löschgeräthe in Stand gesetzt u. verdoppelt, nie Einwohner in militärischorganisirte Löschcompagnien getheilt, nicht bombenfeste Magazine u. dgl. bis auf 12 Fuß Höheabgetragen u. das platte Dach, um es bombenfest zu machen, mit einer Doppellage Balken u. einer Lage Mist u. Erde überdeckt werden. Außerdem werden Kammern zum sicheren Aufenthalt der Besatzung während des Bombardements in den Wall gegraben, andere[220] bombenfreie Räume durch Befestigen von Balken unter einem Winkel von 50 Grad an den Wall gewonnen. Dem Feuer des Feindes antwortet man entweder gar nicht od. man bewirft dessen Batterien mit Bomben, aus womöglich in bedeckten Batterien aufgestellten Mörsern; Kanonenfeuer wird dem Feinde bei der großen Entfernung seiner Batterien weniger schaden, kräftige u. überraschende Ausfälle werden dagegen ein wirksames Mittel sein. Das Geschütz sichert man durch Traversen gegen Ricochetfeuer od. fährt es lieber von den Wällen einstweilen ab. Das Straßenpflaster wird aufgerissen, dam it die Bomben statt abzuprallen u. mehr zu schaden, in die Erde dringen u. dort crepiren.

D) Brusquirter (gewaltsamer) Angriff. a) Maßregeln des Angreifenden. Dieser Angriff gleicht dem Überfall, nur daß ihm Blockade u. Einschließung, häufig auch ein Bombardement, bereits vorangingen, auch die Laufgräben oft schon eröffnet u. mehr od. weniger weit gediehen sind, u. daß er nicht sowohl durch Überrumpelung des Feindes, sondern durch die, offen am Tage, auf einen Punkt gerichteten Gewaltmittel, den Erfolg herbeiführen soll. Lebhaftes Feuer aus allen verfügbaren Batterien unterstützt das Vorbrechen der in den, zunächst an der Festung liegenden Logements aufgestellten Infanteriecolonnen. Ausfallstufen u. dergl. müssen das rasche u. geordnete, auf ein gegebenes Signal gleichzeitig erfolgende Vorbrechen der Colonnen ermöglichen. Feste Ordnung u. rasche Bewegung, sowie Gleichzeitigkeit beim Angriff, sichern den Erfolg am meisten; Arbeiterabtheilungen begleiten die Colonnen, um Hindernisse zu beseitigen u. die Festsetzung auf den genommenen Werken herzustellen; geschickte Benutzung der kleinsten Terrainfalten u. Unebenheiten, welche Schutz gegen das feindliche Feuer gewähren können, werden bisweilen den in der Regel sehr großen Verlust beim gewaltsamen Angriffe zu verringern vermögen. b) Die Vertheidigung der Festung gegen den gewaltsamen Angriff ist ähnlich wie beim Überfall, nur daß hierbei in den meisten Fällen, weil die Anstalten des Feindes bei hinreichender Aufmerksamkeit bemerkt werden müssen, schon besondere Gegenanstalten getroffen werden können. Sobald der bevorstehende Sturm erkannt ist, werden sämmtliche Batterien gefechtsbereit gemacht, die etwa von den Werken zurückgezogenen Geschütze werden wieder eingeführt, die Bedienungsmannschaften u. reichliche Munition in der Nähe gehalten, die zur Vertheidigung bestimmten Truppengwerden aufden Allarmplätzen aufgestellt u. die einzelnen Werke erhalten verstärkte Besatzungen, welche dem ersten Anlauf des Feindes Widerstand leisten sollen; wenn thunlich, werden andere Truppenabtheilungen bereit gehauen, um durch einen Ausfall den stürmenden Feinden in die Flanken zu fallen. Das Feuer der feindlichen Batterien erwidert man nur schwach, um die Wir kung der Geschütze bes. auf die Sturmcolonnen richten zu können; dem etwa eingedrungenen Feinde werfen sich die Vertheidiger mit dem Bajjonnet en gegen, der geworfene Feind wird lebhaft verfolgt, um ihn zu verhindern, sich in größter Nähe wieder festzusetzen, od. auch, um mit ihm in seine Logements einzudringen u. diese zu zerstören.

E) Dersörmlicheod. regelmäßige Angriff od. die Belagerung wird angewendet, wo die Güte der Werke, die Stärke u. Wachsamkeit der Besatzung, sowie die gute Ausrüstung der Festung weder von der einen noch von der anderen der vorigen Angriffsarten einen Erfolg erwarten lassen. Wenn auch nicht am schnellsten, so führt doch der förmliche Angriff am sichersten zum Ziele. Die Grundidee jeder Belagerung ist: von irgend einem Punkte in den feindlichen Wällen eine Bresche zu Stande zu bringen u. dann durch diese die Festung zu stürmen. Um aber eine Bresche od. überhaupt einen Eingang in den Hauptwall zu erzeugen, muß man sich dem Platze nähern. Dies kann jedoch wegen der Wirkung der feindlichen Waffen nur gedeckt u. daher Schritt für Schritt geschehen. Während bei den vier zuerst genannten Angriffsarten oft ein Zufall den günstigen Erfolg bedingt, sucht man mit dem förmlichen Angriffe durch ein methodisch geregeltes Verfahren sich des Gelingens zu versichern. Die Formen, mit denen man dieses Ziel zu erreichen versucht hat, sind in den verschiedenen Epochen der Geschichte nach der Gestalt der Festungswerke, nach der Wirkung der Waffen u. nach den allgemeinen Ansichten über Kriegführung verschiedenartig gewesen. Methodisch entwickelte die Kunst des förmlichen Angriffes zuerst der Marschall Vauban (Ende des 17. Jahrh.), u. von Coehorn u. Cormontaigne modificirt, gilt dieses System bis auf den heutigen Tag noch als Maßstab od. muß doch aller Discussionen über etwa anzunehmende Verbesserungen zu Grunde gelegt werden. Jede Belagerung zerfällt in 3 Perioden: die erste umfaßt den Zeitraum der Vorbereitungen für die Belagerung u. die Sicherung des Belagerungscorps nach Außen; die zweite beginnt mit der Eröffnung der ersten Parallele u. endet mit dem Vorgehen aus der dritten Parallele; die dritte umschließt die Zeit vom Festsetzen auf dem Glacis bis zur Einnahme der Festung. Aa) Vorbereitungen. a) Die erste Periode des Angriffes beginnt damit, daß die Festung berennt (cernirt) wird, um sie von aller Verbindung mit Außen abzuschließen. Die Berennung erfolgt durch die Avantgarde des Belagerungscorps, welche in ihrer Stellung den Namen Berennungscorps annimmt. Wo die Cernirung nicht vollständig ausgeführt werden kann, wie bei sehr großen Plätzen od. bei Seefestungen, welche man nur von der Landseite anzugreifen die Mittel hat (Silistria, Sebastopol), gestalten sich die Verhältnisse für den Belagerer viel schwieriger, weil der Belagerte durch den Ersatz an frischen Truppen, Lebensmitteln, Munition etc., kurz an Vertheidigungsmitteln, eineerhöhte Widerstandsfähigkeit bekommt. In der Regel besteht das Berennungscorps zu einem großen Theile aus Cavallerie u. reitender Artillerie; es nähert sich der Festung möglichst schnell u. verborgen u. trifft, sobald esangekommen ist, Vorkehrungen, um nicht nur Ausfälle aus der Festung zurückweisen, sondern auch verhindern zu können, daß Verstärkungen in die Festung gelangen. Die dem Corps beigegebenen Generalstabs- u. Ingenieuroffiziere stellen unter seinem Schutze Recognoscirungen an, die Angriffsfront wird bestimmt, die zweckmäßigsten Punkte für die Artillerieparks, die Materialiendepots, die Lazarethe, die Bäckereien etc. werden ausgesucht (sämmtlich außerhalb der Tragweite der feindlichen Geschütze) u., soweit thunlich, sofort durch Erbauung von Schanzen u. Anbringung von Hindernißmitmitteln gegen feindliche Anfälle sicher gestellt; die Materialien zu Faschinen, Schanzkörben, Sandsäcken[221] u. dergl. werden herbeigeschafft u. das Lager für das in Eilmärschen, gewöhnlich 3–4 Tage nach den Cernirungstruppen eintreffende Belagerungscorps wird abgesteckt u. hergerichtet. Die Stärke des Belagerungscorps muß sich natürlich nach der Stärke der zu belagernden Festung richten; gewöhnlich nimmt man an, daß der Belagerer 4–5 Mal stärker sein müsse, als die Besatzung (jedoch nur selten wird er dieses Verhältniß erreichen). Auch die Zahl u. das Kaliber der Geschütze des Artillerieparks muß nach der artilleristischen Ausrüstung der Festung bestimmt werden; bei einer großen Belagerung nimmt man wenigstens 200 Geschütze schweren Kalibers an, davon 3/5 Kanonen u. 2/5 Wurfgeschütze; an Munition für jedes Geschütz 1000 Schuß. Zu den übrigen Erfördernissen für die Belagerung gehören: Fahrzeuge aller Art, Vorrathslaffeten, Schanzzeug, Hebezeuge, Handwerkszeug aller Art, Laboratoriengeräthschaften, Bettungs- u. Baumaterialien für die Batterien, Minirwerkzeuge etc. Während der Zeit, daß diese Vorbereitungen getroffen, der Artilleriepark, die Depots, das Lager eingerichtet worden sind, haben die Recognoscirungen ihren Fortgang genommen (oft nur bei Nacht möglich), man hat sich über Lage u. Stärke der einzelnen Werke der gewählten Angriffsfront möglichst genau unterrichtet, der Angriffspunkt ist festgestellt u. darnach der Plan zum Angriff entworfen worden. Eine geschickte Wahl des geeignetsten Angriffspunktes ist von großem Velang, häufig hängt das Gelingen der Belagerung davon ab od. doch verzögert eine unrichtige Wahl die Einnahme sehr. Nachdem endlich noch die Richtung u. Ausdehnung der Laufgräben, sowie die Lage der zunächst zu errichtenden Batterien durch Abstecken bezeichnet worden sind, schreitet man mit Eröffnung der ersten Parallele zum Beginn des eigentlichen Angriffes. b) Vorbereitungsanstalten des Vertheidigers. Sobald der Ausbruch eines Krieges bevorsteht, werden die Festungen zur Vertheidigung ausgerüstet (armirt, mobil gemacht). Man läßt nämlich alle Werte der Festung untersuchen, alles Schadhafte an denselben ausbessern, nöthige neue Werke anlegen, Lunetten mit bombenfesten Blockhäusern an der muthmaßlichen Angriffsfronte bauen, Abschnitte u. bedeckte Geschützstände daselbst errichten, kleine Pulvermagazine anlegen, die bedeckten Wege repariren, die Waffenplätze it Blockhäusern versehen, den ganzen bedeckten Weg an der präsumtiven Angriffsfronte doppelt pallisadiren, an anderen passenden Punkten, wo möglich rund um den bedeckten Weg, Pallisaden anbringen, Sturmpfähle an der Escarpe nicht mit Futtermauern versehener Werke eingraben, Reduits od. an anderen Stellen Tambours bauen, Traversen auf langen, der Enfilade durch Ricochetschüsse bes. ausgesetzten Linien u. zu des bereits aufgestellten Geschützes Schutz anlegen etc. Wenn bombenfeste Kasematten in den Flanken fehlen, werden halbe Caponnieren an den Schulterpunkten angelegt, wichtige nahe Punkte außerhalb der Festung durch detachirte Werke od. Blockhäuser festgehalten, Deckungen ganzer Fronten durch Überschwemmungen angeordnet, die sie bewirkenden Dämme gedeckt, die Minen revidirt, u. wenn keine vorhanden sind, an den ausspringenden Winkeln der Bastions u. Ravelins, wo man den Angriff vermuthet, vom Graben aus ein 12–15 Fuß langer Gang vorgetrieben, an deren Enden die Minenkammern kleeblattförmig angelegt werden. Dabei sorgt man für Nutzholz, Reservepallisaden, Faschinen (4000 Stück für jede Bastion), Schanzkörbe (150 ebenso) u. dergl. Alle Dinge, 800–1200 Fuß vor der Festung, hinter denen der Feind Batterien anlegen od. Arbeiter verbergen könnte, werden zugleich entfernt. Diese Maßregel erfordert auch das Abbrechen (u. wenn der Feind unerwartet naht, selbst das Abbrennen) der Vorstädte, das Wegschlagen der Bäume, Hecken u. Büsche, das Demoliren der Gärten, das Niederreißen aller Mauern vor der Festung, Ausfüllen der Vertiefungen etc. Die activen Streitmittel, Truppen u. Geschütze, werden verstärkt u. in Bereitschaft gesetzt. Die Stärke dieser Mittel ist sehr verschieden, je nach der Beschaffenheit des Platzes, nach seiner Größe u. Wichtigkeit, wohl auch nach den verfügbaren Kräften. Vauban nahm auf jede Bastion 5–600 Mann an, ebensoviel auf ein Hornwerk, 150 Mann auf eine vorgelegte Redoute, excl. Artillerie u. Pionniere, so daß die Besatzung eines Sechseckes etwa 5000 Mann, einer Festung ersten Ranges 10–12,000 Mann betragen würde, wenn detachirte Forts vorhanden sind, einige tausend Mann mehr. Die Neuzeit dagegen hat Plätze geschaffen (Köln, Koblenz, Metz, Mainz. Ulm, Posen, Königsberg, Lyon, Paris), welche weit zahlreichere Besatzungen aufzunehmen bestimmt sind. Die Zahl der Festungsgeschütze richtet sich nach dem Umfange u. der Einrichtung der Werke, an Munition werden für jedes Geschütz 1000 Schuß gerechnet; zweckmäßig ist es stets, wenn die Festung möglichst reichlich mit Geschützen versehen ist, u. zwar von allen Kalibern. Nach der Zahl der Geschütze bestimmen sich dann die übrigen Ausrüstungsgegenstände, als: Fahrzeuge, Maschinen, Geschützzubehör, Batteriebaumaterial, Handwerkszeug, Vorrathssachen, Pferde u. Mannschaften. Diese ganze Ausrüstung zerfällt, wie auch die Armirung, in zwei Theile, in die gegen den gewaltsamen u. die gegen den förmlichen Angriff; die erstere besetzt alle Werke der Festung genügend stark, um den Feind zu zwingen, sich des förmlichen Angriffes zu bedienen; die zweite verstärkt die vom Feinde gewählte Angriffsfront zur Vertheidigung gegen den förmlichen Angriff. Wie es für den Angreifenden Hauptziel war. sich der Festung in der kürzesten Zeit u. mit den geringsten Opfern zu bemächtigen, so ist es die Hauptaufgabe für den Vertheidiger, alle Mittel u. Streitkräfte der Art in Wirksamkeit zu setzen, daß der Gegner nur mit dem größtmöglichen Aufwand von Zeit, Menschen u. Kriegsbedarf aller Art sich des Platzes bemächtigen kann. Sobald die Nähe des Feindes eine Belagerung erwarten läßt, wird die Festung in Belagerungsstand versetzt. Von diesem Moment an ist der Commandant der Festung unumschränkter Herr über Alles, was zu deren Gebiete gehört. Auch die Gesammtzahl der Einwohner tritt unter seinen unmittelbaren Befehl u. muß sich zu denjenigen Dienstleistungen verstehen, welche für nothwendig befunden werden, Wachdienst im Innern, Dienst in den Magazinen, Lazarethen, bei den Löschanstalten etc.

Bb) Eröffnug der ersten Parallele bis zum Vorgehen aus der dritten Parallele. a) Der Angriff: die Laufgräben, d.i. die Arbeiten, durch welche die Belagerer gedeckt vor dem [222] Feuer des Feindes sich der Festung nahen u. die Batterien u. anderen Angriffsmittel vorbereiten, werden nun mit der ersten Parallele außerhalb der wirksamen Kartätschschußweite, also 7–800 Schritt von dem Glacis der Festung entfernt, eröffnet. Nur einer unachtsamen Besatzung gegenüber, od. bei begünstigenden Wetter- u. Terrainverhältnissen, wird man näher an die Festung herangehen können. Die Länge der Parallele richtet sich nach der Ausdehnung der angegriffenen Front, u. außerdem muß sie mindestens so weit nach rechts u. links verlängert werden, daß von ihren Endpunkten aus alle Linien der Angriffsfront ensilirt werden können, also auch deren Courtine; davon, daß sie immer ziemlich parallel mit den Linien geführt wird, welche man zwischen den ausspringenden Winkeln der Festungswerke ziehen kann, hat sie ihren Namen erhalten. Gleichzeitig mit der Parallele wird die Herstellung der zur gesicherten Verbindung mit den rückwärtigen Depots u. Lagern dienenden Communicationsgräben in Angriff genommen; diese werden stets auf den Capitalen der angegriffenen Front u. zwar in schräger Linie gegen die Festungswerke so vorgeführt, daß sie von diesen aus weder direct, noch in der Flanke beschossen werden können, sie durchschneiden die Capitallinien deshalb meist zickzackförmig u. ihre Verlängerungen müssen noch am Fuße des Glacis vorbeistreichen. Ein Haupterforderniß für die Begünstigung dieser ersten Arbeiten ist ihre Geheimhaltung, deshalb unternimmt man sie meist in einer dunkeln Nacht. Die in den Depots vor Anbruch des Abends versammelten Arbeiter erhalten dort das nöthige Schanzzeug u. jeder eine Tracirsaschine. Nachdem es völlig dunkel geworden ist, werden sie von den mit der Leitung des Baues beauftragten Ingenieuroffizieren möglichst geräuschlos vorgeführt u. auf der Linie der ersten Parallele u. denen der Communicationsgräben so angestellt, daß jeder Mann seine Faschine, mit den Nachbarn rechts u. links im Zusammenstoß, vor sich niederlegt, wodurch die gesammten Linien gleichzeitig tracirt werden u. jedem Manne seine Arbeitsstrecke vorgezeichnet wird. Auf ein Zeichen beginnt sodann die Arbeit; jeder Mann gräbt sich vor der tracirten Linie 3–4 Fuß tief u. 4 Fuß breit in die Erde ein u. wirst den Boden nach der Festung zu als Brustwehr der Parallele auf. Wenn mit Anbruch des Tages diese Arbeit vollendet ist, hat man eine gegen das Feuer der Festung deckende Linie gewonnen. Um diese Arbeit gegen einen Angriff der Besatzung sicher zu stellen, rückt gleichzeitig mit den Arbeitern eine der Ausdehnung der Arbeiten u. der Stärke der Garnison entsprechende Truppenzahl zur Deckung vor. Diese Truppen stellen vor der ganzen Linie der Arbeiter Posten u. Wachen aus, an geeigneten Punkten wohl noch Unterstützungen für die letzteren; die Reserven aber werden hinter der Parallele u. auf den Flügeln derselben aufgestellt. Unternimmt nun der Belagerte einen Ausfall, so sollen die Deckungstruppen denselben wo möglich so zurückzuweisen suchen, daß dadurch die Arbeit nicht unterbrochen wird. Damit im Nothfalle auch die Arbeiter selbst sich zu vertheidigen vermögen, haben sie meistens ihre Gewehre bei sich u. legen sie während der Arbeit nahe hinter der Parallele nieder. Sobald der Morgen graut, zieht sich die Bedeckung in die Depots zurück, andere Arbeiter ersetzen. die Nachtarbeiter u. erweitern die Parallele auf der Sohle bis 7–9 Fuß, oben bis 15–17 Fuß breit u. machen die Brustwehr 41/2 Fuß hoch. Die Brustwehr erhält einen 14 Fuß breiten u. eben so hohen Auftritt u. ist so eingerichtet, daß man über die Brustwehr hinaussteigen kann, auf der Rückseite ist die Parallele meist schief abgestoßen. Die Sohle der Parallele wird, um dem Regen Abzug zu schaffen, etwas nach hinten gesenkt u. an. der tiefsten Stelle ein kleiner Graben, der das Wasser abführt, gemacht. Damit zur Vertheidigung der ersten Parallele größere Truppenabtheilungen in ihr untergebracht werden können, werden wohl auch geräumige Plätze (Waffenplätze) angelegt; die Endpunkte (Flügel) der Parallele lehnt man gern an deckende Gegenstände an, wo dies nicht möglich ist, legt man auf denselben vierseitige Redouten (Flügelredouten) mit zwei stumpfen u. zwei spitzigen Winkeln an. Zum Schutze der etwa auf den Flügeln aufgestellten Abtheilungen Reiterei wirst man, sofern deckende Gegenstände fehlen, sogenannte Schulterwehren (Epaulements) auf. Wenn thunlich, werden in der ersten Parallele sogleich in der ersten Nacht Batterien angelegt. Diese sollen sein: Ricochetbatterien, erbaut an den Punkten, auf denen die Parallele von den Verlängerungen aller Hauptlinien der angegriffenen Front u. der Collateralmarke geschnitten wird, um die Vertheidigungsmittel auf den Wallgängen zu zerstören: Enfilirbatterien, an den äußersten Enden der Parallele, um die ganze Angriffsfront in die Flanke zu nehmen; Mörserbatterien, an bes. günstigen Punkten der Parallele, um das Innere der feindlichen Werke, sowie hervorstehende Gebäude der Festung, Magazine, Kasernen etc. zu bewerfen. Sobald die Batterien im Bau vollendet u. armirt sind, eröffnen sie alle zugleich das Feuer, weil eine einzelne feuernde Batterie sehr bald durch das Gesammtfeuer der Festungsartillerie vernichtet sein würde. Alle diese Arbeiten der ersten Parallele, der Communicationen nach rückwärts u. der zu ihr gehörigen Batterien, nennt man die Eröffnung der Laufgräben u. man rechnet von der Nacht ab, in welcher ihr Bau begonnen wurde, den Beginn der eigentlichen Belagerung. Sobald die erste Parallele vollendet ist, erhält sie eine stehende Besatzung, welche tglich abgelöst wird, die Laufgrabenwache (Trancheewache), welche im Fortgang der Belagerung auch die weiter vorgerückten Arbeiten besetzt. Diese Laufgrabenwache soll 3/4 der ganzen Stärke des Platzes betragen u. jeden Ausfall des Belagerten zurückweisen; ihre geschlossenen Abtheilungen stehen auf den Waffenplätzen, ihre Reiterei hinter den Epaulements auf den Flügeln stets gefechtsbereit. Die Batterien haben ihr Feuer mit Nachdruck fortgesetzt, bis sich ein merklicher Eindruck auf den Vertheidiger zeigt, eine Anzahl von Festungsbatterien ihr Feuer entweder ganz einstellt od. doch beträchtlich schwächer antwortet. Nun schreitet der Belagerer zur Anlage der zweiten Parallele; dieselbe soll soweit von der ersten u. ungefähr gleichlaufend mit ihr angelegt werden, daß sie 3–400 Schritt von den Spitzen des gedeckten Weges entfernt ist; ihre Anlage erfolgt ebenfalls in der Nacht u. zwar mit der flüchtigen Sappe (s.d.). Gleichzeitig mit ihr werden die Verbindungen, welche von ihr rückwärts nach der ersten Parallele führen, in Angriff genommen. Die Anordnung u. Lage dieser Verbindungen (Approchen) bestimmt[223] sich ganz nach denselben Principien, wie die von den Depots nach der ersten Parallele führenden; sie werden zickzackförmig so auf den Capitalen der Angriffsfront vorgeführt, daß die einzelnen Äste (Schläge, Boyaux) der Zickzacks, wenn man sie verlängert denkt, mindestens 25 Schritt an den ausspringenden Winkeln des Glacis vorbeistreichen, damit sie von diesen aus nicht ensilirt werden können; jeder vordere Ast greift über den nächst hinteren mit einem Haken (Crochet) von 15–25 Schritt Länge über, wodurch den Fahrzeugen die Möglichkeit des Ausweichens u. Umlenkens verschafft wird. Auch diese Approchen werden mit der flüchtigen Sappe ausgeführt. Gegen die Facen der Bastionen u. des Ravelins der Angriffsfront, also in deren Verlängerung, werden in der zweiten Parallele Demontirbatterien angelegt; diese sollen mit den genannten Linien den Kampf direct aufnehmen, die Scharten u. Geschütze hinter denselben zerstören. Die Batterien der ersten Parallele setzen entweder von ihren alten Stellungen aus das Feuer fort, od. sie werden, wenn sie theilweise von den Demontirbatterien maskirt sind, in die zweite Parallele vorgelegt. Der Annahme nach soll das vereinigte Feuer aus beiden Parallelen das directe Geschützfeuer auf allen Facen zum Schweigen bringen, so daß man es ferner u. bis zu dem Augenblicke, in welchem die Flanken der Bastionen bei weiterem Vorrücken des Angriffs in Thätigkeit treten können, nur noch mit dem feindlichen Wurf- u. Gewehrfeuer zu thun habe. Wenn dieses Ziel erreicht ist, werden die Approchen von Neuem u. zwar ebenfalls in der flüchtigen Sappe vorgetrieben, um die Halbparallelen anzulegen, welche, nur aus Parallelenstücken zu beiden Seiten der Approchen bestehend, angelegt werden, um zwischen der zweiten u. dritten Parallele eine Position zu gewinnen, von der aus die ferneren Arbeiten gegen das nun vollkommen wirksame Kleingewehrfeuer des Feindes vertheidigt zu werden vermögen. Wenn der Vorrath an Geschützen es erlaubt, werden in den Halbparallelen Batterien von kleinen Mörsern etablirt. Die Nähe der feindlichen Werke (die Halbparallelen befinden sich nur etwa 250 Schritt vom Glacis) nöthigt nun, alle ferneren Laufgrabenarbeiten mit der vollen Sappe auszuführen, nur selten gestatten ves. günstige Umstände die Anwendung der halben Sappe. Mit der vollen Sappe werden neue Zickzacks bis zum Fuße des Glacis vorgetrieben, ähnlich angelegt wie die früheren, nur daß die Äste immer kürzer werden u. sich unter immer spitzeren Winkeln treffen müssen. Sind die Approchen io bis zum Glacis herangeführt, so verbindet man sie hier mit einander durch eine neue, die dritte Parallele, ebenfalls mit der vollen Sappe ausgeführt; es werden Mörserbatterien in derselben angelegt, aus denen man den gedeckten Weg, dessen Waffenplätze u. Reduits, sowie alle Punkte der angegriffenen Front, auf denen der Feind noch an Befestigungen arbeitet, bewirft.

b) Mit der Eröffnung der Laufgräben tritt für den Vertheidiger der Zeitpunkt, in welchem er alle seine Streitkräfte in Thätigkeit zu setzen hat. Die Artillerie wird auch für ihn die Hauptwaffe sein: wo der Vertheidiger überlegenes Geschützfeuer gegen den Angriff anwenden kann, muß es auch mit größter Energie geschehen; wo diese Überlegenheit nicht erzielt werden. kann, muß dagegen das Material gedeckt werden. Doch durch eine passive Vertheidigung allein wird man den höchstmöglichen Widerstand nicht zu erreichen vermögen, es muß eine geschickte u. kräftige Offensive damit in Verbindung gebracht werden. Dies geschieht durch Ausfälle. Je weiter der Feind noch entfernt ist, mit um so größeren Truppenmassen können dieselben unternommen werden; je näher er herangekommen ist, desto mehr ist der Vertheidiger in der Entwickelung aus seinen Werken heraus beschränkt. Man unterscheidet daher große u. kleine Ausfälle. Die großen Ausfälle, oft aus allen Truppengattungen bestehend, fallen in die Zeit der Berennung u. der Eröffnung der Laufgräben; ihr Ziel ist die Zerstörung der feindlichen Depots u. Magazine, die Verhinderung od. Störung des Baues der ersten Parallele u. ihrer Batterien, die Zerstörung dieser Werke, wenn sie schon gebaut sind. Um. diesen großen Ausfällen schnell u. entscheidend begegnen zu können, versieht der Belagerer seine Parallele mit Ausfallsstufen. Die kleinen Ausfälle finden bes. in der späteren Zeit statt, um das Vortreiben der Approchen mit der völligen Sappe zu verzögern, einzelne Theile derselben zu zerstören, ebenso die Eingänge etwa angelegter Belagerungsminen einzuwerfen, Geschütze zu vernageln. Meistens unternehmen mehrere kleine Abtheilungen zu gleicher Zeit solche Ausfälle, u. mit ihnen gehen Arbeiter vor, welche die Zerstörungen bewirken. Sobald der Belagerte auf irgend eine Weise Kenntniß davon erlangt hat, daß der Feind die Laufgräben zu eröffnen beginne, werden Leuchtkugeln od. Raketen geworfen, um bei deren Licht die Anstalten des Feindes erkennen zu können; die Geschütze werden sodann auf die Arbeiter gerichtet u. vorzüglich mit Kartätschen gefeuert. Mit Anbruch des Tages wird sodann das Feuer bes. auf die Punkte gerichtet, auf denen die Arbeiten noch keine vollständige Deckung gewähren, sowie dahin, wo die Batterien gebaut werden. Da nun die vom Feinde gewählte Angriffsseite bekannt ist, werden auch im Innern der Festung die nöthigen Gegenanstalten getroffen; Hospitäler u. Magazine, welche in der Nähe der angegriffenen Front liegen, werden womöglich nach mehr gesicherten Theilen der Festung verlegt, es werden Traversen erbaut, Blendungen u. bedeckte Geschützstände hergestellt, kleine Magazine angelegt, Reduits u. Abschnitte errichtet, Räume zur geschützten Unterbringung der für die Vertheidigung bereit zu haltenden Truppen eingerichtet, die Wälle werden stärker mit Geschütz besetzt, leichte Geschütze werden in den vorspringendsten. Punkten des gedeckten Weges aufgestellt; bisweilen geht man auch von dem Glacis aus den feindlichen. Arbeiten mit ähnlichen Laufgräben (Contreapprochen) entgegen u. sucht an deren Enden Batterien zu errichten. Wenn der Feind seine Batterien armirt hat, so erfolgt oft mit Vortheil ein großer Ausfall, weil durch denselben leicht Unordnung unter den zum Transport der Geschütze nöthigen Pferden u. Mannschaften herbeigeführt werden kann u. dieser Moment vielleicht das Vernageln der Geschütze ermöglicht; der Vertheidiger behält in diesem Falle die Überlegenheit des Geschützfeuers. Hat dagegen der Feind das Feuer aus seinen Batterien begonnen, so müssen die über Bank feuernden Geschütze von den Wällen zurückgezogen werden; die noch zurückbleibenden Geschütze concentriren ihr Feuer autf[224] einzelne feindliche Batterien, namentlich bewirft man diese aus Haubitzen u. Mörsern. Wenn der Feind die zweite Parallele anlegt, kann nun schon das Gewehrfeuer der im gedeckten Wege postirten Schützen erfolgreich mit in Wirksamkeit treten. Im Übrigen bleibt das Verfahren des Vertheidigers, sowohl mit seinem Feuer als mit großen u. kleinen Ausfällen annähernd dasselbe. Bei dem Vorgehen des Feindes aber zur dritten Parallele werden die kleinen Ausfälle die eigentliche Seele der Vertheidigung, das Kleingewehrfeuer erreicht seine kräftigste Wirksamkeit u. aus Steinmörsern bewirft man die Arbeiter mit einem Hagel von Geschossen, namentlich die Batteriearbeiter.

Cc) Die dritte Periode umsaßt die Zeit vom Vorgehen aus der dritten Parallele bis zur Einnahme der Festung. a) Angriff. Aus der dritten Parallele geht man nun mit neuen Approchen auf den Capitalen aller Werke der Angriffsfront, sowie auch auf den Capitalen der eingehenden Waffenplätze des gedeckten Weges vor. Dies geschieht ebenfalls mit der vollen Sappe, aber wegen der Nähe der feindlichen Werke nicht mehr in Zickzacks (dieselben würden zu kurz werden müssen), sondern mit bes. deckenden Sappenarten, wie Schlangensappe, Würfelsappe etc., u., wenn der Feind gut aufgestellte Wurfgeschütze im gedeckten Wege hat, so kann man genöthigt sein, die bedeckte Sappe wählen zu müssen. Wenn diese Approchen bis auf die Mitte des Glacis vorgetrieben sind, ohne daß inzwischen die Geschütze der dritten Parallele der Vertheidiger gänzlich vom gedeckten Wege od. doch bis hinter die Abschnitte u. Reduits desselben hätten vortreiben können, so errichtet man Trancheecavaliere, erhöhte Werke, von denen aus die Linien des gedeckten Weges ensilirt werden können. Unter dem Schutze dieser Werke werden sodann die Approchen bis auf 24 Fuß an die Feuerlinie des gedeckten Weges herangeführt, u. darauf legt man eine Traversensappe längs der Crete des gedeckten Weges an, eigentlich eine vierte Parallele, welche man die Krönung od. das Couronnement des Glacis nennt. Bei diesen Belagerungsarbeiten, die schon an sich wegen des aus großer Nähe u. concentrisch wirkenden Gewehrfeuers der Festungswerke, sowie wegen der leichten Ausführbarkeit der kleinen Ausfälle, nur mit großer Gefahr ausgeführt werden können, wachsen Gefahr u. Beschwerlichkeit noch bedeutend, wenn die Arbeiter mit ungünstigen Bodenverhältnissen zu kämpfen haben. Dies ist in hohem Grade der Fall, wenn das Glacis z.B. sehr steinig ist od. vor der Belagerung mit Bäumen bewachsen war, deren Wurzeln überall die Arbeiten hemmen. Hatte aber die Festung sogar ein Minensystem, welches sich unter dem Glacis verzweigt, so wird dadurch eine neue u. größere Schwierigkeit entgegengestellt, die nur durch dasselbe Mittel, daß man. ebenfalls Minen anlegt, zu überwinden ist. Fehlen jedoch dem gedeckten Wege die Verstärkungen u. ist die Besatzung schwach, vielleicht selbst muthlos, so kann bisweilen, aber auch da gewöhnlich nur mit großem Verluste, dieses Festungswerk durch Sturm erobert werden, indem entsprechend starke Infanteriecolonnen unter dem Schutze der Nacht aus der dritten Parallele vorbrechen u. den gedeckten Weg, die Vertheidiger vertreibend, besetzen. Während dem werden sodann die Communicationen nach dem Couronnement u. dieses selbst durch die flüchtige Sappe tracirt u. ausgeführt. Sobald genügende Deckunggegen Gewehrfeuer erreicht ist, ziehen sich die Truppen aus dem gedeckten Wege wieder in die dritte Parallele zurück. Ist nun, auf die eine od. die andere Weise, die Krönung des gedeckten Weges gelungen, so werden in derselben die Batterien erbaut; Contrebatterien, gegenüber den Linien, welche man st über nicht direct beschießen konnte (z.B. die Flanken der Bastion), um die daselbst befindlichen Geschütze, deren Feuer bes. bei dem Grabenübergang gefährlich ist, zum Schweigen zu bringen, Breschebatterien, gegenüber den Stellen der Escarpen, welche man in Bresche legen will (die Bastions- u. Ravelin-Facen). Je mehr der Feind sich Geschütz erhalten hat, vorzüglich wenn er gut angelegte Defensivcasematten besitzt, u. je häufiger er von Ausfällen u. von dem Wurffeuer Gebrauch macht, desto schwieriger ist der Bau dieser Batterien im Couronnement auszuführen. Die Armirung dieser Batterien erfolgt mit den schwersten Kalibern; die Geschütze beginnen ihr Feuer gleichzeitig u. feuern durch Scharten. Wenn die feindliche Escarpe mit Mauer bekleidet ist, so legt man sie mit Vollkugeln; anderen Falls mit Granaten, die, indem sie crepiren, als Minen wirken, in Bresche. Bisweilen hat der Angreifende wohl auch Minen bis unter den feindlichen Wall vorgetrieben u. versucht durch diese die Bresche zu erzeugen. Mit der Eröffnung des Feuers der Batterien des Couronnements wird gleichzeitig der Bau des Grabenniedergangs (der Descente) begonnen, niedersteigende Gallerien mit Minenbau od. mit der bedeckten Sappe ausgeführt, deren Eingang sich in der Krönung befindet u. welche im Graben, bei einem trockenen auf dessen Sohle, bei einem nassen auf dessen Wasserspiegel, der Bresche gegenüber münden. Ist es nun den Contrebatterien gelungen, diejenigen Geschütze des Feindes, welche den Graben bestreichen, entweder ganz od. doch zum Theil zum Schweigen zu bringen, so sucht man noch vor dem Zustandebringen der Bresche von der Mündung der Descente aus die Herstellung eines gedeckten Grabenüberganges zu bewirken. Dieser Grabenübergang wird direct auf die Stelle der Bresche losgeführt; wenn der Graben ein trockener ist, mittelst der völligen Sappe, die ihre Brustwehr nach der Seite hin hat, von welcher aus der Feind eine niedere Grabenbestreichung hat; wenn der Graben naß ist, mittelst eines Faschinendammes, zu dem das Material durch die Descente zugetragen wird u. der gleichfalls eine Brustwehr aus Flechtwerk, Wollsäcken u. dgl. erhält; zuweilen hat man den Grabenübergang auch durch die Anlage von einem Floß hergestellt. Sowie sich der Grabenübergang am Fuße der Bresche nähert u. die letztere von der Breschebatterie gangbar u. genügend breit hergestellt ist, werden die Vorbereitungen zum Sturme getroffen. Die zum Sturme bestimmten Colonnen werden im Couronnement, in den Approchen u. in der dritten Parallele aufgestellt, für jede Bresche eine, nebst den Reserven; Sappeure versuchen in der Nacht in die Bresche zu gelangen u. dieselbe gangbarer zu machen, als es mit den Geschützen geschehen konnte. Auf ein bestimmtes Zeichen gehen dann die Truppen, gefolgt von Arbeitern, durch die Descente u. über den Grabenübergang vor, ersteigen die Bresche, werfen den ihnen begegnenden Widerstand mit dem Bajonne:[225] u. setzen sich in der Bresche fest, indem die Arbeiter sofort Schanzkörbe aufstellen u. füllen u. so deckende Logements errichten, von denen aus der weitere Angriff gegen etwa im Werke vorhandene Abschnitte od. Reduits unternommen, od. auch den zur Wiedereroberung der Bresche anrückenden Reserven des Feindes erfolgreicher Widerstand geleistet werden kann. Sind die Abschnitte od. Reduits im Werke solid u. stark angelegt, so wird zu ihrer Wegnahme oft wieder ein Vorgehen mit förmlichen Laufgräben, das Errichten einer Art Parallele, das Erbauen von Batterien, Breschelegen u. Sturm nöthig, bis sie alle genommen sind u. das Eindringen in die Festungermöglicht ist. Befindet sich in der Festung eine Citadelle, so muß gegen diese die Belagerung von Neuem beginnen.

b) Die Vertheidigung. Während bisher die Vertheidigung in Folge des überlegenen Geschützfeuers des Belagerers beständig im Nachtheil war, ändert sich mit dem Vorgehen des Angriffs aus der 3. Parallele die Lage wesentlich. Der Vertheidiger leidet nicht mehr von der umfassenden Stellung des Angreifenden, kann im Gegentheil diesen vielleicht in den Flanken bedrohen; die Arbeiten des Angreifenden auf dem Glacis werden das Feuer seiner eigenen Angriffsbatterien zum Theil maskiren u. es wird daher möglich neue Geschützaufstellungen auf den Wällen zu nehmen, namentlich auf den Facen u. Flanken. Dies kann eine Überlegenheit der Feuerwirkung des Vertheidigers herbeiführen, die noch erhöht wird, wenn die Festung Kasemattenbatterien hat, die bis jetzt intact geblieben sind. Zudem muß der Angreifende seine Arbeiten im wirksamsten Gewehr- u. Verticalfeuer ausführen u. mehr als früher sind die Offensivunternehmungen des Vertheidigers zu fürchten, weil die Unterstützungstruppen des Angreifenden weiter entfernt sind u. wegen Beschränktheit des Raumes nur schwach sein können. Der Gang der Ve. theidigung ist folgender. Zunächst wird den Arbeiten des Angreifenden auf chem Glacis durch lebhaft unterhaltenes Vertical- u. Gewehrfeuer von allen Werken, die auf das Angriffsterrain wirken können, sowie durch die neu od. wieder in Wirksamkeit tretenden Geschütze der Kasematten, Flanken u. Facen, ein wirksames Hinderniß entgegengestellt, das durch zahlreiche kleine Ausfälle noch wesentlich verstärkt wird. Sobald die Arbeiten des Feindes gleichwohl so weit gediehen sind, daß er die Erbanung der Batterien im Couronnement beginnt, werden alle Kräfte u. Kampfmittel auf diese Punkte gerichtet, um die Vollendung dieser Arbeiten möglichst zu verzögern. Mit diesen Batterien erlangt der Feind wieder eine Überlegenheit des Feuers gegen die ihm entgegenstehenden Festungstheile, es sei denn, daß ihm Etagenfeuer aus Kasematten entgegengestellt werden könnte. Die Beschaffenheit des Grabens bedingt sodann die gegen den Grabenübergang zu ergreifenden Maßregeln. Bei einem trockenen Graben verzögern oftwiederholte Überfälle der Sappenarbeiten, lebhaftes Gewehr- u. Wurffeuer, sowie die Anwendung von Brandgeschossen die Arbeit am meisten; der Herstellung des Übergangs über einen nassen Graben bereiten Brandgeschosse das größte Hemmniß: läßt sich im Graben durch Schleußen ein Wassermanövre erzeugen, so zerstört oft das am wirksamsten die gesammten Arbeiten des Feindes im Graben. Ist endlich der Grabenübergang vollendet u. die Bresche geöffnet, so beginnt der Kampf auf der Bresche. Bei einem zweckmäßigen Gebrauche der Vertheidigungsmittel u. einer weisen Aufsparung derselben, um sie im entscheidender Moment mit aller Energie zu gebrauchen, ist die Festung mit Vollendung der Bresche noch keineswegs verloren, ihre Vertheidigung muß nur um so hartnäckiger fortgeführt were en. Hinter der Bresche stellt man Schützen auf, welche vor Allem die feindlichen Arbeiter hindern sollen, dieselbe gang bar zu machen; dann sucht man durch mancherlei Hindernißmittel die Bresche selbst noch ungangbar zu machen. Man bewirft sie mit Pechkränzen, Pechfaschinen, Handgranaten, Sturmsäcken u. dgl.; man hält spanische Reiter zum Schließen der Bresche bereit. Überwindet aber der Feind diese Hindernisse, gelingt es ihm die Bresche gangbar zu machen od. sich mit Sappenarbeit auf derselben festzusetzen, so sind vorher unter der Bresche angelegte Fladderimnen erfolgreich anzuwenden, um die feindlichen Deckungen zu zerstören. Schreitet endlich der Feind zum Sturme, so entscheidet der Kampf mit der blanken Waffe. Muß auch hierbei der Vertheidiger weichen, so zieht er sich in das Reduit od. hinter den Abschnitt im Innern des Werkes zurück u. sucht durch Geschützfeuer von da aus zu wirken, bis er mit dem Verlassen auch dieser Positionen genöthigt ist, entweder zu capituliren od. sich in die Citadelle, wenn eine solche vorhanden ist, zurückzuziehen. Erst seit 10 Jahren, seit die Muhammedauer u. Spanier das Innere ihrer Städte auf das Heldenmüthigste vertheidigten, wird der Rückzug in die Citadelle nicht als die letzte Zuflucht betrachtet, sondern es gilt nun die Vertheidigung des Inneren der Städte. Vornehmlich die von Saragossa 1808 u. 1800 gab das Muster einer solchen Vertheidigung. Die Spanier begnügten sich dort nicht, nur die Wälle als Vertheidigungsmittel zu betrachten, sondern wehrten sich guck noch nach dessen u. der Abschnitte Erstürmung, die steinernen Gebäude, Kirchen, Klöster, als feste Punkte vertheidigend, Trgversen u. Barrikaden in den Straßen aufwerfend, von Straße zu Straße, von Haus zu Haus sich zurückziehend, von denen jedes von den Angreifenden mit Kanonen eingeschossen u. die Trümmer mit Sturm genommen werden mußten. Selbst der Minenkrieg wirkte dabei, indenm die Vertheidiger die Keller benutzten, um die von den Angreifenden besetzten Punkte zu zerstören, die Angreifenden aber, um von Vertheidigern besetzte Häuser in die Luft zu sprengen. Ost wurden einzelne Stockwerke, ja einzelne Zimmer zum Gegenstand des Kampfes.

Abgesehen davon, daß auch die Belagerungen solcher Festungen, wie die sind, für welche Vauban seinen Angriff in der dargestellten Weise entwickelt hat, später wiederholt mit Modificationen betrieben worden sind, z.B. daß hin u. wieder auftatt der 3 Parallelen noch eine 4. u. 5., in anderem Falle auch nur 2 Parallelen angelegt worden sind, so werden auch die Veränderungen, welche das vorige, mehr noch das jetzige Jahrhundert in den Heeresverhältnissen, in den Waffen u. in der Befestigungskunst herveigeführt haben, den F. wesentlich berühren. Ob aber dann neue Formen u. Mittel sowohl beim Angriff als bei der Vertheidigung, u. welche, zur Anwendung kommen werden, dafür gibt es noch keine Erfahrung. Die wichtigsten Momente, welche dabei in Betracht zu ziehen sein werden, sind: a) Die gegenwärtigen [226] Festungen sind fast durchgehends von viel größerem Umfange, als früher, u. sind noch meistens mit einem Kranze detachirter Werke umgeben, die erobert werden müssen, ehe man gegen den Hauptwall vorgehen kann; außerdem sind die Fronten der Befestigungen länger geworden u. mehrere derselben liegen oft fast in gerader Linie neben einander. Das Umfassen mit einer zusammenhängenden Parallele wird daher in Zukunft eine Arbeit sein, welche oft die Kräfte übersteigt, man wird sich mit Anlage von Parallelenstücken begnügen müssen. b) Die großen Plätze werden, nach früherem Maßstabe, ungewöhnlich starke Besatzungen haben u. in Folge dessen auch sehr große Ausfälle machen können; diesen Ausfällen muß man entsprechend begegnen können: hierzu werden wed er die Ausfallstufen noch die Waffenplätze der früheren Parallelen genügen. c) Vollständige Einschließungen dürften bei der Ausdehnung der heutigen Festungen u. bei der Stärke von deren Besatzungen künftig unmöglich sein, meist wird der Belagerer auch keine Überlegenheit an Kräften in dem Maßstabe von früher besitzen: man wird daher dem belagerten Platze die Communication nach Außen zum großen Theile lassen müssen u. sich begnügen, seine Kräfte nur auf einen Punkt zu richten u. sich bei diesem Angriff auf den Flanken rein defensiv verhalten. d) Durch die Vervollkommnung der Artillerie, namentlich die Einführung der Shrapnels, ist die Kartätschwirkung eine viel weitere geworden, unmöglich kann daher die 1. Parallele außerhalb der Kartätschwirkung angelegt werden, man wird im Gegentheil die Laufgräben so nahe als möglich an der Festung eröffnen müssen u. die dabei nothwendigen Verluste durch überraschendes Auftreten, durch Anwendung von Scheinangriffen u. Ähnliches zu vermindern suchen. e) Die gegenwärtigen Festungen sind ungleich stärker mit Artillerie versehen, als die früheren, sowohl dem Kaliber als der Zahl nach; der Angriff derselben wird daher nicht nur bedeutend mehr Opfer erheischen, sondern auch verhälmißmäßig mehr Mittel verlangen, u. trotzdem werden in keinem Momente der Belagerung die Festungsgeschütze ganz zum Schweigen gebracht werden können, namentlich weil die ausgedehnte Anwendung von Hohlbauten mit Mauerwerk, welches gegen den directen Schuß aus der Ferne Deckung hat, geschützte Aufstellungen der Geschütze gewähren, gleichwohl eine beständige Wirkung auf das freie Feld gestatten. Die völlige Sappe wird daher künftig nicht mehr anzuwenden sein, man wird, wenn auch mit größeren Opfern, sich der flüchtigen Sappe bedienen, od. aber, wenn das unmöglich ist, mehr als früher die Minen u. wiederholt den gewaltsamen Angriff gegen einzelne Werke anwenden müssen. Wegen der vielen bedeckten Räume endlich u. zum Ersatz des Ricochettseuers, welches gegen kasemattirte Geschütze ohne Wirkung ist, wird man sich in großem Umfang des Wurffeuers bedienen. f) Die großartigeren u. wirksameren Mittel, welche dem Vertheidiger zu Gebote stehen, werden auch dessen Verfahren bedingen Ausfälle in sehr großem Maßstabe, wobei es nicht blos auf Zerstörung der Belagerungsarbeiten, sondern selbst auf eine Niederlage des Feindes abgesehen sein kann (Komorn), sind möglich. g) Wenn detachirte Werke fehlen, so wird man sich nöthigenfalls das Terrain dazu erkämpfen u. dieselben noch während der Belagerung errichten. Sebastopol); diese Werke treten, nur mit größerer Stärke, an die Stelle der früheren Contreapprochen. h) Durch Anwendung der galvanischen Zündung kann die Minenwirkung viel. sicherer der Berechnung unterliegen u. viel weiter vom Hauptwall ins Vorterrain hinausgeleitet werden. i) Eisenbahnen im Innern der Festung werden die Verbindung aller Punkte mit einander erleichtern u. es ermöglichen, in kurzer Frist auf jedem dieser Punkte die beträchtlichsten Streitkräfte u. Geschützmassen zu vereinigen.

Sehr selten ist es bei einer Belagerung dazu gekommen, daß die Hülfsmittel der Vertheidigung vollständig erschöpft worden wären; meist wird sie abgekürzt od. in einen brusquirten Angriff umgewandelt, der höchstens mit einem Sturm, weit häufiger aber mit einer Capitulation endet, weil entweder Mangel an Streitkräften u. Kriegsbedürfnissen, od. andere, vielleicht politische Gründe, die Übergabe nothwendig machen. Meist hören, sobald die Verhandlungen wegen derselben beginnen, die Feindseligkeiten auf; der Belagerer schickt, sobald der Belagerte durch Aufsteckung der weißen Fahne, Schlagen von Chamade etc. dieselbe angetragen hat, einen Offizier in die Festung, od. ein Offizier der Besatzung kommt aus derselben heraus in das Lager der Belagerer. Bedingungen sind im günstigen Fall (wenn sich die Festung noch lange halten kann, das Belagerungscorps Mangel leidet, die Besatzung sich tapfer gewehrt hat): freier Abzug u. Escortiren an einen sicheren, von den Truppen des Vertheidigers besetzten Ort; im weniger günstigen: Abzug der Besatzung in ihre Heimath, gegen das Versprechen, in diesem Kriege od. eine Zeitlang nicht gegen die Truppen des Eroberers der Festung zu dienen, was der Commandant u. die Offiziere meist mit ihrem Ehrenwort bekräftigen: im ungünstigen Falle Geangenschaft. Selten tritt jetzt Ergeben auf nade u. Ungnade, was im Alterthum u. Mittelalter oft Statt fand, ein, doch sind in den Karlistenkriegen 1833 bis 1840 dergleichen Fälle vorgekommen. Den Einwohnern wird in der Capitulation meist Vergessenheit des Geschehenen, Schutz der Religion, Recht der Auswanderung etc. ausbedungen. Alle Bedingungen müssen kurz, klar u. deutlich aufgesetzt u. ausdrücklich bestimmt werden, die zweifelhaften Punkte zu Gunsten der Besatzung zu deuten. Nach geschlossener Capitulation wird das nächste (zu benennende) Thor von den Belagerern besetzt, die Artillerievorräthe, Karten, Pläne, Minen, Vorräthe, aller Art werden damit begustragten Offizieren übergeben u. die Besatzung zieht durch ein Thor, oder, wenn eine gangbare Bresche vorhanden ist u. die Capitulation dies gestattet, durch diese, nach den zugestandenen Bedingungen, meist mit allen Kriegsehren, klingendem Spiel, fliegenden Fahnen, die Kugel im Munde, mit den Kanonen, die sie, im Fall des freien Abzugs, mit sich führt (meist auf 1000 Mann 2 Stück) u. mit brennender Lunte, ab um sich mit od., ohne Waffen in die Heimath zu begeben od. auf dem Glacis das Gewehr zu strecken. Wenn die Bedingungen ungünstig lauten, strekt sie ohne Kriegsehren das Gewehr u. wird nach Umständen gut od. schlecht behandelt. Ein guter Commandant versucht, wenn er keine Lebensmittel mehr hat od. dem Fall der Festung in wenig Tagen entgegensieht, selbst ein Durchschlagen durch den Feind, wenn seine Truppen nicht durch eine lange Belagerung zu sehr entkräftet[227] sind, s. Durchschlagen von Truppen. Außer dem für den Belagerten nachtheiligen Ende der Belagerung durch Sturm u. Capitulation, kommen auch günstigere für denselben vor, so Aufhebung der Belagerung durch strategische Ereignisse, die den Feind zum Abzug nöthigen, durch Mangel an Lebensmitteln im platten Lande, Wegnahme eines Zufuhrconvoys, ungünstige Witterung, große Kälte, Krankheiten unter den Belagerern. Dieser zieht dann die Geschütze aus den Batterien u. schafft sie fort od. verbrennt od. zerstört dieselben, die übrigen Belagerungsarbeiten, die Vorräthe, welche er nicht fortzuschaffen vermag, u. zieht, wenn er die Belagerung nicht in eine Blockade od. Beobachtung verwandelt, ganz ab. Ebenso erfolgt zuweilen der Entsatz einer Festung, indem von außen her die Belagerer mit überlegener Macht angegriffen u. geschlagen werden. Indirect erfolgt der Entsatz durch Wegnahme großer Convoys, durch Hineinwerfen von bedeutenden Verstärkungen von Truppen u. Vorräthen in die Festung, durch eine Diversion auf einen anderen wichtigen Punkt u. dgl. Die Vertheidigungssähigkeit, d.h. die Fähigkeit, sich gegen einen Feind, welcher Artillerie, Mannschaft, Geld u. Material aller Art zur Belagerung hinlänglich hat, im glücklichsten Falle zu halten, kennt man bei nach alter französischer Art, selbst bei nach Cormontaigne gebauten Plätzen in Voraus. Sie ist bei Plätzen ohne Minen, detachirte Außenwerke, starke Lunetten vor dem Glacis, Wassermanövres u. ohne Abschnitte, auf 25–35 Tage anzunehmen u. steigt, je nachdem diese Verstärkungen mehr od. weniger vorhanden sind, auf 40, 50–65 Tage. Um sie zu finden wird ein fingirtes Tagebuch der supponirten Belagerung ausgearbeitet u. nach der Analogie anderer Belagerungen bestimmt, wie viel zu jeder Parallele, zum Gewinn des Glacis, Couronnement, Breschelegen u. Grabenübergang Zeit gebraucht wird. Die Festung, die sich hiernach am längsten halten kann, ist auch die stärkste. Natürlich bringen Naturereignisse, u. besondere, im Krieg oft vorkommende Zufälle hierin eine Änderung hervor, doch kann dies nicht ger Boden vor der Festung. Naturfestungen auf hohen Felsen, in Sümpfen od. dgl., sind solcher Berechnung nicht unterworfen u. werden auch nur sehr selten angegriffen, wenn auch nicht immer ihre Eroberung, wie man gewöhnlich meint, absolut unmöglich ist.

F) Die Artillerie- od. Schnellbelagerung, bisweilen ebenfalls zur Anwendung gekommen, so namentlich von den Engländern auf der Pyrenäischen Halbinsel, ist nur anwendbar gegen Plätze alter Art, deren hohe, aus der Ferne sicht- u. treffbare Mauerbauten leicht von einigen Batterien, armirt mit Geschützen schweren Kalibers, in Bresche gelegt werden können.

II. Geschichte. A) Das Alterthum kennt keine anderen Festungen als mit Mauern umschlossene geschützte Städte; daher war auch der F. ein einfacher. Der Feind zog vor eine Stadt u. schlug vor derselben ein Lager auf; die Einnahme konnte gelingen, wenn die Belagerten ausgehungert wurden, od. wenn es den Belagerern gelang, durch List od. Verrath in die Stadt zu dringen. Die Belagerten machten Ausfälle auf die Belagerer, um dieselben zu vertreiben; wenn nun die Belagerer durch unglücklichen Kampf od. durch ausbrechende Seuchen in ihrem Heere zu sehr geschwächt wurden, als daß sie ferner auf die Eroberung der Stadt hoffen konnten, od. wenn sie ihre Feldherren verloren hatten, so zogen sie ab, wie dies z.B. bei der Belagerung Jerusalems durch Sanherib u. Holofernes geschah. Aus ältester Zeit sind bes. die Belagerungen zweier Städte, u. zwar beide in Asien, bekannt: die Babylons durch Kyros u. die Trojas durch die Griechen. Von erster erzählt Herodot, daß Kyros, nachdem er nach dem Erscheinen vor der Stadt den Babyloniern ein Treffen geliefert, sie besiegt u. hinter ihre Mauern zurückgetrieben hatte, eine regelmäßige Belagerung begann; da aber die Städter reichen Vorrath an Lebensmitteln hatten u. an ein Aushungern nicht zu denken war, so ließ Kyros den Euphrat abdämmen. Und während er dazu den am wenigsten brauchbaren Theil seines Heeres verwendete, postirte er die tapfersten Truppen an den beiden Enden der Stadt, wo der Euphrat ein- u. ausströmte, mit dem Befehle, sobald der Fluß hinlänglich seicht sei, den Eingang in die Stadt zu crzwingen. So gelang es den Persern Babylon zu erobern, gn einem Tage, wo die Städter durch die Feier eines ihrer Feste noch bes. von der Sorge für die Vertheidigung abgezogen waren. Vor Troja zogen die Fürsten ganz Griechenlands; sie schlugen ein Lager vor Troja auf; die Troer machten tägliche Ausfälle u. kämpften in Einzelkämpfen. So ging es 10 Jahre fort, u. erst durch die bekannte List Griechen in die Stadt zu kommen, welche dann den Ihrigen die Thore öffneten.

B) In Griechenland selbst gab es bis zu den Perserkriegen keine befestigten Städte, sondern die größeren hatten Akropolen, durch Natur feste Theile, welche blos durch List od. Überrumpelung od. Verrath eingenommen werden konnten. Also gab es auch damals keine Belagerungskunst. Selbst dann, als die großen Städte Griechenlands (mit Ausnahme von Sparta) mit Mauern umgeben worden waren, entwickelte sich die Belagerungskunst langsam, u. Städte, wie Athen, wurden immer noch mehr durch Hunger u. Verrath als durch die Kriegskunst der Belagerer genommen; nur etwa kleine Grenzstädte wurden durch Einschließung genommen. Nach dem Peloponnesischen Kriege aber begann die Ausbildung wie der Befestigungs- so der Belagerungskunst u. damit des Geschützwesens. Die Römer waren in diesem Punkte ganz Schüler der Griechen. In ältester Zeit konnten sie gegen die Bürger der Nachbarstädte auch nichts mit Gewalt ausrichten, u. hatten diese die Belagerung den Sommer hindurch ausgehalten, so waren sie wenigstens für diesmal gerettet, denn mit Eintritt des Winters wurden Belagerungen aufgehoben. Erst 400 v. Chr. kommt ein Beispiel bei Veji vor, wo die Belagerung den Winter über fortgesetzt wurde. Geschütze wurder bei den Römern erst seit den Punischen Kriegen angewendet; aber als Cäsar. 40 v. Chr. Massilia belagerte, hatten die Städter bedeutendere Geschütze als die Römer, u. um Alexandria zu belagern, 48 v. Chr., ließ er allenthalben her aus Asien u. Griechenland Maschinen bringen. Die Absichten auf die Eroberung einer feindlihen Stadt wurden entweder durch eine bloße Blockade (Obsessio) od. durch eine förmliche Belagerung (Oppugnatio) zu erreichen gesucht. a) Bei der [228] Obsessio waren die Werke des Feindes gewöhnlich folgendermaßen eingerichtet: gegen die feindliche Stadt hin wurde eine Verschanzung aufgeworfen (Circumvallatio, Periteichismos); ebenso parallel mit derselben eine andere nach der äußeren Seite hin (Contravallatio, Apoteichismos), um nicht etwa von einem Entsetzungsheere überrascht zu werden. Die Werke der Belagerer nach der Stadt hin bestanden aus einem Wall od. einer Mauer, welche außerhalb der Schutzweite aufgeführt u. mit Brustwehren (Loricae) u. Zinnen (Pinnae) u. in gewissen Zwischenräumen mit Thürmen (Turres) versehen wurden. Vor dem Walle war ein Graben gezogen, der mit Pallisaden (Cippi) versehen wurde; wo es ging, auch noch ein zweiter, ein Wassergraben. Vor den Gräben wurden in Gestalt eines Quincunx die sogen. Lilia angelegt, d.h. trichterförmige Gruben von 3 Fuß Tiefe, aus welchen spitzige Pfähle wenig über die Erde vorragten u. welche mit Laubwerk u. Reisig bedeckt waren; sodann überallhin Stimuli, d.h. Fußangel, welche an kleine, flach in die Erde gelegte Hölzchen befestigt waren, gestreut. Auf gleiche Weise wurde auch die Contravallationslinie eingeri chtet. In dem Raume zwischen der Circum- u. Contravallationslinie lagen zahlreiche Castella, von wo nach den bedrohten Punkten schnell Widerstand u. Hülfe entsendet werden konnte. Solche Belagerungswerke finden sich schon 430 v. Chr. vor Platää. Dies war die gewöhnliche Art der Blockade (Obsessio), u. die Feinde kamen damit gemeiniglich zum Ziel, nämlich die Übergabe zu erzwingen, da dadurch Zufuhr u. Entsatz abgeschnitten, gewöhnlich auch das Trinkwasser abgeleitet od. verderbt wurde. Die Belagerten suchten dagegen zunächst die feindlichen Belagerungswerke im Entstehen zu hindern; sie legten Gegenwälle an od. durchkreuzten die Werke der Feinde (wie es 415 v. Chr. die Syrakusaner gegen die Athener machten), so daß diese sich erst das Terrain zu ihren Werten erobern mußten. Hatten aber die Feinde den Bau ihrer Werke begonnen, so machten die Städter häufige Ausfälle u. zerstörten die Erdarbeiten u. verbrannten die Holzwerke. Wenn dieß den Belagerten gelang, u. diese sich hinlänglich mit Proviant versehen hatten u. wenn dazu die Verbündeten derselben die Äcker verheerten u. den Belagerern die Zufuhr abschnitten, so mißlang die Blockade, u. sie muß. ten abziehen od. sich vielleicht selbst ergeben. Die andere Art bestand in dem sofortigen Angriff auf eine Stadt. Diesen versuchte der Feind gewöhnlich, wenn die Mauer nicht allzu viel Widerstand versprach; es wurden die Thore mit Brecheisen (Vectes) erbrochen od. mit Mauerbohrern (Terebrae) Löcher in die Mauer gestoßen; od. auch die Mauern mit Leitern (Scalae) erstiegen. Um an die Mauern zu kommen, wurden eine Schildkröte (Testudo) aus den Soldaten gebildet, indem diese die Schilder über den Köpfen zusammenhielten Dagegen warfen die Städter Steine u. Balken auf die Stürmenden; u. war es den Feinden gelungen, die Leitern anzulegen, so faßten die Städter die Emporsteigenden mit gezahnten Zangen (Lupi) od. stießen sie mit gabelförmigen Spießen (Furcae) u. warfen sie zurück, gossen ouch heißes Wasser u. siedendes Pech auf die Stürmenden. Selbst wenn die Vertheidiger von der Maner gewichen waren, so waren zuweilen zwischen den Mauerzinnen Körbe mit Steinmassen (Metellae) aufgestellt, welche bei der leisesten Berührung auf die Aufsteigenden herabstürzten.

Gegen stark befestigte Städte mußte aber b) die Oppugnatio, förmliche Belagerung, angewendet werden. Dabei kamen hauptsächlich drei Arten von Angriffswerken vor: der Sturmbock, die Unterminirung u. die Errichtung von Wällen mit Thürmen. Die Anwendung des Sturmbocks (Krios, Aries), s.d., welcher in einem Gestell aus 2 Balken bestand, zwischen denen ein dritter beweglich aufgehängt wurde; dieser war 80–100 Fuß lang, vorn, nach der Mauer zu, mit langen, dicken eisernen Spitzen versehen u. hinten mit schweren Gewichten behängt. Mit diesem Ballen, zu dessen Bedienung bis 1500 Mann gehörten, wurden nun Stöße gegen die Stadtauer gerichtet, um dieselbe zu beschädigen; mit krummen Eisen (Falces) wurden die locker gewordenen Steine herausgerissen. Die Belagerten schleuderten gegen die Mannschaft am Sturmbock Steine u. gegen diesen selbst Feuer. Dagegen wurde über den Sturmbock ein Schutzdach (Testudo arietaria) gebaut u. mit nassen Fellen u. Decken belegt. Um die Stöße des Sturmbocks unschädlich zu machen, ließen die Belagerten Säcke mit Sand gefüllt od. Decken an der Mauer herab, od. suchten den Balken mit Schlingen od. anderen Mitteln zu fangen u. so den Stoß zu vereiteln. Bekam dennoch die Mauer eine Bresche, so wurde von den Belagerten hinter derselben ene neue aufgerichtet. Wenn die Belagerten eine günstige Bedingung von den siegenden Feinden zu erhalten wünschten, so mußten siesich ergeben, ehe der Sturmbock gewirkt hatte. Die Untergrabung der Stadtmauer geschah entweder durch die Chelidone Dioryktis, die Brechschildkröte, eine hausähnliche Maschine mit einem schrägen Dach, welche mit der offenen Seite an die Mauer bewegt wurde; od. durch Hyporygmata (Cuniculi), Minen, welche von der Belagerunglinie aus geführt wurden. Um das augenblickliche Einstürzen der Mauer zu verhindern, wurde diese erst mit Balken gestützt, die Balken aber dann angebrannt. Auch wurden Minen bis in die Stadt geführt, u. dann brachen die Eingedrungenen aus u. öffneten den Ihrigen von innen die Thore. Gegen die Minen machten die Belagerten Gegenminen, u. oft entspann sich ein unterirdischer Kampf, od. der Feind wurde durch Rauch aus seinen Minen vertrieben. Die Dämme (Chomata, Aggeres) mit Thürmen (Pyrgoi, Turres). Die Dämme, breit u. von gleicher Höhe mit der Stadtmauer, aus Erde u. Holzwerk errichtet, wurden von der Belagerungslinie gerade nach der Mauer geführt; ihr Zweck war einen Einblick in die belagerte Stadt zu gewinnen, die Vertheidiger von der Mauer zu vertreiben u. die Belagerungsmaschine zu decken u. deren Wirkung zu sichern. Dagegen spannten die Belagerten Tücher auf od. erhöhtendurch neue Aufsätze von Holz od. Mauerwerk ihre Mauern. Dagegen errichtete wiederum der Belagerer auf dem Ende seines Dammes Thürme, von denen aus er dann die ganze Umgegend beherrschte. Die Belagerten bewarfen diese Thürme mit Brandpseilen (Oistoi pyrphoroi, Malleoli, Falericae) u. setzte dieselben in Brand od. suchten sie mit den Dämmen durch Minen einzureißen.

C) Nachdem seit dem 4. Jahrh. v. Chr. die Wurfgeschütze (Tormenta) Zahl vermehrt u. an [229] Wirkung verstärkt worden waren (Catapultae u. Bal listae, s. b.) u. von denselben außer in den Feldschlachten, auch bei Belagerungen Anwendung gemacht wurde: so begann sich eine besondere Kunst u. Wissenschaft der Befestigung u. Belagerung (Polîorketik) zuerst bei den Griechen zu entwickeln, welche von den Römern angenommen u. weiter ausgebildet wurde. a) Die Befestigung. An die Stelle der alten einfachen Stadtmauern traten nun Erdbauten. Zwischen zwei Mauern, von denen die äußere höher war, als die innere, wurde ein 30–40 Fuß hoher u. bis 20 Fuß dicker Wall (Murus) aufgeworfen, so daß mit der Bresche in der äußeren Mauer das Eindringen des Feindes noch nicht nothwendig war. Der Wallgang oben (Corona) war so breit, daß die Vertheidiger u. die Maschinen genügend Platz hatten. Die Mauern waren, wie schon früher, in Winkelgestalt errichtet; denn so konnte der stürmende Feind von verschiedenen Seiten gefaßt werden. An den Spitzen der Winkel waren in Zwischenräumen von 150–300 Fuß Thürme (Turres) rund od. fünf- bis sechseckig, erstere Art bes. widerstandsfähig gegen die Sturmböcke, letztere namentlich geeignet zur Bestreichung der Courtinen; versehenwaren sie außer mit den schon früher üblichen Scharten für Bogenschützen, jetzt noch mit größeren Öffnungen (Thyrides, Fenestrae) für die Wurfmaschinen, u. hatten bewegliche Läden (Kalymmata), damit die feindlichen Geschosse nicht eingeworfen werden konnten. Die Thore an sich waren von Außen gegen Feuer durch Eisenbeschlag, gegen die Erbrechung durch die festesten Thürme geschützt. Vor denselben lagen Außenwerke (Propugnacula), durch welche, wenn ein Ausfall. zurückgeschlagen worden war, die nachrückenden Feinde von dem Eindringen in die Stadt abgehalten werden sollten. Waren die Feinde aber ja bis zum Thor gedrungen, so wurde ein schweres, in Seilen u. eisernen Ringen gehendes Fallgatter (Cataracta) herabgelassen. Um den Feind aber von der sofortigen allzu großen Annäherung an die Stadt abzuhalten, waren vor den Festungen noch Vorwerke (Proteichismata) angebracht, welche entweder in Schanzen od. in Pallisadirungen (Charakoseis) bestanden. Um die Mauer selbst waren allerhand Hindernisse für den Feind angebracht, wie denn auch jetzt die ältesten obengenannten Gräben vor den Mauern, theils mit Wasser gefüllt, theils mit Pallisaden beschlagen, nicht fehlten. b) Die Belagerung. Die Belagerer, welche es nun gegen festere Werke zu thun u. größere Maschinen aufzustellen hatten, mußten ihrerseits auch auf stärkere. Schutz- u. Angriffsmittel denken. Die Schutzmittel, unter deren Decke die Mannschaft an dem Walle arbeitete od. gegen den Feind focht, waren: Plutei (s.d.), Feldschirme von Weidengeflecht u. mit Fellen behängt, in der Gestalt eines halbkreisförmigen Ausbaues, auf drei niedrigen Rädern od. Rollen bewegbar; die Vineae (s.d.), leicht gebaute Holzgerüste, 8 Fuß hoch, 7 Fuß breit u. 16 Fuß lang, mit flachem Dach aus Bretern od. von Weidengeflecht, auch von drei Seiten mit solchem Flechtwerk bedeckt, mit Fellen u. nassen Kissen (Centones) gegen Feuer geschützt; Chelonä Chostrides, Schüttschildkröten (s.u. Testudo), je 25 Fuß lange u. breite, auf Rädern bewegbare Breterhäuser, vorn mit einem bis auf die Erde reichenden Vordache versehen, welche bis dicht an die Mauern geschoben wurden, um die Soldaten zu decken, welche die Gräben ausfüllten u. das Terrain ebneten, um die Geschütze aufzustellen; Musculi (Testudines fossariae), dem vorigen ähnliche, aber niedrige Gebäude, um offene Gräben od. auch Minen zu graben. Eine besondere Art von Chelone od. Testudo (s.d.) war jetzt ein gleiches Haus, unter welchem der Sturmbock hing u. geschwungen wurde. Das namhafteste Angriffsmittel waren die auf den Dämmen (Aggeres) außer der Schußweite errichteten od. zusammengesetzten u. auf denselben nach der Stadtmauer vorschiebbaren Thürme (Turres ambulatoriae). Ihre Construction ist nicht genau bekannt, nur so viel weiß man, daß sie auf einer Basis aus zwei Paaren Langschnellen, zwischen denen die Räder lagen, aus Holz errichtet waren, in einer Höhe von gewöhnlich 90–180 Fuß u. aus 10–20 Stockwerken (Stege, Tabulata) bestehend. Sie wurden mit Bogenschützen, Schleudern u. den Wurfmaschinen besetzt, hatten auch später in dem unteren Stock oft noch den Sturmbock. An die Mauer wurden sie mit Winden od. anderen (unbekannten) mechanischen Mitteln gerückt. Ähnlich war die von Demetrios Poliorketes erfundene Helepolis, nur stärker, weil sie die größten Wurfmaschinen aufnehmen konnte. Von den Thürmen wurden auch Brücken (Sambykä, Epibathra, Sambucae) auf die Mauer gebracht, welche entweder in Seilen hingen u. als Fallbrücken auf die Mauer herabgelassen, od. in gerader Richtung aus dem Thurme hinausgeschoben wurden (Exostra). Brücken wurden auch selbständig angewendet; entweder bei einem Angriff von der Seeseite, indem man zwei Schiffe verband u. auf deren Deck das untere Ende der Brücke feststellte, das andere an Tauen auf die Mauer niederließ; od. bei Angriffen zu Lande, wo die Leiter mit dem Fuße auf einem Unterbau ruhete, während das andere Ende von Seilen gehalten wurde, die über einer auf der Unterlage befestigten hohen Stange gingen. Gegen solche Brücken warfen die Belagerten große Steine, od. rissen die Stürmenden mit Haken herunter, od. warfen auch Netze nach ihnen, worin sie sie verstrickten u. so in ihren Bewegungen hemmten. Bei Angriffen zur See bediente man sich auch noch der von Archimedes erfundenen Corvi od. Manus ferreae (s.u. Corvus 2), eiserner Haken, womit die Schiffe von der Mauer aus gefaßt u. aufgehoben u. rasch wieder niedergeworfen wurden. Um einzelne Leute auf die Mauer zu heben, od. in die belagerte Stadt einen Einblick zu gewinnen, bedienten sich die Belagerer des Krahn (Tolleno), einer dem Brunnenschwengel ähnlichen Hebemaschine mit einem Korb od. Kasten an dem einen Ende zur Aufnahme eines Soldaten. Auch die Belagerten brauchten diese Maschine, um schwere Massen senkrecht auf die Feinde u. deren Sturmbock zu werfen.

D) Eine wesentliche Änderung in der Belagerungskunst brachte die Erfindung der Feuergeschütze hervor. Man brauchte die Geschütze zunächst, um die Mauern der Städte u. Schlösser zu zertrümmern, u. zwang so die Vertheidiger, die Mauern durch Erdwälle, denen das Geschütz weniger schadete, zu ersetzen, od. dieselben durch eine Erddecke, wie sie die Brustwehren der Außenwerke u. das Glacis bildete, gegen die zerstörenden Kugeln zu decken. Als man aber das Geschütz auch zur Vertheidigung der Festungen anwendete,[230] wurden die Belagerer genöthigt, sich ebenfalls durch Erdaufwürfe zu decken, u. es entstand so der Angriff durch die Tranchee od. Sappe. Anfangs war dieser ziemlich unregelmäßig. Man grub sich, nachdem man sich durch Contra- u. Circumvallationen gedeckt, in einer langen Linie ein, sicherte deren Flügel durch Redouten u. legte die ersten Batterien in dieselben. Später weiter vorgelegte Batterien verband man durch Laufgräben mit dieser Linie, baute auch dort Redouten, ging im Zickzack od. Schlangenlinie auf das Glacis vor, dachte jedoch nicht an Verbindung derselben. Die Türken wendeten die Erdwalze an. Sie gruben sich nämlich, so vor Kandia, in einer bedeutenden Entfernung von der Festung u. in großer Ausdehnung in der Breite, gleich einer Parallele, in die Erde ein u. warfen die Erde nach der Festung zu auf. Später gingen sie nun, indem sie die Erde immer als Deckung von sich vorwärts weiter schaufelten, auf die Festung los u. warfen endlich die gewonnene Erde in den Graben der Festung, füllten ihn so u. stürmten den Platz. Außer einigen Beispielen in dem niederländischen Kriege (1578 vor Deventer, 1592 vor Steenwyk) fanden sie indessen, in diesem Menschen kostenden u. wenig Verbindung rückwärts gewährenden, den Ausfällen sehr ausgesetzten Verfahren, keine Nachahmer. Vauban änderte das bisherige Verfahren in der Mitte des 17. Jahrh. u. richtete den Angriff auf die im Ganzen noch bis in die neuere Zeit befolgte Art ein. Bes. zeichnete er sich durch Erfindung der Parallelen aus, die er 1673 vor Mastricht zuerst anwendete u. indem er 1697 vor Ath zuerst 3 Parallelen anlegte. Sein Angriffsystem wurde in dem 1. Dritttheil des 18. Jahrh. durch Cormontaigne, le Febre u. andere französische Ingenieurs verbessert u. der zu Vaubans Zeit gewöhnliche Tranchéecavalier durch Haubitzbatterien ersetzt. So ist es denn seit 150 Jahren geblieben, doch ist die Kunst des F. seit der Mitte des vorigen Jahrh., wo sie die Franzosen bes. in den Niederlanden (1742–45) praktisch ausübten, außer einigen großen Belagerungen, so von Schweidnitz, Dresden, Gibraltar, Toulon, Mainz, Gaeta, Danzig, Ciudad Rodrigo, Badajoz, Saragossa u. einigeranderer spanischer Festungen, Antwerpen etc., selten praktisch angewendet worden. Neu war nur die Vertheidigung der inneren Stadt in Saragossa u. einiger anderer spanischer Städte 1808–13, denn selbst der Angriff der Franzosen auf die Citadelle von Antwerpen u. der brüsquirte Angriff von Constantine, hat nichts Neues gebracht; die Vertheidigungen von Silistria u. Sebastopel im letzten russisch-türkischen Kriege aber haben den glänzenden Beweis geliefert, daß die bei Weitem stärkste Vertheidigung einer Festung in der energischen Verwendung ihrer aktiven Streitmittel liegt u. wenn bei ihnen auch kein neues System des Angriffs zur Anwendung kam, so ist es doch möglich gewesen mancherlei Erfahrungen zu machen u. zu erkennen, daß das alte System der Belagerungen dem heutigen Stande der Hülfsmittel nicht mehr entspricht. Vgl. über den F. der Alten: Äneas Taktikos, πολιορκητικά (s.u. Äneas 3), die Werke von Onosander u. Vegetius (s. b.), so wie Heron, Βελοποιϊκά, u. Philon, ερὶ βελοποκῶν (s. b.); Lipfius, Poliorceticon libri V., im 3. Bde. seiner Werke; Folard, De l'attaque et de la défense des places des anciennes, im 3. Bde. des Abrégé des commentaires de Folard sur l'histoire de Polybe; Köchly u. Rüstow, Griechische Kriegsschriftsteller, 1. Bd. Lpz. 1853. Über den F. der Neuern: Vauban, Mém. pour servir d'instruction dans la conduite et dans la défense des places, Leyd. 1740, deutsch Berl. 1744, u. von G. A. von Clair, Berl. u. Potsd. 1770; Vauban, Traité de sièges, Berl. 1742, deutsch Potsd. 1747; le Blond, Eléments de la guerre des sièges, Par. 1743; Vauban, Traité de la défense des places, herausgegeben von Foissac, Par. 1795; de B. (Bousmard's), Essai gén. de la fortification, Pattaque et la défense des places, Berl. 1798, deutsch, von Kosmann, 1805, 2 Bde., 3. Bd. als Fortsetzung deutsch von C. Wenzell, nebst einem Anhang über die Beherrschung der Werke nach Noizet de St. Paul, Heiligenst. 1821; Dessen Mémorial de Cormontaigne pour l'attaque des places etc., Berl. 1803; Carnot, Von der. Vertheidigung fester Plätze, aus dem Französischen übersetzt von R. von L., 1816; Hoyer, Die Befestigungskunst, begründet auf Angriff u. Vertheidigung, Berl. 1832; Aster, Die Lehre vom Festungskriege, Dresd. 1835; Augoyat, Angriff u. Vertheidigung fester Plätze, Berl. 1832; Zastrow, Geschichteder beständigen Befestigungskunst, 3. Aufl., Lpz. 1854; Sonntag, Der Festungskrieg im Geiste der neusten Kriegführung.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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